- Im Gespräch
Kaufen, kaufen, kaufen gegen die Spekulation
Sind Sie eigentlich auch PWG-Mieter?
Andreas Billeter: Nein, ich glaube, das gäbe einen Interessenskonflikt.
Ueli Keller: Ich bin Mieter, allerdings nicht bei der PWG. Meine Wohnung gehört einer Anlagestiftung. Aber ich denke nicht, dass allein das Mieterdasein jemanden automatisch dazu prädestiniert, die Interessen der Mieterschaft gut zu vertreten.
Warum nicht? Man kann ja argumentieren, dass man als Mieter:in die Bedürfnisse der Mieterschaft am besten versteht.
U.K.: Die Vertretung der Interessen der Mieterschaft geht über persönliche Erfahrungen hinaus und ist auch eine politische Auseinandersetzung.
A.B.: Ausserdem darf man nicht vergessen, dass wir keine Genossenschaft sind. Unsere Mieter:innen sind nicht gleichzeitig Mitbesitzer:innen der Stiftung PWG, wie es bei einer Genossenschaft der Fall ist. Unsere Verpflichtung gegenüber der Mieterschaft leitet sich nicht daraus ab, dass sie – z.B. an einer GV – verbindliche Beschlüsse fassen könnten, sondern aus unserem Stiftungsstatut und unserer Überzeugung, faire Bedingungen zu schaffen.
Am vergangenen Sonntag hat Ihnen die Zürcher Stadtbevölkerung 100 Millionen zusätzliches Stiftungskapital zugesichert. Ein schönes Geschenk zum Start des Präsidentschaftsamts – oder zum Abschied.
U.K.: Zuallererst bedanken wir uns bei der Zürcher Stimmbevölkerung, die dieses Vertrauen in uns gesetzt hat. Es ist das erste Mal seit der Volksabstimmung zur Gründung der Stiftung PWG vor bald 40 Jahren, dass unser Eigenkapital aufgestockt wird. Damals hatten wir die Unterstützung von Stadt- und Gemeinderat noch nicht, heute schon. Das zeigt, wie weit wir gekommen sind. In letzter Zeit haben wir an unserer selbstgesetzten Grenze einer Eigenkapitalquote von 25 Prozent gekratzt, jetzt haben wir wieder Luft nach oben.
A.B.: Die zusätzlichen Mittel geben uns Spielraum, mehr Häuser zu erwerben. Wir können grössere Projekte angehen und unsere Ziele konsequenter verfolgen. Unser Ziel bleibt klar: kaufen, kaufen, kaufen.
So wie schon 2023, als die Stiftung PWG so viele Liegenschaften kaufen konnte, wie noch nie. Noch vor wenigen Jahren konnte die PWG bei öffentlichen Ausschreibungen nicht mit den profitorientierten Immobilienplayern mithalten. Was hat sich geändert?
U.K.: Wir sind heute besser vernetzt. Wir kennen mehr Makler:innen, haben mehr Nachbarn und sind insgesamt in der Öffentlichkeit bekannter geworden. Das hat dazu geführt, dass viele Eigentümer:innen direkt auf uns zukommen. Und eine weitere Stärke von uns ist, dass wir schnell reagieren können. Unser Erwerbsteam ist gut organisiert, so dass wir innerhalb einer Woche ein Angebot machen können und innerhalb von zwei Wochen eine Stiftungsratsbeschluss veranlassen.
A.B.: Dennoch können wir natürlich auf dem offenen Markt noch immer selten mit den börsenkotierten Unternehmen oder Anleger:innen mithalten, die spekulative Erträge einpreisen. Wir kalkulieren vorsichtiger und zahlen nur den Ertragswert der Liegenschaften.
U.K.: Es gibt auch Fälle, in denen uns grosszügigerweise Liegenschaften per Testament überlassen werden mit der Verpflichtung, Legate auszuzahlen. Das freut uns natürlich – wenn ein Eigentümer will, dass sein Haus einer gemeinnützigen Organisation zugutekommt, dann ist sie bei uns besser aufgehoben als beispielsweise bei einer Umweltschutzorganisation, die es an den Höchstbietenden weiterverkauft und den Ertrag maximiert.
