Im Porzellanladen

Es wurde nun alles gesagt über Trump, nur noch nicht von mir. Und mir leuchtet lange nicht alles ein von dem, was gesagt wurde. Aber drei Punkte verdienen es, aufgewärmt zu werden, denn sie haben viel mit den Verhältnissen bei uns zu tun. Daher erstens: Eine blühende Wirtschaft einerseits, dank der Biden-Regierung (tiefe Arbeitslosenquote, hohe Wachstumsraten, mehr Arbeitsplätze), aber dennoch eine grosse Unrast. Die Leute hätten Trump gewählt, weil es ihnen schlecht gehe (hohe Preise, tiefe Löhne, geringe Kaufkraft). Ein Widerspruch? – Die einzig rationale Erklärung scheint zu sein: It’s not only economy, stupid, it’s Ungleichheit! Blühende Wirtschaft ja, aber lange nicht alle profitieren davon. Und daher rotten sich die Globalisierungsverlierer:innen zusammen, und die arbeitende Klasse wählt rechts, so wie in Europa oder bei uns (falls sie bei uns überhaupt wählen darf). Ein Rätsel aber bleibt: N ämlich warum ausgerechnet Trump, ein mehrfach gescheiterter Millionär, hier etwas fixen sollte. Allerdings – wir kennen das ja! Auch hierzulande ist die Partei der Milliardäre die wahlstärkste. Und die Leute wählen scheints immer diejenige Partei, der sie am meisten Problemlösungskompetenz zutrauen …

Zweitens: Der psychologische Ansatz. Die Menschen sind ja nicht blöd. Sie merken sehr wohl, dass so einiges in Bewegung gerät, mit dem Klimawandel, der Globalisierung, mit der Diversität, der Emanzipation gesellschaftlicher Gruppen und und und. Nichts ist mehr wie früher. Alles ist lästig. Man soll verzichten. Man wird beschissen. Mann verliert Privilegien. Und viele ahnen eigentlich: Verflucht, ich bin nicht nur der Porzellanladen, ich bin auch der Elefant! – Aber dann! Kommt einer, der da sagt: Schämt euch nicht! Ja, ich bin ein Sexist, ein Rassist, ein verurteilter Verbrecher, ich bin der Oberelefant  – und werde dennoch euer Präsident! Daher also: Klar, dass wir den Kerl wählen! Klar, dass nur er uns retten kann, denn er sagt uns: Seid Rassisten, greift das Capitol, die Farbigen oder die Frauen an, benehmt euch wie ihr wollt – es ist ok. Ich selber bin das blühende Beispiel, dass dem Elefanten die Welt gehört, scheiss auf das Porzellan.

Drittens. Was haben wir also? Konkrete Probleme, die nicht wegzudiskutieren sind. Ein president elect mit einer Agenda – die Agenda 47: unbedingt lesen! Da tschuderets einen! –, die kaum tauglich ist, um daran etwas zu ändern, dem aber dennoch die Mehrheit zutraut, dass er es fixen wird. Auch das kommt uns doch bekannt vor, es scheint sogar ein Grundmuster der rechten Politik zu sein: mehr Schein als Sein. Versprechungen statt Lösungen, oder wenn schon, dann Scheinlösungen statt langweilige Seriosität. Egal, ob es um unser Verhältnis zur EU geht oder um den Klimawandel, um das Artensterben, die Staatsfinanzen oder die Energieversorgung: Lieber Scherbenhaufen statt wirkliche Veränderung.

Letztens. Immerhin etwas vereint die gesamte Welt. Nämlich das oft berechtigte und meist unberechtigte Gefühl, das Opfer zu sein, benachteiligt und ausgebeutet oder von irgendwelchen Mächten bedroht zu werden, zu kurz zu kommen – und schuld sind immer die anderen, allen voran die Ausländer. Das macht, global gesehen, immerhin sogar mächtig Sinn. – P.S.: Hab soeben nachgelesen, was ich in der ersten Kolumne dieses Jahres befürchtet hatte: «Irgendwie habe ich kein gutes Gefühl für dieses Jahr. Vielleicht muss es tatsächlich dunkler werden, bevor es heller wird.» Der erste Teil hat sich bewahrheitet, hoffen wir nun das Beste.