Kritik an Kibag-Plänen
Die Kibag hat am Donnerstag letzter Woche vorgestellt, was sie auf dem Areal zwischen Roter Fabrik und Schiffswerft plant. Von einigen als wohlwollendes Angebot oder zu einem Kompromiss erklärt, stellt das Projekt für Kritiker:innen einen Affront und eine Bedrohung dar. Die Sorgen sind keineswegs unbegründet.
Obwohl der gerne als Sprungturm genutzte Hafenkran zwischen GZ Wollishofen und Roter Fabrik auch in Zukunft eine Ikone des linken Seeufers bleiben dürfte, tritt das Bauvorhaben, das die Kibag am Donnerstag letzter Woche vorgestellt hat, Diskussionen um Verdrängung, scheinheilige Partizipationszugeständnisse und gar allfällige Enteignung los. Wo heute noch Beton gemischt wird, soll sich in einigen Jahren ein grosser öffentlicher Park befinden, im Hintergrund sollen Wohnungen, wohl eher teure, gebaut werden. Die Visualisierungen des Architekturbüros Diener & Diener, das von der Kibag für das Projekt engagiert wurde, zeigen die neue Wiese mit Blick auf den hinteren Teil des Hafenkrans, wo heute noch rund 19 000 m² zubetoniert sind. Dahinter sollen 70 Wohnungen gebaut werden.
Schalldichte Echokammer
Bis 2030 betreibt die Kibag hier noch ein Betonwerk. Eigentlich als Wohn- und Mischzone definiert, dürfte die Kibag hier also Wohnungen bauen, wie sie es auch 100 Meter weiter, am Standort der ehemaligen Franz-Garage, getan hatte. Vor diesen Neubaublöcken respektive vor ihrem Fundament trifft sich am letztwöchigen Donnerstag, eine Stunde vor Projekt-Update seitens Kibag, die Gruppe «Linkes Seeufer für alle», kurz LSFA. Die Anwesenden sind zu diesem Zeitpunkt noch etwas planlos – und überrumpelt. Im Vorfeld gab es Testplanungen und einen Echoraum, wo sich Vertreter:innen aus dem Gemeinderat, aus Quartiervereinen, auch von LSFA, aus der Kultur, aber auch etwa dem Städtebau und der Architektur über die Zukunft des Areals austauschten und Ideen entwickelten, was darauf entstehen könnte. Einigkeit gab es insbesondere in einem Punkt: keine Wohnungen. Alleine die Seeufer-Aktivist:innen präsentieren auf ihren sozialen Medien eine Liste mit «40 besseren Ideen», was man zwischen Werft und Fabrik machen könnte: Zum Beispiel einen Gemeinschaftsgarten, einen Skatepark, ein Brocki, ein Beachvolleyballfeld und andere sommerliche See-Infrastruktur, Streetfoodstände,, Ateliers und so weiter. Derweil lädt die Kibag scheinbar aus dem Nichts plötzlich zur Vorstellung eines Projekts ein. Und obwohl überrumpelnd, ist es für die Aktivist:innen nicht überraschend – so sei es schliesslich auch bei den Wohnblöcken passiert, die plötzlich hinter der Savera-Wiese standen.
Irritation…
Dass die Kibag das Hauptanliegen des Echoraums, keine Wohnungen, ignoriert, irritiert den Gemeinderat Luca Maggi (Grüne), der sich seit längerer Zeit mit der Zukunft des Areals befasst. Auch bei ihm zeigt sich die Überrumpelung, die sich durch die kurzfristige Projektvorstellung der Kibag breitgemacht hat: «Stand heute sind mehr Fragen offen als geklärt.» Eines sei aber klar: «Die Kibag hat das Land einst quasi geschenkt erhalten, um es im öffentlichen Interesse (Produktion von Beton und Kies) zu bewirtschaften. Auch eine künftige Nutzung muss zwingend im öffentlichen Interesse sein. Teure Wohnungen sind das in der Stadt Zürich nicht. Freiräume hingegen schon», so Luca Maggi weiter.