Mehr Budget, ein eingespieltes Team, Vertrauen aus der Bevölkerung – hat Andreas Billeter einen einfacheren Start als Sie, Herr Keller, als Sie 2013 Präsident wurden?
U.K.: Ich würde nicht sagen, dass mein Start schwierig war, aber er war sicherlich hektisch. Ich wurde eine Woche vor der ersten Stiftungsratssitzung vom Gemeinderat gewählt und musste mich sofort in die Abläufe einarbeiten. Andreas hat jetzt mehr Zeit zur Vorbereitung.
A.B.: Und das finde ich gut so!
Herr Billeter, Sie sind seit 2014 im Stiftungsrat der PWG und übernehmen nun die Führung. Was motiviert Sie zu diesem Schritt, und welche Erfahrungen bringen Sie mit?
A.B.: Die Arbeit im Stiftungsrat hat mir die Möglichkeit gegeben, die Stiftung und ihre Projekte über zehn Jahre hinweg intensiv kennenzulernen. Die Chance, diese Entwicklung jetzt als Präsident mitzugestalten, empfinde ich als grosse Verantwortung und auch als spannende Herausforderung. Mein beruflicher Hintergrund liegt im genossenschaftlichen Wohnungsbau, unter anderem war ich Bauherrenvertreter beim Zollhaus.
Was machen Sie anders als Ihr Vorgänger?
A.B.: Das werde ich immer wieder gefragt – erst einmal gar nichts! Die Stiftung ist sehr gut organisiert, und es gibt keinen offensichtlichen Bedarf, etwas grundlegend zu verändern. Vielmehr geht es darum, weiterhin konstant Liegenschaften zu kaufen, wachsam zu bleiben, agil zu bleiben, Chancen zu nutzen und Felder, die bisher weniger beackert wurden, zu erschliessen.
Die Stiftung PWG besitzt inzwischen 194 Liegenschaften in der Stadt Zürich. Was bedeutet das für Ihre interne Organisation und Arbeitsweise – zum Beispiel, was das Thema Agilität angeht?
A.B.: Das Wachstum bringt Herausforderungen mit sich. Je grösser die Stiftung wird, desto komplexer wird es, die Prozesse schlank zu halten und als Organisation agil zu bleiben. Es wird zunehmend schwierig, jede einzelne Liegenschaft im Detail zu kennen und persönliche Beziehungen zu pflegen, sei es zu Mieterinnen, Angestellten oder Maklern. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass die Bürokratie nicht überhandnimmt und dass wir flexibel bleiben.
Die Stiftung PWG hat in den letzten Jahren nicht nur Wohnraum, sondern auch vermehrt Gewerbeflächen – wie hier im Viadukt – erworben. Was steckt hinter dieser neuen Strategie?
U.K.: Wir streben bei Flächen ein Verhältnis von etwa einem Viertel Gewerbe zu drei Vierteln Wohnraum an. Der Gedanke dahinter ist, dass es für jede durchschnittliche Wohnung – in der zwei Personen leben – etwa einen Arbeitsplatz braucht. Und auf spezielle Objekte wie das Viadukt sind wir natürlich besonders stolz – ein beim Bau und in der Bewirtschaftung anspruchsvolles Objekt.
Sie waren bei der Stiftung PWG schon von Anfang an dabei, erst im Stiftungsrat und dann seit 2013 ihr Präsident. Warum treten Sie zurück?
U.K.: Ich denke, ich bin jetzt alt genug, um mich zu entlasten und kürzer zu treten. Und nach fast zwölf Jahren als Präsident finde ich, dass es Zeit ist, Platz für frische Perspektiven zu machen. Ich sehe auch, dass die Stiftung in guten Händen ist.
Was war der grösste Fang ihrer Amtszeit?
