«Investoren zu bezahlbaren Mietwohnungen verpflichten»

Wenn Bauherren dank Um- oder Einzonungen mehr Wohnungen bauen dürfen, soll ein Drittel davon günstig vermietet werden. Das verlangt jetzt die SP Adliswil mit einer Motion im Stadtparlament. Warum es das braucht und wie die SP bürgerliche Gegenargumente kontert, sagt der Adliswiler SP-Gemeinderat und Erstunterzeichner Esen Yilmaz im Gespräch mit Arthur Schäppi.

 

Esen Yilmaz, was genau wollen Sie und die SP-Fraktion mit der Motion in Adliswil erreichen?

Esen Yilmaz: In Adliswil sind in den letzten Jahren vor allem im Stadtteil Dietlimoos nahe der Zürcher Stadtgrenze hunderte von neuen Wohnungen entstanden oder sind in Planung – fast allesamt im mittleren oder gehobenen und auch hohen Preissegment. Für MieterInnen mit bescheidenem oder auch durchschnittlichem Einkommen aber wird es immer schwieriger, überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das geht mitunter so weit, dass alteingesessene AdliswilerInnen, deren Wohnsiedlungen abgerissen werden, ihren Wohnort und damit auch ihr soziales Umfeld nach Jahrzehnten verlassen müssen – weil sie sich die massiv gestiegenen Mieten hier schlicht nicht leisten können. Diesen unheilvollen Trend wollen wir brechen und Gegensteuer geben. Nicht zuletzt auch für eine gute soziale Durchmischung der Bevölkerung und der Quartiere.

 

Wie soll das konkret geschehen?

Mit unserer Motion möchten wir erreichen, dass in der kommunalen Bau- und Zonenordnung von Adliswil festgeschrieben wird, dass bei Auf- und Einzonungen ein Drittel des Wohnraumes, den die Bauherren damit zusätzlich realisieren dürfen, als preisgünstiger Wohnraum erstellt und vermietet werden muss. Dieses Instrument zur Förderung von günstigem Wohnraum durch die Gemeinden sieht das kantonale Planungs- und Baugesetz seit 2019 ausdrücklich vor (siehe Textbox). Nun soll der Stadtrat eine entsprechende Vorlage zuhanden des Adliswiler Parlaments ausarbeiten.

 

Sind für die Schaffung von günstigem Wohnraum denn nicht die Genossenschaften zuständig – warum sollen jetzt Immobilienfirmen und Private in die Pflicht genommen werden?

Der genossenschaftliche und generell der nicht kommerzielle Wohnungsbau stagnieren auch bei uns in Adliswil wie vielerorts in der Schweiz, weil sich die Genossenschaften und andere gemeinnützige Bauträger das teure Bauland kaum noch leisten können. Und selbst der Anteil an selbstbewohntem Wohneigentum hat schweizweit abgenommen. Der Anteil an Boden im Besitz von Immobilienkonzernen hingen ist in den letzten 20 Jahren schweizweit um fast 50 Prozent gestiegen. Deren Ziel ist es, möglichst hohe Renditen zu erzielen. Die daraus resultierenden einschneidenden Veränderungen der Eigentumsverhältnisse und Mietzinse auf dem Wohnungsmarkt sind auch in Adliswil schmerzlich spürbar. Deshalb sollen die Immobilienfirmen nun in die gesellschaftspolitische Pflicht genommen werden. Andernfalls nimmt der Anteil an Nicht-Renditewohnungen weiter rasant ab.

 

Wie aber soll denn sichergestellt werden, dass diese Wohnungen tatsächlich «preisgünstig» vermietet werden und dass effektiv MieterInnen mit bescheidenem Einkommen davon profitieren?

Die Regelung, wonach ein Drittel dieser Wohnungen preisgünstig sein müssen, soll jeweils rechtsverbindlich im Grundbuch eingetragen und periodisch überprüft werden. Gemäss unserem Motionstext sollen für den Bau und die Vermietung dieser Wohnungen zudem die Bestimmungen der kantonalen Verordnung über den preisgünstigen Wohnraum zur Anwendung kommen. Darin ist beispielsweise auch festgehalten, dass die Mietzinse dieser preisgünstigen Wohnungen der Gemeinde zur Genehmigung vorgelegt werden müssen, und zwar erstmals vor der Erstvermietung.

 

Vor knapp drei Wochen erst haben die Adliswiler StimmbürgerInnen in einer Referendumsabstimmung gegen den Widerstand von SVP und FDP bei Ein- und Umzonungen eine Mehrwertabschöpfung von 30 Prozent beschlossen. Und damit einen früheren Entscheid des Adliswiler Parlaments bestätigt. Mit solchen und anderen Auflagen, wie sie nun auch die SP-Motion vorsieht, würden Investitionsbereitschaft und Wohnbautätigkeit gehemmt, warnen Bürgerliche.

