Vor rund 15 Jahren wurden verschiedene Schutzprojekte für den Kiebitz ins Leben gerufen.(Bild: Michael Gerber)

Kiebitz im Aufwind

Dank Schutzprojekten, einer naturverträglichen Landwirtschaft und der engen Zusammenarbeit von Naturschützern und Landwirten soll der stark gefährdete Kiebitz erhalten bleiben.

Der Kiebitz (Vanellus vanellus) war in der Schweiz fast verschwunden und steht heute auf der Roten Liste der stark gefährdeten Arten. Intensive Landwirtschaft, die Entwässerung von Feuchtgebieten und zunehmende Störungen in seinem Lebensraum setzen dem Bodenbrüter stark zu. Doch es gibt Hoffnung: Schutzprojekte zeigen erste Erfolge. Laut BirdLife Schweiz wurden 2024 landesweit 205 Kiebitzpaare an 23 Brutplätzen gezählt – ein kleiner, aber bedeutender Aufwärtstrend.

Bedrohung der Kiebitze

Ein wichtiges Schutzprojekt läuft in Gossau/ZH, wo BirdLife Zürich gemeinsam mit Landwirten, Naturschützern und der kantonalen Fachstelle Naturschutz den Kiebitz unterstützt. «Unser Ziel ist es, dem Kiebitz geeignete Brut- und Nahrungsflächen zu bieten», erklärt Svenja Hirt, Projektleiterin von BirdLife Zürich. Feuchte Wiesen, extensiv genutzte Ackerflächen und eigens angelegte Wasserstellen schaffen Lebensraum. Besonders wichtig ist der Schutz der Gelege: Um Eier und Jungvögel vor Fressfeinden wie Füchsen zu schützen, setzen Naturschützer in Gossau mobile Weidezäune ein. «In anderen Kiebitz-Schutzprojekten testen wir zudem spezielle akustische Abwehrgeräte gegen Krähen und Greifvögel», berichtet Hirt.

Auch die Zusammenarbeit mit Landwirten spielt eine entscheidende Rolle. Um Brutgebiete zu erhalten, setzen einige Bauern auf spät geerntete Kulturen wie Spät-Mais oder legen spezielle «Kiebitzbrachen» an. «Wir markieren auch Nester, damit sie bei der Feldbearbeitung umfahren werden können», sagt Hirt. In manchen Fällen werden Jungvögel sogar vorübergehend eingesammelt, um sie vor landwirtschaftlichen Maschinen zu schützen.

Naturschutz versus Landwirtschaft

Trotz erster Erfolge bleibt die Herausforderung gross. «Viele Brutgebiete der Kiebitze liegen in ehemaligen Feuchtlandschaften, die vor Jahrzehnten trockengelegt wurden», erklärt Svenja Hirt. «Heute gelten diese Flächen als wertvolle Agrarflächen, und die wirtschaftlichen Anreize für Landwirte, sie wieder in naturnahe Wiesen oder Brachen umzuwandeln, sind oft nicht ausreichend.» Die Renaturierung solcher Gebiete führt daher oft zu Konflikten zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. «Lösungen könnten höhere finanzielle Anreize oder kooperative Modelle sein, bei denen Landwirte für den Verzicht auf intensive Bewirtschaftung besser entschädigt werden.» 

Auch technische Innovationen könnten helfen. Erste Tests mit Wärmebildkameras zeigen Potenzial, um Jungvögel auf Feldern schneller zu entdecken, doch diese Technik ist noch nicht ausgereift. Bis dahin bleibt die intensive Beobachtung durch Naturschutzteams die wirksamste Methode, um Kiebitze zu schützen.

Wie man helfen kann

Das Kiebitzprojekt in Gossau zeigt, dass Schutzmassnahmen wirken – vorausgesetzt, Landwirte, Naturschützer und freiwillige Helfer ziehen an einem Strang. In der Gossauer Ebene brüten seit 2010 wieder regelmässig Kiebitze, doch lange blieb der Nachwuchs aus. 2024 brachte endlich eine positive Wende: «Neun Jungvögel wurden flügge – dank eines engagierten Teams und der Kooperation mit fünf Landwirten, die gezielte Schutzmassnahmen auf ihren Feldern umsetzten», sagt Svenja Hirt. Dazu gehören eine Kiebitzbrache, gezielt angelegte Wasserstellen und mobile Schutzzäune gegen Fressfeinde.

Auch die Öffentlichkeit kann helfen: «Kiebitz-Sichtungen lassen sich an Naturschutzorganisationen melden», erklärt Hirt. Besonders in der Brutzeit von März bis Juli ist Rücksicht gefragt: Felder sollten nicht betreten und Hunde an die Leine genommen werden. Langfristig sei aber vor allem die Politik gefordert: «Der Schutz von Bodenbrütern muss stärker in die Agrarpolitik integriert werden.» 

2019 wurde der Kiebitz zum Vogel des Jahres gewählt und rückte so stärker ins öffentliche Bewusstsein. Doch für seinen langfristigen Erhalt braucht es mehr als Symbolik: «Nur durch kontinuierlichen Einsatz und nachhaltige Schutzkonzepte hat der Kiebitz eine Zukunft», betont Hirt.