- Im Kino
Kompromiss
Sein Pech ist, dass Nanni Moretti mit «Habemus Papam» bereits vor über zehn Jahren eine Papstwahl alias «Conclave» in Szene gesetzt hatte, die hochgradig politischen Biss mit mezzosubtiler Häme so zu kombinieren verstand, dass aus der an sich monokausalen Erzählung eine vielschichtige Gesamtgemengelage alias einer Bestandesaufnahme der damaligen Weltenlage auffächerte. Im Vergleich dazu bleibt Edward Bergers Entschluss, diesen Intrigantenstadl im Machtzentrum der Deutungshoheit über einen Fünftel der Weltbevölkerung allein auf die Ebene der Spannung zu verlagern im Gesamtbild nachgerade mau. So reduziert sich dieses Ringen um die künftige Ausrichtung einer bedeutenden Weltreligion mit einer als unfehlbar geltenden, sämtliche Gewalten auf sich vereinenden und absolut monarchisch herrschenden männlichen Person an der Spitze auf ein nahezu operettenhaft wirkendes höfisches Zeremoniell. Mit einer Prise Krimi. Unter Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) als sich neutral zu verhaltendem Zeremonienmeister zerrt die liberale Fraktion rund um Kardinal Bellini (Stanley Tucci) in die eine, die konservative Fraktion rund um Kardinal Tedesco (Sergio Castellito) in die andere Richtung. Taktisch so subtil wie nötig und so forsch wie möglich, denn wer zu früh den Kopf rausstreckt, droht ihn zu verlieren. Als mit dem Erzbischof von Kabul (Carlos Diehz) im Range eines Kardinals zum grossen Erstaunen ein allseits unbekannter Aussenseiter im Vatikan und damit im Postenschacher auftaucht, verdichtet sich bereits vergleichsweise früh im Handlungsverlauf die Vermutung eines anscheinend bequemen Kompromisses zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Worauf sich die eigentliche Spannung auf die Aufdeckung der vielen Schutzbehauptungen, Realitätsverklärungen ergo Lügen der einzelnen Kandidaten reduziert. Kardinäle sind per Definition Karrieristen, sonst hätten sie einfache Seelsorger bleiben können.
«Conclave» spielt in den Kinos Abaton, Arena, Corso, Frame, Houdini.