Kommission und Strasse
An dieser Stelle präsentieren wir jene KandidatInnen aus dem links-grünen Spektrum, die als Neue entweder die Spitze der Liste einnehmen oder eine realistische Chance besitzen, gewählt zu werden. Diese Woche ist das Hannah Pfalzgraf, seit zwei Jahren Kantonsrätin und Spitzenkandidatin der JungsozialistInnen.
Ihre Wahl 2018 (sie rutschte nach) in den Zürcher Kantonsrat war überraschend und passte bedingt in ihr Zeitbudget: Sie lässt sich an der Kunstfachschule Basel zur Gymnasiallehrerin ausbilden und sie musste zunächst abklären, ob sich die Ratstätigkeit mit der Anwesenheitspflicht in ihrer Schule vereinbaren liess. Es war möglich. Diesen Frühling bei den Neuwahlen wollte sie ihre Wiederwahl ausgesprochen. Die Tätigkeit im Kantonsrat gefällt ihr.
Hannah Pfalzgraf wuchs in Mettmenstetten in einem Elternhaus auf, in dem politisch diskutiert wurde, obwohl die Eltern keiner Partei angehörten. Als 2014 die Masseneinwanderungsinitiative der SVP zur Abstimmung kam, wollte sie etwas dagegen unternehmen. Stimmen konnte sie als 17-Jährige noch nicht, wohl aber den Juso beitreten. Bei den Kantonsratwahlen 2015 wünschte sich die SP eine Vertretung der Jungen auf der Liste. Da sie politisch etwas bewegen wollte, liess sie sich gerne auf Position 3 nominieren und behauptete diesen Platz bei den Wahlen. Ein Platz, der normalerweise im Bezirk Affoltern für einen Sitz im Kantonsrat nicht reicht; zumal der bisherige Amtsinhaber Moritz Spillmann alles andere als amtsmüde war.
Doppelfunktion
Hannah Pfalzgraf führt bei den Nationalratswahlen die Liste der JungsozialistInnen an. Diese betrachtet sie als ihre erste politische Heimat, obwohl sie sich in ihrer SP-Sektion im Säuliamt wohlfühlt. In der Kantonsratsfraktion wurde sie gut aufgenommen. Sie arbeitet in einer stillen Kommission, derjenigen für Staat und Gemeinden. Sie schätzt die Arbeit in der Kommission, sie hat dabei das Gefühl – seit dem Frühjahr logischerweise mehr – , dass sie etwas mitbewegen kann. Konkret befasste sie sich mit dem Soziallastenausgleich, bei dem es vor kurzem zu einem Durchbruch kam, oder mit dem Datenschutz. Auch wenn fast in allen Kommissionsarbeiten der Teufel in den Details steckt, gilt dies für die Themen ihrer Kommission in einem ausgeprägten Mass: Hier treffen viele Interessen aufeinander, und damit ergibt sich auch ein grösserer Spielraum. Sie mag das gründliche Studium der Akten, und sie trägt ihren Standpunkt in der Ratsdebatte auch gerne vor: «Wenn ich mich gut vorbereiten kann, rede ich gerne im Ratssaal. Spontan traue ich es mir noch nicht zu.»
Die spontane oder auch aufmüpfige Seite konnte sie im Kantonsrat auch schon ausleben. Sie reichte als Vertreterin der JungsozialistInnen die Motion für den Klimanotstand ein, der im Mai ausgerufen wurde. Es war ihr dabei wichtig, ihn mit der Klimabewegung abzusprechen. Sie beriet sich ausführlich mit Nicola Sigrist, der damals noch nicht im Kantonsrat, aber sehr aktiv bei der Klimabewegung war. Sie wollte die Anliegen der Klimabewegung in den Rat tragen, auch wenn sie selber sich nicht als Spezialistin in Klimafragen betrachtet. An die Demonstrationen geht sie selbstverständlich. Dass der Vorstoss eine Mehrheit fand, gehört zu den positiven Erfahrungen, die vor den Wahlen in diesem Frühling erhofft, aber kaum erwartet werden konnten.
Sie wohnt während der Woche in Basel, lebt auch noch im Haus ihrer Eltern und fühlt sich im Säuliamt wohl. Sie wuchs hier auf: Dabei bildeten sich Bekanntschaften und Freundschaften, die immer noch halten. Sie geht gerne an Kulturereignisse oder Konzerte im Gebiet, vor allem das Rampenopenair in Hausen hat es ihr angetan. Gleichzeitig studiert sie in Basel und verbringt einen grossen Teil ihrer politischen Arbeit und ihrer Freizeit mit den JungsozialistInnen. Neue Freundschaften schliesst sie vorwiegend dort, und dieses Leben findet meist in Zürich statt. Damit ist sie für viele BewohnerInnen des Säuliamts typisch: Viele arbeiten in der Stadt, verbringen auch einen Teil ihrer Freizeit dort und wohnen im Säuliamt, wo sie sich wohl fühlen. Hannah Pfalzgraf vertritt im Kantonsrat die Interessen des Säuliamts, aber sie wird kaum je eine ausgesprochene Gemeindepolitikerin. Auch weil sie sich für die grossen Themen interessiert: Klima, Gleichberechtigung, Schule. Was für die BewohnerInnen des Bezirks Affoltern ja auch eine Rolle spielt.
Chancengleichheit
Sie steht an der Spitze der Liste der JungsozialistInnen. Das bedeutet, dass es ihr bei dieser Kandidatur vor allem um die Zugkraft der JungsozialistInnen geht und weniger um das persönliche Vorwärtskommen. Ihre Wahlchancen wären auf einem guten Platz auf der Parteiliste grösser gewesen. Sie findet es aber erstens wichtig, dass JungsozialistInnen, die etwas bekannter sind, auf der Liste ihrer Organisation kandidieren, und zweitens reizt sie ein Sitz im Nationalrat zwar; aber es kann gut auch erst in vier oder acht Jahren sein. Sie möchte ihre Ausbildung abschliessen, was minimal noch ein Jahr, mit dem Master noch drei Jahre dauert.
Ihre politischen Schwerpunkte bleiben ob im Kantons- oder Nationalrat dieselben. Sie setzt sich weiterhin für das Stimmrechtsalter 16 und für das AusländerInnenstimmrecht ein. Ohne sieht sie eine echte Integration als schwierig an. Sie streitet für die Gleichstellung. Sie weiss, dass Gesetze dazu nicht ausreichen, aber auch, dass ohne gesetzliche Grundlage vieles schwieriger wird. Die Ehe für alle (und sie meint damit wirklich alle) betrachtet sie als typisches Beispiel dafür: Selbstverständlich gehört die Akzeptanz im Alltag zur konkreten Realisierung, aber ohne gesetzliche Grundlage wird es viel schwieriger. Als angehende Lehrerin sieht sie, dass die Bildung, die sie erhielt, nicht allen zugänglich ist. Und das zu ändern betrachtet sie als zentral – auch mit einer Schule, die die Stärken der SchülerInnen betont.