«Ich möchte, dass wir gesittet Politik machen»

Seit Mittwochabend ist Guy Krayenbühl Gemeinderatspräsident. Von Beruf ist der Grünliberale Staatsanwalt, dem Zürcher Gemeinderat gehört er seit 2015 an. Wie er sein Präsidiumsjahr gestalten will, erklärt Guy Krayenbühl im Gespräch mit Nicole Soland.

Herr Krayenbühl, Sie sind Staatsanwalt und Politiker: Wie geht das zusammen?

Guy Krayenbühl: Das ist problemlos möglich, denn als Staatsanwalt bin ich ja nicht am Erarbeiten von Gesetzen beteiligt, die ich dann anwenden müsste. Ich finde, dass die Arbeit als Staatsanwalt und die Politik gut zueinander passen, denn beides ist nahe am Leben.

Will heissen, Ihnen ist die Politik wichtig?

Ich war schon immer politisch interessiert und bin seit der Gründung der GLP Kreis 1 + 2 dort Mitglied. Als 2015 mit Samuel Dubno ein Grünliberaler der ersten Stunde zurücktrat, konnte ich für ihn nachrücken. Das Amt als Gemeinderat habe ich seither als Bereicherung empfunden, und es freut mich auch, dass ich dadurch meiner Partei etwas zurückgeben kann.

Schlägt man Ihren Namen auf der Gemeinderatswebseite nach, findet sich unter «Interessenbindungen» kein einziger Eintrag – das ist ungewöhnlich.

Mag sein, aber ich bin wirklich nirgends Mitglied ausser bei den Grünliberalen.

Dafür ist die ebenfalls dort aufgeführte Liste Ihrer Vorstösse im Rat ein einziges «Chrüsimüsi»: Von Schutzstatus S über Datenbanken, Finanzen und Fussgängersicherheit bis zu Wohnraum und selbstfahrenden Fahrzeugen ist alles dabei.

Das ist so. Ich bin seit neun Jahren im Rat, und ich bin vielseitig interessiert. Das ist ja das Spannende am Gemeinderat: Man bekommt Einblicke in alle möglichen Themen mit allen möglichen Facetten, von Spital bis Kultur, von Wohnen bis Verkehr. Ich interessiere mich für Menschen und für das Leben, und als Stadtzürcher kenne ich meine Stadt – ich bin im Kreis 1 aufgewachsen und zur Schule gegangen.

Als Präsident sitzen Sie das dritte Jahr in Folge auf dem ‹Bock›: Fällt es Ihnen nicht schwer, nicht mehr inhaltlich mitdiskutieren zu können?

Nein, denn als zweiter und erster Vize hatte und nun als Präsident habe ich eine andere Rolle: Mein Hauptanliegen ist, dass der Gemeinderat gut funktioniert.

Und, tut er das?

Zugegeben, unser Parlament hatte schon bessere Zeiten mit einem weniger gehässigen Umgang untereinander. Doch gegen das Ende der Amtszeit meiner Vorgängerin Sofia Karakostas hat es gebessert, der Rat hat sich langsam zusammengefunden. Heute wissen die meisten, wen sie mit welcher Art Aussage zum Ausflippen bringen können – und schaffen es auch öfter, darauf zu verzichten, solche Grenzen auszuloten.

Den Lärm zu minimieren, bei Bedarf die Redner:innenliste zu schliessen und rechtzeitig zu reagieren, wenn sich jemand unflätig äussern sollte – das nehmen sich eigentlich alle neuen Ratspräsident:innen vor. Oder?

Die Redner:innenliste werde ich sicher schliessen, wenn keine neuen Argumente mehr kommen. Der Lärm ist und bleibt ein Problem, das sich kaum endgültig in den Griff bekommen lässt. ‹Streithähne› zu bitten, ausserhalb des Saals weiterzudiskutieren, ist für mich aber kein Tabu. Einzugreifen, wenn sich jemand im Ton vertut, ist ebenfalls nicht einfach: Hier besteht die Schwierigkeit vor allem darin, den richtigen Moment zu erwischen. Mein Ziel ist es aber sicher, dass wir gesittet Politik machen.

Der erste Gemeinderatspräsident der Grünliberalen, Matthias Wiesmann, hatte in der Fraktion keine Konkurrenz, als er sich zur Wahl ins Präsidium stellte, wie er dem P.S. vom 8. Mai 2015 verriet: Wie haben Sie sich intern durchgesetzt?

Ausser mir war eine weitere Person am Amt interessiert, wir haben uns jedoch untereinander geeinigt. Ich denke aber, dass es auch bei einer grösseren Partei ähnlich hätte ablaufen können: Es ist nicht jedermanns Sache, im Parlament als ‹Dompteur› tätig zu sein. Mich hat das gereizt, und jetzt freue ich mich auf das letzte dieser drei Jahre und darauf, noch mehr Erfahrungen zu machen und neue Leute kennenzulernen. Als Gemeinderatspräsident komme ich sicher auch an Orte, an denen ich noch nie war und wahrscheinlich sonst nie hingekommen wäre. Ich werde von Vereinen und Institutionen eingeladen und konnte bereits dieses Jahr am Sechseläuten mitmarschieren.

Heisst das im Umkehrschluss, dass Sie das Jahr als Gemeinderatspräsident als «krönenden Abschluss» Ihrer Ratskarriere verstehen?

Ich weiss nicht, was die Zukunft bringt, aber ja, Stand jetzt tendiere ich zum «krönenden Abschluss».

Was haben Sie sich für Ihr Präsidiumsjahr vorgenommen?

Ich würde gern den Social-Media-Auftritt des Gemeinderats aufbauen. Das muss nichts Verrücktes sein, aber der Kantonsrat beispielsweise veröffentlicht seine Traktandenliste auf Social Media. Das könnte auch der Gemeinderat tun.

Und was versprechen Sie sich davon?

Der Rat würde besser wahrgenommen, und es wäre auch der Vernetzung unter den Städten förderlich: Diese passiert zwar jetzt schon, allerdings eher auf der exekutiven Ebene. Was in den Parlamenten anderer Städte läuft, wissen hingegen die Wenigsten. Dabei haben wir in den Städten doch häufig ähnliche Anliegen – und gleichzeitig andere als unsere Mitmenschen in den ländlichen Gebieten.

Was wünschen Sie sich sonst?

Ich wünsche mir geordnete Debatten und dass ich meinem Nachfolger Christian Huser in einem Jahr keine ellenlange Traktandenliste übergeben muss. Ansonsten beschäftigt es mich, dass zu viele Gemeinderatsmitglieder nach kurzer Zeit wieder austreten, etwa weil sie den zeitlichen Aufwand unterschätzt haben. Wir müssen dafür sorgen, dass uns die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik besser gelingt. Ich bin ein grosser Fan des Milizsystems und sicher nicht der Meinung, die Mitgliedschaft im Gemeinderat müsste eine Lebensstelle sein. Doch ich wünsche mir, dass die Arbeit im Gemeinderat korrekt entschädigt wird.