- Post Scriptum
Kein Sex!
Der Silvester ist vorbei, die Vorsätze fürs neue Jahr sind gefasst. Gewiss haben auch Sie sich vorgenommen: Gesünder zu essen, mehr Sport zu treiben, mit dem Rauchen aufzuhören, mehr Sex (oder aber weniger und dafür nur noch gefühl- und bedeutungsvollen Sex) zu haben, weniger Alkohol zu trinken und Ihre Kontakte mit Freund:innen und/oder Familie bewusster zu pflegen. Je nach Neigung vielleicht auch: Endlich aufs Land (oder in die Stadt) zu ziehen, mit der Band so richtig durchzustarten (oder sie endlich zu gründen), den lange überfälligen Roman zu schreiben, Stricken zu lernen, ein Kind zu haben (oder die Kinder zu motivieren, endlich auszuziehen), eine Oper zu besuchen, die Kartoffeln im Garten dieses Jahr nicht verfaulen zu lassen, einen Yoga-, Aquarell-, Tango-, Tantra- oder Kampfsportkurs zu belegen.
Neujahrsvorsätze sind eine gute Sache – angesichts der Weltlage scheint es mir unabdingbar, das Gute im eigenen Umfeld zu suchen und zu pflegen, sonst muss man verzweifeln. Oder die Menschheit als Witz begreifen. Erdgeschichtlich gesehen ist sie das wohl auch: Eine Tierart, die zielstrebig ihre eigenen Lebensgrundlagen vernichtet, gibt’s denn sowas überhaupt? Ah ja, das Virus, wie uns Agent Smith im Film «Matrix» lehrt, und eben den Menschen. Echt zum Lachen – würden wir einen anderen Planeten mit hübschen Ökosystemen entdecken und da gäbe es auch so eine Spezies wie die unsere, wir würden sie wohl so schnell wie möglich ausrotten, um den Planeten zu retten. (Damit wir ihn dann selbst zugrunde richten können.) Bevor es soweit ist, brauchen wir aber auf unserem eigenen Planeten eine Wohnung, und sowas wird ja immer teurer. Als Ausweg schlug die Raiffeisenbank im Februar 2024 vor, das Mietrecht so zu lockern, dass bestehende Mieten einfacher erhöht werden können. Genial – wenn die bestehenden Mieten teurer werden, wirken die neuen im Vergleich weniger teuer! Ein anderer Ausweg wäre, dass wir alle Taylor Swift würden. Diese hat ja auf ihrer Tournee 2023–2024 mit 10 Millionen Tickets über zwei Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht. Das macht im Durchschnitt 200 Dollar pro Billett, aber als Taylor Swift könnten wir uns das ja dann leisten, und es bliebe auch noch genug übrig, um eine teure Miete zu zahlen. Noch lukrativer wäre es, Elon Musk zu werden. Wären alle Menschen die reichsten Menschen der Welt, dann wären die beiden grossen Probleme der Menschheit mit einem Wisch beseitigt: Soziale Ungleichheit gäbe es nicht mehr, und der Klimawandel wäre egal, da wir alle uns eine gut klimatisierte Wohnung in einer Metropole fernab von steigenden Meeresspiegeln und Bergstürzen leisten könnten. Wären wir alle Taylor Swift und Elon Musk, hätte das noch einen weiteren positiven Effekt: Die sexuelle Anziehung zwischen den Menschen würde auf Null sinken. Ohne Sex keine Nachkommen, ohne Nachkommen keine Menschen – Problem gelöst!
Darf eine Neujahrskolumne so zynisch daherkommen? Egal. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Texte mit «Sex» im Titel signifikant öfter gelesen werden als andere – ich hoffe, Sie sind darauf hereingefallen und wurden hinreichend amüsiert, um es nicht zu bedauern. Der Titel «Kein Sex!» erinnert mich übrigens an die schrägen Vögel, die während der heissen Phase der Covid-19-Massnahmen auf selbst gemalten Plakaten dazu aufriefen, «keinen Sex mit Geimpften» zu haben. Nun, es ist jedem unbenommen, Empfehlungen bezüglich der Kriterien für die Auswahl von Sexualpartner:innen abzugeben. Meine persönliche Empfehlung und auch mein einziger ernsthafter Vorsatz fürs neue Jahr ist analog: Kein Sex mit Swifties, X-Nutzenden und Tesla-Fahrer:innen!