Ja zur Kriegsgeschäfte-Initiative!

Die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten (Kriegsgeschäfte-Initiative) kommt am 29. November 2020 zur Abstimmung. Sie will verbieten, dass mit Schweizer Geld Kriege finanziert werden. Das Thema ist nicht neu – dass wir solche Geschäfte unterbinden also längst überfällig.

 

Julia Küng und Magdalena Küng*

2019 starben weltweit 75 600 Menschen in bewaffneten Konflikten. Kriege wüten auf der ganzen Welt. Viele dieser Konflikte gehen in der Flut der Medienberichterstattung verloren, und wir vergessen das tägliche Leid, das mit ihnen einhergeht. Sichtbar aber werden sie, wenn man den stetig steigenden Umsatz der Rüstungsindustrie betrachtet: Das Geschäft mit dem Krieg floriert. Denn: Kriege kosten Geld und Aufwand. 

Bevor Kriege und Konflikte Tausenden von Menschen das Leben nehmen, bevor sie ganze Kulturen vernichten und Landschaften zerstören, bevor sie demokratische Strukturen überwerfen und die Zivilgesellschaft unterdrücken, müssen Kriege finanziert werden. Für die Kriegsführung werden Militär- und Sicherheitsbudgets nach oben korrigiert, Anleihen aufgenommen, Reserven angezapft. Die Kriegsparteien benötigen dieses Geld, um Mobilmachungen und Truppenverschiebungen zu bezahlen oder Rentendepots für Veteranen und Hinterbliebene einzurichten. Und sie brauchen es, um massenhaft Waffen und Wehrsysteme zu kaufen.

 

Investitionen in geächtete Waffen 

Für die Kriege im Irak, in Afghanistan und Pakistan beispielsweise haben die USA bis heute ungefähr 6,4 Billionen US-Dollar ausgegeben. Dabei sind menschliche und sozialpolitische Kosten, also beispielsweise die Bewältigung von Traumata oder der Wiederaufbau von Wirtschaften, noch nicht einmal eingerechnet. Die Rüstungsindustrie verdient sich eine goldene Nase am Geschäft mit dem Elend von Menschen auf der ganzen Welt – und wird dadurch zu einem wichtigen wirtschaftlichen Faktor.

Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin, deren Kampfjets in Jemen und in Syrien eingesetzt werden, oder BAE Systems, die an den Nukleararsenalen von Frankreich, den USA und Grossbritannien mitarbeiten, bieten ihre Vermögenswerte an der Börse an. Und Schweizer Banken, Pensionskassen und Stiftungen kaufen sich ein. So landet das Geld der Schweizer Bevölkerung in Firmen, deren Produkte auf der ganzen Welt auf Menschen gerichtet werden. 2016 beispielsweise hatte die Schweizerische Nationalbank mindestens 133 Millionen US-Dollar in die Firma Ray­theon investiert – obwohl diese unter anderem Streumunition produzierte, ein international geächtetes Produkt.

 

Unser Beitrag für eine bessere Welt

Kriege sind kein unüberwindbares Übel. Sie könnten weniger werden. Es gibt unzählige Ansätze und Wege, Kriege präventiv zu verhindern und Eskalationen zu beruhigen. Das Bekämpfen globaler ökonomischer Ungleichheit oder die Stärkung demokratischer Gesellschaftsstrukturen sind nur zwei der wichtigsten Beispiele. Die anhaltende militärische Aufrüstung der gesamten Welt, die seit dem Ende des Kalten Krieges stetig zunimmt, ist hingegen kontraproduktiv. Jahr für Jahr wird mehr Kriegsmaterial produziert und verkauft. Die Welt gibt immer mehr für ihre Armeen aus. 

Dieses Übervorhandensein von Waffen ist eine tickende Zeitbombe. Nicht nur, weil einmal entfachte Konflikte sehr schnell in unnötige Waffengewalt ausarten können, sondern auch, weil die Militär- und Rüstungsausgaben die verfügbaren Ressourcen für wirtschaftliche, ökologische und soziale Investitionen und Massnahmen verschleissen. Von diesem Missverhältnis zwischen militärischer und ziviler Sicherheitspolitik profitiert vor allem die Rüstungsindustrie. 2019 wurden pro WeltbürgerIn fast 250 Franken für das Militär ausgegeben. Das entspricht gegenüber dem Vorjahr einer Steigerung von 3,6 Prozent und stellt 2,2 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts dar. 

