«Ich zeige auch nach zehn Jahren noch gerne Kante»

Daniel Leupi setzt bei seiner Ständeratskandidatur auf den Erfolg von Daniel Jositsch, parteiübergreifende Unterstützung und sein Palmarès aus zehn Jahren im Amt des Finanzvorstehers. Tim Haag hat mit ihm gesprochen.

Herr Leupi, wir sitzen in Ihrem Büro im Zürcher Finanzdepartement. Ist Ihnen dieses Büro zu klein geworden?

Nein, auf gar keinen Fall. Ich bin sehr gerne Stadtrat. Ich bewerbe mich für den Ständerat, weil ich aus meiner Tätigkeit als Finanzvorsteher sehe, wie viele Themen, die die Städte betreffen, in Bern einen zu geringen Stellenwert haben. Und wenn ich gewählt werde, werde ich wohl eine Träne vergiessen, weil die Arbeit als Finanzvorsteher sehr erfüllend ist. Wenn ich nicht gewählt werde, werde ich das natürlich bedauern, aber es wird keine Tränen geben.

Dann bleiben Sie im Finanzdepartement?

Auf jeden Fall. Es gibt genügend Themen in diesem Amt, die ich hochspannend finde. Ich denke da an die Herausforderungen rund ums Thema Wohnraum, den Fachkräftemangel, die Digitalisierung oder die anstehende Steuerrechtsrevision des Kantons. Langweilig wird mir in diesem Büro bestimmt nicht. 

Sie bringen Exekutiverfahrung mit, aber Bundesbern ist für Sie Neuland. Wie setzen Sie sich gegen ihre Mitbewerber:innen am 22. Oktober durch?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich auf den zweiten Wahlgang setze und darauf, dass Daniel Jositsch in der ersten Runde gewählt wird. Dann kann ich im zweiten Wahlgang auf die Stimmen von SP, Grünen und AL zählen. Ausserdem haben Nachwahlanalysen gezeigt, dass ich bei vergangenen Stadtratswahlen stets parteiübergreifend Stimmen erhalten habe und bis weit in die Mitte eine breite Unterstützung geniesse.

Kommt diese Unterstützung aus der Mitte von den schwarzen Zahlen, die Sie als Finanzvorsteher in den letzten 10 Jahren stets geschrieben haben?

Ich denke, das ist sicher ein Teilaspekt. Dazu gehört auch, dass meine Unterstützer:innen wissen, wie gross die Geschäftslast als Finanzvorsteher ist und dass man in diesem Amt seinen Job beherrschen muss, um nicht permanent unter Druck zu stehen. Andererseits liegt es wohl auch daran, dass ich mich zwar klar positioniere, aber letztlich immer Lösungen suche. Wenn das andere politische Lager bereit ist, Lösungen zu finden, bin ich kompromissfähig und versuche nicht einfach, Maximalforderungen durchzudrücken.

Im Frühling gerieten Sie jedoch vonseiten der Mitte und besonders von den Bürgerlichen in Kritik. So echauffierten sich einige Stimmen darüber, dass Sie sich trotz ihres Amtes als Exekutivpolitiker für zwei linke Wohnungsinitiativen eingesetzt haben. Es hiess, Sie missbrauchen die Volksinitiative als Wahlkampfvehikel.

Mein Engagement bei der Vorkaufsinitiative und der Wohnungsinitiative habe ich lange vor der Entscheidung, als Ständerat zu kandidieren, begonnen. Dieser Vorwurf ist also nicht gerechtfertigt. Es ist mir bewusst, dass es für einen Stadtrat aussergewöhnlich ist, in einem Initiativkomitee zu sein, gleichzeitig bewegt das Thema Wohnen die Bevölkerung auch aussergewöhnlich. Wenn ich finde, dass in einem Bereich im Kanton etwas vorwärtsgehen muss, zeige ich auch nach zehn Jahren noch gerne Kante.

Zurück zu ihrer Ständeratskandidatur: Was bringen Sie nach Bern?

Einerseits meine Erfahrungen als Gründungspräsident der Städtischen Konferenz der Finanzdirektoren. Wir waren beispielsweise bei der Unternehmenssteuerreform III – zusammen mit den linken Parteien – ein wesentlicher Faktor für das Nein der Stimmbevölkerung gewesen. Ausserdem war ich immerhin acht Jahre Mitglied und vier Jahre Fraktionspräsident im grössten kommunalen Parlament der Schweiz..

Wo setzen Sie Ihre inhaltlichen Prioritäten?

Einen klaren Fokus werde ich sicher auf das Thema Wohnen setzen. Es gibt in Bern zwar Akteur:innen, die sich mit dem Thema beschäftigen, aber meiner Meinung nach muss das mickrige Engagement des Bundes in diesem Bereich verstärkt werden. Konkrete Forderungen wären, dass der Bund, besonders in den Städten und der Agglomeration, wo die Preise stark steigen, Liegenschaften nicht mehr den Meistbietenden, sondern zu fairen Preisen an die Städte und Gemeinden verkauft.  Oder er soll Wohnbaugenossenschaften finanziell unterstützen. Genauso wichtig ist mir das Klima, besonders nach diesem Sommer. Hier dürfen wir nicht lockerlassen, bis Massnahmen umgesetzt sind, die zumindest halbwegs darauf hoffen lassen, dass wir das Netto-Null-Ziel so schnell wie möglich erreichen. Und ich möchte mich aus finanzpolitischer Sicht darauf fokussieren, dass die Interessen der Menschen in den urbanen Gebieten beachtet werden. Ich denke da an den nationalen Finanzausgleich. Der Ausgleichstopf für Sonderlasten der peripheren Gebiete ist voll gedeckt, derjenige für die urbanen Gebiete hingegen nur zur Hälfte. Ein anderes Beispiel sind Steuerreformen, die einseitig auf eine Wachstumspolitik von Unternehmen setzen und dabei die negativen Folgen für die urbanen Gebiete ausser Acht lassen. 

Sie haben das Thema Daniel Jositsch schon angesprochen. Ist es der richtige Weg, die beiden Zürcher Ständeratssitze mit zwei älteren, männlichen Daniels zu besetzen?

Und dann haben die beiden Daniels sogar noch denselben Jahrgang! Im Ernst: Momentan haben die Grünen einen Mann und vier Frauen im Ständerat. Man kann es also nicht den Grünen anhängen, dass zu wenige Frauen im Ständerat sind – hier machen wir mehr als jede andere Partei. Aus diesem Grund war diese Diskussion parteiintern recht unaufgeregt, als es um meine Kandidatur ging. 

Sie haben ein Wahlkampfbudget von 200 000 Franken. Wie finanzieren Sie sich?

Rund 25 000 bringe ich selber auf, von der Partei kommen 50 000 Franken, den Rest sollen Spenden ausmachen. Reichen die Spenden nicht, muss ich entweder mit weniger Geld auskommen oder noch einmal in die eigene Tasche greifen. 

Wollen Sie offenlegen, wie viele Spenden Sie schon erhalten haben?

Die konkrete Zahl möchte ich an dieser Stelle nicht nennen. Ich kann aber sagen: Es sind noch nicht so viele wie nötig.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.