Das ist natürlich Unsinn. Denn die Investoren, die bei Um- und Aufzonungen ohne Eigenleistung quasi über Nacht reicher werden, profitieren nach wie vor in hohem Masse. Bei zwei Dritteln der zusätzlich erlaubten Wohnungen könnten sie auch künftig die Höhe des Mietzinses bestimmen. Und es geht ausdrücklich nicht um eine doppelte Mehrwertabschöpfung. Denn in der kantonalen Verordnung über den preisgünstigen Wohnraum ist explizit festgehalten, dass die Festsetzung eines Mindestanteils an preisgünstigem Wohnraum mit dem Mehrwertausgleich gegenverrechnet wird. Statt mit Geld leisten also Immobiliengesellschaften und andere Bauherren bei Auf- und Einzonungen den Mehrwertausgleich lediglich zweckgebunden in Form von günstigen Wohnungen.

 

Warum haben Sie die Motion vor ein paar Wochen erst eingereicht, obwohl das entsprechende kantonale Gesetz dafür schon seit 2019 existiert?

Wir wollten damit bewusst zuwarten, bis das Adliswiler Parlament im April dieses Jahres die kommunale Mehrwertabgabe mit einem Ansatz von 30 Prozent festgesetzt hat und damit auch die Rahmenbedingungen für unsere Motion geklärt waren. Dennoch würde Adliswil nun mit einer solchen Regelung zu den Pioniergemeinden gehören. Bislang beabsichtigt im Kanton Zürich erst einmal die Stadt Zürich, dieses Instrument zur Förderung von günstigem Wohnraum zu nutzen. Und zwar gemäss einer vom dortigen Stadtrat im letzten August zuhanden des Gemeindarts verabschiedeten Vorlage bei Arealüberbauungen mit Nutzungsbonus.

 

Was aber will die SP machen, wenn sie im bürgerlich dominierten Adliswiler Gemeinde- und Stadtrat aufläuft und die Motion nicht überwiesen wird?

An sich könnten wir dann eine Initiative lancieren. Das ist für uns aber vorderhand überhaupt kein Thema. Vielmehr suchen wir im Stadtparlament eine breitabgestützte Allianz für eine trag- und mehrheitsfähige Lösung. Deshalb hoffen wir nicht nur auf die Unterstützung der Grünen, sondern auch von GLP, Mitte und EVP, die in Adliswil eine gemeinsame Fraktion bilden. Zuversichtlich stimmt uns dabei, dass die frühere CVP und heutige Mitte auf kantonaler Ebene 2014 die damalige Abstimmungsvorlage für das entsprechende Gesetz massgeblich mitgeprägt und unterstützt hat. Und dass auf kommunaler Ebene auch die bürgerlichen Freien Wähler den Mehrwertausgleich befürworteten. Der akute Fachkräftemangel bei Gewerbe und Wirtschaft hat im Grossraum Zürich zweifelsohne auch damit zu tun, dass es hier an Wohnungen zu moderaten Mieten mangelt. Und von daher wäre es nur logisch, dass auch die bürgerlichen Parteien in Adliswil Hand zu unserem Vorschlag böten.

 

 

Zürich mit Vorreiterrolle

Die Motion der SP Adliswil für die Schaffung von günstigem Wohnraum basiert auf Artikel 49b des kantonalen Planungs- und Baugesetzes. 2019 eingeführt wurde dieser Artikel aufgrund eines 2014 von der Stimmbevölkerung mit 58,4 Prozent deutlich angenommenen Gegenvorschlags des Kantonsrates zu einer damals wieder zurückgezogenen Initiative von SP und Genossenschaften. Demnach ist seit Ende 2019 im Gesetz festgeschrieben, dass die Gemeinden einen Mindestanteil an preisgünstigem Wohnraum festlegen können, wenn Zonenänderungen, Sonderbauvorschriften oder Gestaltungspläne zu erhöhten Ausnützungsmöglichkeiten führen. Wie dieses Gesetz umgesetzt wird, ist dabei den Gemeinden überlassen. Pionierin im Kanton ist die Stadt Zürich. Dort hat der Stadtrat im letzten August eine entsprechende Vorlage an den Gemeinderat verabschiedet, wonach bei Arealüberbauungen mit Ausnützungsbonus die Hälfte der zusätzlich möglichen Wohnungen preisgünstig angeboten werden müssen. as.

 

Spenden

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte. Jetzt spenden!

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.