Als neutrales Land ist die Schweiz nicht in kriegerische Auseinandersetzungen involviert – zur Bewaffnung der Welt trägt sie dennoch bei. Hier setzt die Kriegsgeschäfte-Initiative an. Sie zielt in erster Linie auf die internationale Rüstungsindustrie ab: Dort soll kein Schweizer Geld mehr hinfliessen.

 

Zukunft versus Rüstungsindustrie 

Dass Kontrolle und Ausschluss auch in einem so undurchsichtigen und verstrickten Bereich wie den internationalen Finanzflüssen machbar ist, beweist der Schweizer Finanzmarkt gleich selber. Lange wurde behauptet, dass der Ausschluss von gewissen Wirtschaftsbranchen aus Anlageportfolien die Rentensicherheit gefährden oder die Gewinne schmälern würde. Die rasanten Entwicklungen im Bereich der Steuerung von Finanzflüssen aber bestätigen das Gegenteil: Nachhaltiges Investieren ist nicht nur notwendig, sondern auch gewinnbringend. 

Auch der Bundesrat hat sich zu mehr Nachhaltigkeit bekannt und will, dass der Schweizer Finanzplatz zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen wird. Dabei stehen meistens ökologische Kriterien im Vordergrund. Klima- und umweltfreundliche Investitionen erhalten endlich die Wertschätzung als einzig gangbaren, zukunftsträchtigen Weg, den sie aus technischer und finanzieller Sicht verdienen. Was dabei allerdings kaum beachtet wird: Die Rüstungsindustrie ist auch aus ökologischer Perspektive einer der gefährlichsten Sektoren überhaupt. Investitionen in die Rüstungsindustrie sind in keinem Fall mit einer zukunftsorientierten Vision vereinbar.

 

Krieg und Klima 

Kriege bedeuten grund­sätzlich die direkte Zerstörung der Umwelt und Infrastruktur durch Bombardierung und den Einsatz von Kampfmitteln. Sogar zu Friedenszeiten zerstört das Militär Ökosysteme durch Bodenvergiftung bei Manövern und Versiegelung für Militäranlagen. Böden werden verschmutzt, Trinkwasser wird verseucht, und die Landschaft wird zerstört. Ein Teil der Umweltbelastung von Kriegen und Kriegsvorbereitungen sind der riesige Ressourcenverschleiss und die damit verbundenen Emissionen. 

Alle Armeen weltweit verursachen enorme Mengen an klimaschädlichen Emissionen bei der Produktion, dem Handel, dem Export und dem Transport von Waffen, aber auch bei Manövern, beim Einsatz selbst sowie den anschliessenden Besatzungen. Allein der Treibstoffverbrauch von Kriegsflugzeugen und Kriegsschiffen ist enorm. So verbrennt etwa ein Eurofighter ohne Nachbrennereinsatz circa 70 bis 100 Liter Kerosin pro Minute. Und nur schon ein geografisch begrenzter Atomkrieg, beispielsweise zwischen Indien und Pa- kistan, würde zu einer so starken Feinstaubbelastung führen, dass ein sofortiger radikaler Klimawandel ausgelöst würde. Die Temperaturen würden drastisch abnehmen und es käme zu einem nuklearen Winter.

 

Militär hebelt Umweltrecht aus

Dass die Klimakrise eine der grössten Bedrohungen für die Zukunft der Menschheit darstellt, ist unumstritten. Logischerweise müsste also jede ehrlich gemeinte Sicherheitspolitik die Bekämpfung der Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise ins Zentrum stellen. Das stetige Wachstum der Rüstungsindustrie belegt aber leider, dass genau das Gegenteil passiert: Nicht nur leistet der internationale Rüstungswettkampf nichts für die Stärkung der Zivilgesellschaft oder von demokratischen Strukturen, er führt vielmehr zu einer Beschleunigung des Klimawandels – und dieser wiederum vertreibt heute schon Leute von ihren ausgetrockneten Feldern, zwingt sie in die Flucht vor Flächenbränden und Überschwemmungen und lässt kostbare Ressourcen knapp werden. 

Die Klimakrise birgt ein enormes Konfliktpotenzial. Anstatt dieser den Kampf anzusagen, setzen die Regierungen mehr und mehr auf Rüstung. Militär und Krieg aber gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen, Feinstaubbelastung und Umweltkatastrophen. Kriege zerstören unsere Biosphäre und gleichzeitig führt die Klimakrise zu knapperen Ressourcen, wodurch mehr bewaffnete Konflikte entstehen. Und schlimmer noch: Das Militär geniesst Privilegien, die das Umweltrecht aushebeln. Besonders manifestiert sich dies darin, dass die Armeen systematisch aus den internationalen Klimaabkommen ausgeklammert sind. Auf Druck der NATO-Staaten wurden Armeen weder im Kyoto-Protokoll noch in anderen UNO-Klimadokumenten, einschliesslich der Charta von Paris, erwähnt. Dazu kommt, dass Militär und Kriege riesige finanzielle Mittel beanspruchen, die wir für die Lösung der Klimakrise bräuchten. Eine Abrüstung könnte Gelder für Klima- und Umweltschutz freigeben.

