Entlang des Limmatufers geraten die Forderungen der Uferschutz-Initiative und die städtebauliche Vision der Stadt aneinander. (Grafik: Stadt Zürich)

Keine Luftschlösser über Zürcher Grund und Boden

Der Stadtrat empfiehlt, so wurde an einer Medienkonferenz am Mittwoch erläutert, am 22. September die drei Gegenvorschläge anzunehmen.

Am 22. September stimmen die Zürcher Stimmberechtigten über die Volksinitiative «Uferschutz» und deren Gegenvorschlag sowie über die Gegenvorschläge zur «Zukunftsinitiative» und zur «Gute-Luft-Initiative», die sogenannten Umverkehr-Initiativen, ab. Die Stadt würde dabei gerne die drei Gegenvorschläge angenommen sehen. 

Gute Luft und Zukunft

Ganz grundsätzlich ist man sich sowohl im Stadtrat als auch im Gemeinderat einig, dass die Anliegen der zwei Umverkehr-Initiativen in die richtige Richtung gehen, so André Odermatt an der Medienkonferenz. Die Prüfung der beiden Initiativen hätten aber gezeigt, dass das Anliegen nicht im geforderten Rahmen umsetzbar wäre. Der Gegenvorschlag des Stadtrats wurde danach im Gemeinderat nochmals ergänzt respektive aufgestockt – und ein gemeinsamer Nenner wurde gefunden. Oder in den Worten von Stadtrat Odermatt: «Luftschlösser bringen nichts», man sei von einer Wunschvorstellung zu einer machbaren Umsetzung mit konkreten Zahlen und Angaben gelangt. Die konkreten Zahlen, um die es geht: 462 000 und 145 000. 

Beide beziehen sich auf die Anzahl Quadratmeter, die im Strassenraum umgestaltet respektive begrünt werden sollen. Der Strassenraum in der Stadt Zürich insgesamt umfasst 9,2 Millionen Quadratmeter und 60 Prozent davon sind Fahrspuren, Busspuren, Velostreifen und Parkierungsflächen. Von dieser Fläche sollen rund fünf Prozent – die 462 000 m2 – im Rahmen des Gegenvorschlags zur Zukunftsinitiative umgestaltet werden, 1,6 Prozent, also 145 000 m2 im Rahmen des Gegenvorschlags zur Gute-Luft-Initiative. Stadtrat Odermatt fügte als Beispiele für eine umgesetzte Umgestaltung einerseits die Velovorzugsrouten an, andererseits die Realisation von Aufenthaltsstrassen in Quartierblöcken oder auch die «Piazza-Pop-Ups». Die Aufenthaltsstrasse im Quartierblock kennt man beispielsweise vom Röntgenplatz, vom Bullingerplatz oder vom Hallwylplatz, das Piazza-Pop-Up gibt es beispielsweise in der Binz. Das Projekt verwandle Plätze temporär in Aufenthaltsorte, ein Vorteil dabei sei zum Beispiel, dass die Projekte ohne bauliche Massnahmen kurzfristig realisierbar seien. Auch die Entsiegelung von zum Beispiel der Heinrichstrasse oder der Giessereistrasse, wo mehr Bäume für mehr Aufenthaltsqualität sorgen sollen, ist eine Massnahme in der Umgestaltung des Strassenraums. So scheinen die beiden Gegenvorschläge auch ein Verankern respektive ein Verstärken dessen zu sein, was die Stadt ohnehin schon vorantreibt. Die zwei Initiativen wurden zugunsten der Gegenvorschläge zurückgezogen. Wer sich übrigens wundert, warum nicht Simone Brander als Vorsteherin des Tiefbauamts hier informierte – sie hatte die zwei Umverkehr-Initiativen mitlanciert und ist deshalb im Ausstand. 

Crux Hochhaus

Bei der Uferschutzinitiative sieht die Situation etwas anders aus. Die Stadt empfiehlt auch hier die Annahme des Gegenvorschlags, die Initiative wurde aber nicht zurückgezogen. Und während die Stadt beim vorherigen Thema noch argumentiert hatte, dass konkrete Angaben und Zahlen besser seien als Luftschlösser, ist es bei der Uferschutzinitiative weniger klar. Das Problem: Die Hochhäuser. Die Initiative will, dass die Ufer des Sees und der Limmat (vom Platzspitz bis zur Stadtgrenze) geschützt werden, um sie als Naherholungsgebiet und als Lebensraum zu schützen. Und: Bauten und Anlagen mit einer Höhe von mehr als 25 Metern sollen vom Seeufer den Abstand von 150 Metern und vom Flussufer den Abstand der vierfachen Sohlenbreite der Limmat einhalten. Das ist aber nicht ganz vereinbar mit den kürzlich aktualisierten Hochhausrichtlinien, die entlang der Limmat vor allem im Industriequartier eine Hochhauszone festmacht. Weshalb die Stadt keine Freude an der Initiative hat. Der Gegenvorschlag wirkt, im Vergleich zur Handhabung der Umverkehr-Initiativen, aber ironischerweise ebenfalls etwas unkonkret. Denn der Gegenvorschlag sieht vor, den Uferschutz aller Zürcher Gewässer in der Gemeindeordnung zu verankern und eine mögliche Umsetzung auszuarbeiten.

Daran sieht man aber auch, woran sich die Stadt hauptsächlich stört. Nämlich, dass es in der Uferschutzinitiative nicht nur um Uferschutz, sondern auch um Städtebau, respektive das Hochhaus prinzipiell geht. «Das Hochhaus wird als Grund für alles städtebauliche Übel angesehen», kritisierte André Odermatt an der Medienkonferenz. Dass Hochhäuser per se den Zugang zu Naherholungsgebieten erschweren und den Lebensräumen von Flora und Fauna in der Stadt schaden würden, stimme nicht. Die Aufnahme in die Gemeindeordnung sei zielgerichteter und schaffe verbindliche Voraussetzungen, heute und auch morgen sowie für die Generationen nach uns, den Uferschutz der Zürcher Gewässer anzugehen. Ingo Golz, stellvertretender Direktor von Grün Stadt Zürich führte zudem aus, dass das «Leitbild Limmatraum» von 2001 ohnehin überarbeitet werde und stellte einige bereits umgesetzte Massnahmen bezüglich Revitalisierung der Limmat vor – die Limmat sei schliesslich auch kein homogener Raum und die Umgestaltung des Flusses berücksichtige das insofern, dass an verschiedenen Abschnitten auch verschieden geplant wird. Kurz: Die Hochhäuser, ob wegen ihrem Schattenwurf oder ihrer Höhe, hätten im geplanten Gebiet keine Verminderung der Aufenthaltsqualität für Mensch und Tier zur Folge. Ob das die Stimmbevölkerung gleich sieht, zeigt sich am 22. September.