Politisch regt sich schon länger Widerstand. So wurde etwa eine Motion überwiesen, die eine Umzonung in eine Gewerbe- und Freihaltezone fordert. Auch der Quartierverein Wollishofen hatte letztes Jahr eine Petition gestartet, die dieselbe Umzonung forderte, die im Gemeinderat per Motion überwiesen wurde. Der Präsident des Quartiervereins, FDP-Gemeinderat Martin Bürki, erklärt gegenüber der NZZ, auch er habe Bedenken – bezüglich Lärmklagen. Denn würden die Wohnungen gebaut, so würde auch der Kulturbetrieb um das Areal herum, etwa in der Roten Fabrik, bedroht. Nicht umsonst nennt die IG Rote Fabrik das Vorhaben einen Affront. Mit dem Projekt habe die Kibag definitiv unter Beweis gestellt, dass sie nicht der richtige Träger für das Areal sei, so der IG-Vorstand gegenüber der NZZ. Auch dass die Kibag das Lärmproblem gelöst habe, sei fraglich – im Rahmen der Testplanung hätten neun Architekturbüros daran herumstudiert und keine Lösung gefunden. Die Kibag schafft das anscheinend quasi sofort. Und die Stadt? Bisher hält sie sich raus – am 4. September soll jedoch der Masterplan «Seeufer Wollishofen» präsentiert werden.
Angesichts des «Kompromisses» offenbart sich eine weitere Dimension, was für eine Art von Kompromiss hier vorgelegt wurde: Denn politisch weitläufig erkannte Problematiken wie Verdrängung und Gentrifizierung scheinen nichts zu sein, worüber man sich bei den Verantwortlichen gross Gedanken macht. Darüber zeigen sich die Aktivist:innen von LSFA besorgt: «Der Ort wird mit solchen Wohnungen massiv aufgewertet. Der ‹Kompromiss› mit dem öffentlichen Park hätte zur Folge, dass durch die mit dem Projekt einhergehende Aufwertung nicht mehr garantiert werden kann, dass Menschen, die nicht in ein solches Stadtbild passen, da noch Platz haben werden.»
…und Linderungsversuch
Zumindest das Lärmproblem hat man aber auch bei der Kibag erkannt – weshalb die Fassade zum See hin lärmisoliert gebaut werden soll. Die Balkone wären zur Strasse hin. Und um den Lärm seitens Roter Fabrik zu minimieren, will die Kibag einen Querbalken mit Gewerbe dazwischenbauen. So wird der grüne Park auf den Visualisierungen aber gleichzeitig zum Ablenkungsmanöver, der Widerstand kleingeredet à la: Es passiert ja, was gefordert wird. Im selben Ton erklärt zum Beispiel Martin Kühn, Kibag-Finanzverantwortlicher, in der NZZ, das Projekt erfülle 15 von 16 Vorgaben aus der Testplanung. Ob die Bevölkerung, der Gemeinderat, der Quartierverein, die Kulturbetriebe und die aktivistischen Organisationen das genauso sehen? Wird nicht einfach versucht, ein Projekt mit möglichst grosser Geschwindigkeit durchzuboxen? Und wieso die Eile? Vielleicht weil wohl eine Klatsche gegen die Kibag-Pläne folgen würde, wenn das Vorhaben irgendwie vor das Volk käme und darüber abgestimmt werden müsste. So scheint der Vorschlag mehr ein versöhnliches Anbiedern zu sein, um zu verhindern, dass der Widerstand über die lokalen politischen Akteur:innen hinweg auf ein breiteres Publikum überschwappt. Ein Verkauf an die Stadt wird ausgeschlossen – eine Enteignung wäre wohl teuer und sicher nicht einfach durchzuführen, ganz zu schweigen von der Auswirkung auf den Füllstand der liberalen Galle. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb, in weiser Voraussicht, dass das Projekt noch nach hinten losgehen könnte, ist eine gewisse Gesprächsbereitschaft bei den Eigentümer:innen vorhanden, was Luca Maggi zuversichtlicher stimmt: «Der Vorschlag der Kibag ist eine Idee, die sie in die Runde wirft. Immerhin sollten jetzt Gespräche möglich sein. Das ist nach dem Auftritt der Kibag im Echoraum immerhin etwas.»