Im Fusions-Flirt wird es ernst

 

Am 22. November entscheiden die Horgner Stimmberechtigten, ob der Fusionsprozess mit Hirzel weitergeführt oder abgebrochen wird. Behörden und das linksgrüne Spektrum befürworten die Vorlage. Umstrittener scheint sie im bürgerlichen Lager.

 

Arthur Schäppi

 

Im Bezirk Horgen ist das Fusionsfieber ausgebrochen. Schönenberg, Hütten und Hirzel sind derzeit auf Brautschau. Mit dem neuen Finanzausgleich drohen den drei kleinen, finanzschwachen Berggemeinden in der Zimmerbergregion bei einem weiteren Alleingang massive Steuererhöhungen. Hütten und Schönenberg verhandeln daher mit Wädenswil über einen Zusammenschluss, und die Gemeinde Hirzel mit Horgen. Kommen alle drei Eingemeindungen zustande, würde der obere Bezirksteil künftig nicht mehr aus sechs, sondern bloss noch aus den zwei erweiterten Gemeinden Horgen und Wädenswil sowie Richterswil bestehen. Am weitesten gediehen ist der Annäherungsprozess zwischen Hirzel und Horgen, die bisher schon über eine gemeinsame Feuerwehr und Ortspolizei verfügen oder etwa das Strassenwesen zusammengelegt haben. Nächstes Jahr im Herbst soll in beiden Gemeinden über eine Fusion auf Anfang Januar 2018 abgestimmt werden.

 

Nicht zum Nulltarif

Ob es dazu überhaupt noch kommt, ist nun plötzlich nicht mehr so sicher. Am 22. November entscheiden die Horgnerinnen und Horgner nämlich erst einmal, ob die laufenden Fusionsverhandlungen mit Hirzel weitergeführt oder vorzeitig abgebrochen werden. Grund für den ‹Stimmungstest›: Dem Horgner Gemeinderat war aufgrund von Modellrechnungen klar geworden, dass eine Fusion ohne finanzielle Nachteile für Horgen, wie er dies zuvor der Bevölkerung versprochen hatte, nicht machbar ist. Und zwar vor allem wegen der grossen Steuerfussdifferenz. Horgen hat einen Steuerfuss von 87 %, Hirzel muss den Maximalsteuerfuss von 124 % erheben. Und weil Hirzel für 2016 beim Kanton Sonderlastenausgleich beantragt, muss die Kleingemeinde den Steuerfuss dannzumal gar auf 129 % erhöhen. Der Kanton ist immerhin bereit, die enorme Steuerdifferenz während einer Übergangsfrist mit einem einmaligen Beitrag von rund 3 Mio. Franken abzufedern. Was die Eingemeindung Horgen aber letztlich kosten wird, blieb an einer Informationsveranstaltung vom Dienstag im Schinzenhof Horgen noch ziemlich diffus. Aus der Abstimmungsweisung lässt sich zwar entnehmen, dass die Fusion, hätte sie schon 2014 stattgefunden, den Bezirkshauptort rund 876 000 Franken gekostet hätte, was gut einem Steuerprozent entspricht. Und auch, dass in Hirzel fünf Gemeindeliegenschaften für rund 6,5 Millionen Franken verkauft werden könnten. Für die Beurteilung der Gesamt- und Folgekosten der Fusion aber sind das erst einmal Anhaltspunkte, zumal etwa bei der Schule, der Hirzler ARA oder bezüglich der Finanzausgleichzahlungen, die Horgen gegenüber dem Kanton künftig zu leisten hätte, noch erheblicher Klärungsbedarf besteht. Gerade weil dem so ist, sollten die Verhandlungen fortgesetzt und vertieft werden, argumentierten die Gemeindepräsidenten Theo Leuthold (SVP, Horgen) und Markus Braun (parteilos, Hirzel) am Info-Anlass. So dass die Stimmbürger dann im Herbst 2016 ein definitives Urteil zur Fusion aufgrund einer bis dahin ungleich besseren Faktenlage fällen könnten. GP, GLP und CVP haben bereits die Ja-Parole für den 22. November ausgegeben – und bei der SP beantragt der Vorstand der Parteiversammlung ebenfalls Zustimmung. Die Grünen seien keineswegs alle «Fusionsturbos» und würden sich etwa die Frage stellen, ob Hirzel wohl mit oder ohne Fusion schneller verbaut sei, präzisierte GP-Präsident Matthias Herfeldt am Infoabend. Die zu erwartenden Mehrkosten seien «kein Pappenstiel», könnten aber durch die Liegenschaftenverkäufe über Jahre hinweg abgefedert werden. «Es gibt keinen triftigen Grund, die Abklärungsphase auf halbem Weg zu stoppen», betonte SP-Copräsident Alfred Fritschi. Bei budgetierten Gesamtausgaben von 190 Mio. seien die zu erwartenden Fusionskosten für Horgen «sehr wohl verkraftbar». Die Behörden sollten sich nicht nur auf den Steuerfuss fixieren, sondern in eine Gesamtbetrachtung auch gesellschafts-, regional- und staatspolitische Aspekte einbeziehen. Umstrittener scheint die Vorlage bei FDP und SVP, wo eine Nein-Empfehlung aus finanziellen Gründen nicht zum Vornherein ausgeschlossen werden kann. Klar ist, dass Hirzel für eine Eingemeindung einschneidende Konzessionen machen müsste. Dazu gehören etwa die Schliessung von Hallenbad und Gemeindeverwaltung und wohl auch die Aufgabe der eigenen Oberstufe.

 

Avancen auch anderswo 
Keine analoge Abstimmung wie in Horgen braucht es in Hirzel. Dort hatten die Stimmbürger schon 2014 mit wuchtigem Mehr einen Grundsatzentscheid für Fusionsverhandlungen mit Horgen gefällt. Und anderswo im Bezirk können solche nun überhaupt erst richtig anlaufen. Nämlich zwischen Wädenswil und Hütten sowie zwischen Wädenswil und Schönenberg. Dies, nachdem das Wädenswiler Stadtparlament unlängst seinen Segen dazu gegeben hat. Sowohl in Hütten wie in Schönenberg hatten sich die Stimmberechtigten deutlich für Fusionsverhandlungen mit Wädenswil ausgesprochen. In Schönenberg hat die Fusionsfrage den Gemeinderat gespalten und war mit ein Grund für heftige Querelen innerhalb des Gremiums.(as)

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