I am not amused

Menschen haben neben ihrer Arbeit noch ein Leben. Eines, das nicht nur zwischen Feierabend und Morgenkafi stattfinden soll. Damit hat man offenbar nicht gerechnet. 

 

Bis jetzt lief das nämlich ganz anders. Ein Bekannter erzählte mir, dass sich einige Monate nach der Geburt seines ersten Kindes sein damaliger Chef anerkennend an ihn gewandt habe. Bei ihm merke man gar nicht, dass er Vater geworden sei. Was durchaus stimmte, wie mein Bekannter ausführte, denn er bezog nur die zwei Tage Vaterschaftsurlaub, nahm keinen unbezahlten Urlaub und keine Ferien, denn der besagte Chef hatte von Anfang an klar gemacht, dass man den Vater besser in der Freizeit gibt. Deshalb wäre es ihm auch nicht eingefallen, bei Krankheit oder ähnlichen Unannehmlichkeiten seitens Kind daheim zu bleiben. Der Chef freute sich, der Bekannte bereut und bedauert bis heute. 

 

Ein Kind ist nicht etwas, was man sich nebenbei noch so hält. Das Leben an sich ist nicht etwas, was man nebenbei macht, wenn der Job und die angesammelte Überzeit es zulassen. Es ist einfach viel zu wichtig, dieses Leben. 

 

Folgerichtig hat Anne Spiegel, die grüne Bundesfamilienministerin, ihre geplanten vierwöchigen Ferien auch tatsächlich angetreten. Ihr Mann hatte einen Schlaganfall erlitten, sie haben vier Kinder, sie war Ministerin, sie hat noch einen Landtagswahlkampf bestritten. «Das hat uns als Familie über die Grenzen gebracht», sagte Anne Spiegel am Sonntag, als sie ihren Rücktritt bekannt gab. Denn diese längst geplanten Ferien fanden rund eine Woche nach der Flutkatastrophe im Ahrtal statt. Bei ihrer Erklärung musste sie ihre ganze private Situation einer wütenden Öffentlichkeit zum Frass vorwerfen, einer Öffentlichkeit, die der Meinung ist, dass Ferien nach einem solchen Ereignis nicht drin liegen. Wie bitter ist das. 

 

Ein Mensch ist kein Leibeigener seiner Arbeit. Und kein Mensch ist unersetzlich im Job. Wer diesen so organisiert, dass andere übernehmen können, wenn es nötig ist, hat überhaupt erst begriffen, worum es geht. Man sollte an der Arbeit austauschbar sein, in der Familie nicht. Hier wurde nun eine dafür bestraft, genau das gemacht zu haben, was allen ArbeitnehmerInnen zustehen müsste. Sich vertreten lassen, wenn das Leben es verlangt. Was ist das für ein Zeichen. 

 

Es ist übrigens das Grundübel an der Kritik der Elternzeit. Am Podium zum Thema erzählte Nadine Jürgensen, Unternehmerin und ehemalige NZZ-Journalistin, was sie als junge Mutter erlebt hat. Ihr Kind lag mit hohem Fieber im Bett und sie informierte ihren Chef, dass sie ins Büro komme, sobald ihre Schwiegermutter sie ablöse. Er antwortete mit einem einzigen Satz: I am not amused. Ich bin nicht begeistert. 

 

Ich auch nicht. Nicht ob dem Chef des Bekannten von damals, nicht ob der Tatsache, dass eine Ministerin zurücktreten muss, weil sie Prioritäten setzt und Macht nicht an sich bindet, sondern so verteilt, dass es auch ohne sie geht. Ich bin nicht begeistert von Vorgesetzten, die MitarbeiterInnen als ihre Leibeigenen sehen, die ständig verfügbar sein müssen, und nicht ob den Gegnern der Elternzeit, die ernsthaft so tun, als könnte man einen Mitarbeiter nicht für 18 Wochen ersetzen.

 

Menschen haben ein Leben. Sie pflegen ihren betagten Vater, sie gebären und werden Eltern, sie sind manchmal krank, ihre Kinder sind manchmal krank, sie kümmern sich um andere oder um sich selbst. 

 

Das ist gut. Sollte jemand anderer Meinung sein: I am not amused. 

 

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