Klima, Europa und Liebe

Thomas Loosli

 

In einer intensiv und teils emotional geführten Debatte am ‹Tages-Anzeiger›-Podium im Kaufleuten-Festsaal präsentierten sich alle TeilnehmerInnen in streitfreudiger Form.

 

Es ist auch von Liebe die Rede an diesem Abend. Die Ständerate Ruedi Noser und Daniel Jositsch bezeichnen sich erneut gewollt selbstironisch als die Rolling Stones und der SP-Ständerat macht keinen Hehl daraus, dass er am liebsten mit Ruedi Noser mag. Roger Köppel, der selbsternannte einsame Streiter gegen den «links-grünen Kuschelklub» sehnt sich nach einer innigen Beziehung mit der FDP. Tiana Mosers leidenschaftliche Plädoyers für die Zusammenarbeit mit der EU erwecken den Eindruck, dass sie in Europa verliebt ist, Nicole Barandun tut im Zusammenhang mit der Gleichstellungspolitik ihre Vorliebe für «Frauen mit Biographien» kund, Marionna Schlatter bekennt sich zum Klima- und Frauenstreik und Nik Gugger verehrt das interkulturelle Management.

Doch nicht nur von Liebe ist die Rede an diesem mit reichlich Bonmots gespickten Abend in einem Saal, dessen Publikum vorwiegend links und grün orientiert scheint, in dem aber auch ein paar kernige Köppel-Sympathisanten ihre Zwischenrufe eingeben.

 

Das Hoffen auf die SP

Das erste Thema des Abends war Zürichs Beziehung zu Europa und damit auch der EU-Rahmenvertrag. FDP-Ständerat Ruedi Noser betonte einmal mehr den Erfolg der letzten Legislatur: Finanzausgleich, Unternehmenssteuerreform, AHV-Finanzierung, öffentlicher Verkehr und CO2-Abgabe. Zu letzterem Beschluss habe er wesentlich beigetragen. Die Kandidatin der Grünliberalen, Tiana Moser zeigte sich beim Thema Beziehungen Schweiz-EU angriffig, kritisierte die Haltung der SP zum Rahmenabkommen scharf und sah die SP-Bundesräte in Geiselhaft der Gewerkschaften. Daniel Jositsch verteidigte sich relativ gelassen mit dem Hinweis darauf, dass er ja auch für das derzeitige Rahmenabkommen sei und dass die parteiinterne Diskussion wegen des Lohnschutzes absolut legitim sei. CVP-Kandidatin Nicole Barandun meinte, dass auch der Handel des Kleingewerbes mit der EU nicht zu unterschätzen sei. «Der Lohnschutz in der EU ist nicht schlechter als in der Schweiz, sondern anders umgesetzt», sagte sie. Auch für Nik Gugger von der EVP ist klar, dass es das Rahmenabkommen braucht. Er plädierte für das interkulturelle Management, welches die Schweiz stark mache und wies auf die Gefahr hin, dass erfolgreiche, ausländische StudentInnen nach dem Studium nicht in der Schweiz gehalten werden könnten. SVP-Ständeratskandidat Roger Köppel sprach gleichzeitig von Klimaschutz und der EU. Dabei fielen Wortschöpfungen wie «Greta Thunberg-Gottesdienst» und «Kolonialvertrag».

 

Noser greift an

Ein längeres Votum von Roger Köppel über den «politischen Einheitsbrei» nahm Ruedi Noser zum Anlass um für kurze Zeit die Rolle von Moderatorin und Chefredakteurin des ‹Tages-Anzeigers› Judith Wittwer zu übernehmen. Er stoppte den ‹Weltwoche›-Chefredakteur entschieden. «Jetzt bleib mal beim Thema und sag für was du bist.» Auffällig war, dass nicht nur Nicole Barandun und Nik Gugger deutlich weniger Redezeit bekamen als die anderen KandidatInnen, auch Marionna Schlatter wurde (im Gegensatz zu Tiana Moser) von der Moderatorin häufig links liegen gelassen.

 

Klimaschutz weckt Emotionen

Das Thema Klimaschutz weckte beim Publikum mehr Emotionen als die Europafrage. Die Kandidatin der Grünen konnte erst beim Thema Klimaschutz ihre entschieden vorgetragenen Ansichten in die Runde geben. «Die Schweiz hinkt bei den Klimazielen Europa hinterher, es ist eine Tatsache, dass die bisher getroffenen Beschlüsse niemals ausreichen.» Zudem sei es fraglich, ob nach dem Frauenstreik zwei Männer fortgeschrittenen Alters den Kanton Zürich ausreichend repräsentieren würden. Für Tiana Moser waren die letzten vier Jahre ein Misserfolg. Der Mini-Schritt im Ständerat könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Chance verpasst worden sei, die Schweiz als innovatives Land im Klimaschutz zu profilieren. «Für ein gutes Klima braucht es ein gutes Klima», setzte dem Ruedi Noser entgegen, der Tiana Moser und Marionna Schlatter aufforderte, sie sollten aufhören, den Menschen mit dem Klimaschutz wehzutun. Das Klimaziel 2020 habe man mit dem im Ständerat geschaffenen CO2-Gesetz erreicht. Weil die Fragen aus dem Publikum am Schluss der Veranstaltung vornehmlich an den SVP-Kandidaten gerichtet waren, gehörte das Schlusswort des Abends dann doch Roger Köppel. Dieser nahm die Steilpässe aus dem Publikum an und feuerte seine gewürzten Wortsalven in den Saal.

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