Kleider und Vegimenüs

Der Zürcher Gemeinderat kann auch konkret – oder ging es am Mittwoch vielleicht doch um mehr als um das Recht auf den Sonntagsbraten?

Zu Beginn der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend verlas Julia Hofstetter die Fraktionserklärung der Grünen zum sechsten Sachstandsbericht des UN-Weltklimarates. Die führenden Wissenschaftler:innen weltweit sagten, es sei schlimm, «aber es ist nicht zu spät. Nur blöd und fatal, dass wir uns verzetteln», fasste sie zusammen. Entsprechend sei jeder Entscheid wichtig, auch im Gemeinderat: «Es gilt jede Weisung auf ihre Klimaverträglichkeit zu überprüfen.» Der Tatbeweis folgte, doch davon später mehr.

Die erste stadträtliche Vorlage war ein Bericht zu einem Pilotprojekt «zur Schliessung der Lücken in der Palliative-Care-Versorgung». Kommissionssprecherin Florine Angele (GLP) erklärte, wegen der Corona-Pandemie während der dreijährigen Laufzeit des Pilotprojekts sei dieses ein wenig beeinträchtigt worden. Von den sechs Massnahmen, die von der Information der Bevölkerung bis zum Aufbau eines medizinischen Palliative-Care-Dienstes zur Unterstützung mobiler Palliative-Care-Teams reichen, werde deshalb die fünfte Massnahme verlängert: Sie besteht in der Weiterentwicklung ebendieser mobilen Teams. Mit 113:0 Stimmen nahm das Parlament Kenntnis vom Bericht.

Etwas mehr zu reden gab die zweite Vorlage: Es ging um die Kenntnisnahme des Berichts zu einem Postulat von Marion Schmid und Marcel Savarioud (beide SP, letzterer nicht mehr im Rat) «betreffend Auswertung der Handhabung und der Auswirkungen der Corona-Pandemie in den städtischen Alters- und Pflegezentren». Marion Schmid schickte voraus, dass sie das Postulat im Winter 2020 eingereicht hätten, als es zahlreiche Medienberichte gegeben habe, «die kritisierten, wie in Alters- und Pflegeeinrichtungen mit der Pandemie umgegangen wurde». Stichworte dazu seien Besuchsverbote oder auch grosse Ausbrüche wie beispielsweise im Gehrenholz, wo 24 Menschen starben. Den Bericht bezeichnete Marion Schmid als «ausführlich» und «umfassend» und zog das Fazit, die Pandemie sei insgesamt «gut gemeistert» worden, nicht zuletzt, weil die Zentren und alle Involvierten Ausserordentliches geleistet hätten. Michael Schmid (FDP) schloss sich dem Dank an die Mitarbeiter:innen an und sagte, es sei nun wichtig, dass die Erkenntnisse aus dem Bericht bei allfälligen künftigen Pandemien mitgenommen werden könnten. Mit 116:0 Stimmen nahm der Rat Kenntnis vom Bericht und schrieb das Postulat ab.

Sonntagsbraten in Gefahr?

Das eingangs erwähnte Thema «Klimaverträglichkeit» stand bei der Behandlung einiger Postulate im Vordergrund: Islam Alijaj und Anna Graff (SP) forderten die «Unterstützung des Gewerbes mit einem eCargo-Bonus beim Umstieg von fossil betriebenen Fahrzeugen auf klimaverträgliche eCargo-Bikes». Islam Alijaj betonte, der Bonus würde nur beim «tatsächlichen Umstieg» bezahlt. Die Ablehnung der FDP-Fraktion begründete Martina Zürcher damit, diesen Bonus gebe es bereits – wer auf ein solches Gefährt umstelle, spare die Verkehrsabgabe. Und Walter Anken (SVP) spottete, er sehe den Zimmermann mit dem zwölf Meter langen Balken auf dem Cargobike vor sich: «Dieser Vorstoss hat nichts mit der Realität zu tun.» Nichtsdestrotrotz wurde er überwiesen, mit 84 gegen 32 Stimmen von SVP und FDP.

Mit ihrem Postulat sprachen sich Selina Walgis und Anna-Béatrice Schmaltz (beide Grüne) für die «Senkung der Treibhausgasemissionen im Bereich des Textilienkonsums pro Kopf» aus, wobei der Fokus auf der Sensibilisierung der Bevölkerung liegen solle: Acht Prozent der Kleider würden entsorgt, bevor sie nicht mehr tragbar seien, ein Teil davon gar vor dem ersten Tragen, sagte Selina Walgis. Von den Kleidern, die in der Kleidersammlung landeten, werde zudem nur ein kleiner Teil wiederverwertet, vieles davon konkurriere entweder die Textilmärkte anderer Länder oder werde gesundheitsschädlich verbrannt, beispielsweise in Ghana. Die «Erziehungsphilosophie» hinter solchen Vorstössen sei bloss Ausdruck einer «völligen Überschätzung davon, was wir bewirken können», entgegnete ihr Michael Schmid (FDP), und Walter Anken klagte, «jetzt packt ihr also die Kleiderpeitsche aus!». Nach lebhafter Debatte wurde auch dieses Postulat überwiesen, wenn auch knapper, mit 60:58 Stimmen.

Julia Hofstetter (Grüne) und Patrick Tscherrig (SP) forderten schliesslich noch, dass in den städtischen Verpflegungsbetrieben «pflanzenbasierte Menüs mit guter Ökobilanz» als Standardoption festgelegt werden sollten. Kurz zusammengefasst ging es hier also bloss darum, dass nicht Hackbraten mit Kartoffelstock das Menü 1 sein soll, sondern beispielsweise Tofuschnitzel mit Nudeln. Wer Fleisch wolle, bekomme weiterhin Fleisch, betonte Julia Hofstetter, aber zweimal täglich Fleisch zu konsumieren, wie es die Mehrheit in der Schweiz tue, sei «viel». Der Fleischkonsum sollte angesichts dessen CO2-Bilanz eine «bewusste Entscheidung» sein. «Hände weg von meinem Sonntagsbraten!», entegnete ihr Walter Anken. Und Bernhard im Oberdorf (SVP) befand, solcher «Zwang durch die Hintertüre» sei «perfid». Er habe mal aus Versehen vegane Lebensmittel gekauft und Gästen vorgesetzt; diese hätten «die Nase gerümpft». Patrick Hässig (GLP) entgegnete ihm ungerührt, «dann bist du ein schlechter Koch!». Mit 73:40 Stimmen kam auch dieses Postulat durch.

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