 

Die spezielle Position der Schweiz 

Die Schweiz hat einen der grössten und bedeutendsten Finanzplätze weltweit. Die Stadt Zürich ist gemäss dem Global Financial Centers Index 20 weltweit auf Platz 14 der 108 weltweit wichtigsten Finanzmarktzentren. Insgesamt 246 Banken gibt es in der Schweiz. Hier werden 27 Prozent des weltweiten grenzüberschreitenden Vermögens verwaltet. Nebst den Banken und Versicherungen, welche private Akteure darstellen, kommen diverse öffentlich-rechtliche Finanzinstitute hinzu. Wichtigste Institution ist hier die Schweizerische Nationalbank mit einer Bilanzsumme von 817 Milliarden Franken und einem Eigenkapital von 120 Milliarden Franken im Jahr 2018. 

Auch der Ausgleichsfonds der AHV verwaltete 2019 ein Volumen von insgesamt 36 440 Millionen. Darüber hinaus gibt es in der Schweiz knapp 1600 Pensionskassen, die meisten davon sind privat-rechtliche Einrichtungen. Private und öffentlich-rechtliche Einrichtungen der beruflichen Vorsorge verfügen zusammen über eine Bilanzsumme von mehr als 876 Milliarden Franken. All diese Finanzakteure erwirtschaften jedes Jahr grosse Gewinne, die sie neu investieren können. 

Obwohl einzelne Institutionen durchaus Richtlinien zu ethischen Anlagen oder Handlungen kennen, werden Investitionen in die todbringende Rüstungsindustrie nur von ganz wenigen Akteuren konsequent ausgeschlossen. Die Folgen daraus: Unser Pensionskassen- und Vorsorgegeld landet in der Rüstungsindustrie. Und deren Produkte landen überall – und überall auf der Welt zerstören sie Leben, Kultur und Umwelt. Dass sich die Schweiz an der Finanzierung von Produkten beteiligt, die in der ganzen Welt zur Unterdrückung und Ermordung von Menschen eingesetzt werden, steht in keinerlei Verhältnis zu unseren Werten.

 

JA für Frieden und Zukunft 

Mit der Kriegsgeschäfte-Initiative bietet sich uns die Möglichkeit, die Interdependenzen des weltweiten Wettrüstens und der Klimakrise aufzuzeigen. Mit einem JA zur Kriegsgeschäfte-Initiative werden aber auch jene Schweizer Werte gestärkt, die Zukunft haben: Respektvoller Umgang mit Gesellschaft und Umwelt, Weitsicht, Solidarität. Die Kriegsgeschäfte-Initiative ist weder ein Tropfen auf den heissen Stein noch eine utopische Zukunftsfantasie. Vielmehr ist sie die konsequente Umsetzung einer längst breit akzeptierten Idee und ein weiterer Schritt auf einem Weg, den die Schweiz die letzten Jahre eingeschlagen hat: Die Initiative fordert, dass in der Schweiz verwaltetes Geld nicht dort angelegt wird, wo die Menschheit davon Schaden nimmt. Investitionen in die Rüstungsindustrie tun dies in dreifacher Weise: Die Produkte der Rüstungsindustrie dienen einzig dem Ziel, Menschen möglichst effizient zu kontrollieren und zu töten. Sie verpesten dabei in unvergleichbarer Manier die Umwelt und tragen so dazu bei, dass neue Konfliktherde entstehen. Und: Die Überwertung der militärischen Aufrüstung als sicherheitspolitisches Element führt dazu, dass Geld für die wirklich grosse Sicherheitskrise unserer Zukunft fehlt, den Klimawandel. Die Kriegsgeschäfte-Initiative ist unsere beste Chance, dies zu ändern. Stimmen Sie JA im November – unbedingt.

 

* Julia Küng ist Co-Präsidentin der Jungen Grünen,
Magdalena Küng ist GSoA-Vorstandsmitglied. Dieser
Beitrag ist zuerst in der ‹Friedenszeitung› erschienen.

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