Instrumentalisiert

Eine haarsträubende Geschichte von Personalausbeutung der italienischen Industrie.

Die Bilder von «Palazzino Laf» erwecken einen Eindruck von grauer Vorzeit, wohingegen die Erzählung und Inszenierung von Michele Riondino erst im Jahr 1997 ihren Anfang nimmt. Caterino Lamanna (Riondino selbst) ist von eher simplem Gemüt, machistisch, aufbrausend. Er malocht für das Stahlwerk ILVA Taranto in der niedersten Charge. Höchstens rudimentär geschützt bestreicht er die rissigen Aussenwände der heissen Wannen notdürftig mit Asbest. Er wohnt weit ausserhalb auf dem Restbisschen eines ehemaligen Hofes seiner Vorfahren mit noch ein paar Ziegen und wenigen Hühnern. Die Träume seiner Verlobten Anna (Eva Cela) sind nicht überbordend, aber sogar dafür reichts hinten und vorne nicht. Der Film beginnt mit der Beerdigung eines weiteren Arbeiters einer der grössten Drecksschleudern überhaupt, die Umweltgifte wie Dioxin ungefiltert in die Umgebung absondert und auch sonst keinerlei Verständnis für Schutzmassnahmen hat. Giancarlo Basile (Elio Germano) heisst der aktuell neue Stadthalter der allein profitorientierten Eigner, der in Caterino Lamanna einen potenziell nützlichen Idioten erkennt. Schwierig ist es nicht, diesen zum Spitzeln anzustiften. Eine Lohnerhöhung, eine fabrikeigene Rostbeule und später sogar ein Einzelbüro im titelgebenden Bürotrakt, über den die wildesten Spekulationen kursieren, reichen als Versprechen und Zückerchen aus, damit Caterino sich wichtig vorkommen und die Arbeitgeberinteressen als seine eigenen ansehen wollen kann. Keine Regung der Gewerkschaften, nicht das leiseste Aufmucken und seis der billigste Scherz der etwas über siebzig dorthin zur Tatenlosigkeit entsorgten eigentlichen Facharbeiter:innen ist zu geringfügig, als er die Chefetage nicht interessierte. «Palazzina Laf» erzählt davon, wie offenbar einfach sich ein Stockholmsyndrom aktiv herbeiführen und etablieren lässt, ohne dass der Träger derweil diesen schleichenden eigentlichen Realitätsverlust überhaupt bemerkt.

«Palazzina Laf» spielt im Kino Xenix.