U.K.: Kein konkretes Projekt, aber wenn ich auf meine Amtszeit zurückblicke, bin ich stolz auf die Diskussionskultur im Stiftungsrat, die wir aufgebaut haben. Wir diskutieren nicht entlang der Parteigrenzen, sondern konzentrieren uns auf die Sache. Das macht die Arbeit intern und extern erfolgreicher. Eine wichtige Grundlage ist, dass die Finanzierung breiter aufgestellt ist, etwa mit einer Anleihe und Investitionen von Privaten, und jetzt ist mit der Eigenkapitalaufstockung durch die Stadt ein weiteres wichtiges Kapitel abgeschlossen.
Neue Wohnformen wie Clusterwohnungen werden in Zürich zunehmend diskutiert. Spielen solche Konzepte eine Rolle in der Strategie der PWG?
U.K.: Begriffe alleine wie «Clusterwohnungen» machen noch kein gutes Projekt aus. Andreas und ich haben schon bei anderen Projekten Erfahrung mit solchen Modellen gesammelt, etwa beim Zollhaus oder der Genossenschaft «Mehr als Wohnen». Und können einschätzen wo was möglich ist und den Bedürfnissen der Mieterinnen und Mieter entspricht.
A.B.: Solche Wohnformen sind eine Ergänzung zu denjenigen, die wir in unseren zugekauften Liegenschaften meist vorfinden. Wir prüfen bei Neubauten oder Umnutzungen, ob sie sinnvoll sind – wie an der Schärenmoosstrasse 115/117, wo wir Büroflächen zum Teil auch in cluster-ähnliche Strukturen umwandeln. Wichtig ist, dass eine gute Durchmischung entsteht und das Konzept zur Liegenschaft passt.
Günstiger Wohnraum ist in Zürich nach wie vor knapp. Warum ist es trotz der Arbeit der PWG und anderer gemeinnütziger Akteure so schwer, diese Lücke zu schliessen?
U.K.: Das klingt, als würden Sie jetzt gerne ein Schuldbekenntnis von uns hören – das bekommen Sie aber nicht. Der Grund für die Knappheit liegt in äusseren Faktoren. Die Stadt wächst, und der Wohnflächenverbrauch pro Kopf ist stark gestiegen. Gleichzeitig haben die Arbeitsplatzzahl und die Lohnungleichheiten zugenommen. Das führt dazu, dass immer mehr Menschen hohe Mieten zahlen können – zulasten jener, die sich das nicht mehr leisten können. Ein weiteres Problem ist, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Mietzinsbegrenzung nicht kontrolliert werden. Die Rendite vieler Immobilien liegt weit über dem, was laut Gesetz zulässig wäre. Dazu kommt, dass der Marktwert von Immobilien spekulativ in die Höhe getrieben wird. Wir behalten unsere Häuser zu ihren ursprünglichen Werten in den Büchern, während andere Eigentümer ihre Objekte mit imaginären Wertsteigerungen bewerten. Das hat gravierende Auswirkungen auf den Markt und die Mieten.
Erklärtes Ziel der Stiftung PWG ist es, Liegenschaften der Spekulation zu entziehen. Wird Zürich irgendwann einmal spekulationsfrei?
A.B.: Das ist ein langer Weg. Mit unseren aktuell 2300 Wohnungen decken wir ein gutes Prozent des Bestandes in der Stadt Zürich ab. Selbst wenn wir diese Anzahl verdoppeln, sind es erst 2 Prozent Aber ja, jede Liegenschaft, die wir erwerben, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Könnten Sie sich vorstellen, in Zukunft auch mit gemeinnützigen Genossenschaften zusammenzuarbeiten, um grössere Schritte in Richtung Spekulationsfreiheit zu machen?
A.B.: Auf jeden Fall. Gerade bei grösseren Projekten könnte eine Zusammenarbeit sinnvoll sein, um Kräfte zu bündeln oder um eine vielfältigere Wirkung zu erzielen. Allerdings muss gut überlegt sein, mit wem und in welchem Rahmen wir so etwas umsetzen.
U.K.: Bislang haben wir keine grossen Gemeinschaftsprojekte umgesetzt, aber die Bereitschaft ist da. Der Austausch mit Genossenschaften funktioniert gut, und wenn es sich ergibt, könnte ich mir das durchaus vorstellen.