Bild: Hannes Henz

Humanitäre Hilfe und ein Restaurant

Die Volksinitiative «Seerestaurant» ist einen Schritt weiter: Der Zürcher Gemeinderat hat einen Projektierungskredit von 2,1 Mio. Franken bewilligt.

Gut eine Dreiviertelstunde dauerte zu Beginn der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend das Traktandum «Mitteilungen». Samuel Balsiger (SVP) eröffnete den Reigen der Wortmeldungen mit dem Antrag, die traktandierte Redaktionslesung samt Schlussabstimmung zur neuen Parkkartenverordnung abzusetzen. Begründung: Die Redaktionskommission habe nicht zulässige Änderungen am Text vorgenommen. Diesen hatte der Rat an der Sitzung vom 30. Oktober während rund vier Stunden bereinigt (siehe P.S. vom 1. November). David Garcia Nuñez (AL) entgegnete, die Kommission habe ihre Arbeit gut gemacht. Doch wenn der Rat die Verordnung nun beschliesse, könne die SVP nächste Woche damit beginnen, Unterschriften zu sammeln. Das stinke der ‹Sünneli-Partei› offenbar, sie möchte lieber später bei schönerem Wetter sammeln… Stephan Iten (SVP) entgegnete, seine Partei sei immer draussen, auch im Winter, «mir sind herti Sieche!». Der Präsident der Redaktionskommission, Matthias Renggli (SP) erinnerte ihn daran, dass die SVP in der Kommission vertreten und der Entscheid einstimmig gefallen sei. Mit 66 gegen 34 Stimmen (von FDP, SVP und Mitte/EVP) und einer Enthaltung lehnte der Rat es ab, das Traktandum abzusetzen.

Ronny Siev (GLP) sprach in seiner persönlichen Erklärung ein weiteres Mal darüber, dass sich Jüdinnen und Juden in Zürich nicht mehr auf die Strasse trauten und gar ihre eigene Identität verleugneten, «damit sie nicht abgeschlagen werden». Samuel Balsiger knüpfte daran an und erklärte an die Adresse von «Frau Stadtpräsident», am letzten Samstag habe er an einer «Pro-Palästinenser-Demo» gehört, wie vom Demowagen gerufen worden sei, «Switzerland finanziert, Israel bombardiert». Es gehe doch nicht an, «dass ein paar Meter von einer Synagoge entfernt von einer Masse von Leuten geschrien wird, dass sie sich wünschen, dass Israel bombardiert wird», sagte er. Man könnte es auch so verstehen, dass das Hilfswerk, an das die Stadt nun Hunderttausende von Franken zahle, «genutzt wird für Terroranschläge», fügte er an. Der Kampf gegen Antisemitismus sei «zentral», entgegnete ihm Severin Meier (SP). Doch dass Balsiger die humanitäre Hilfe der Stadt im gleichen Votum erwähnt habe, sei nicht in Ordnung. Wenn kein Geld an die Unwra fliessen solle, bleibe nur noch die Hamas: Ob das besser sei? Stadtpräsidentin Corine Mauch stellte klar, der Terror der Hamas habe den Krieg ausgelöst, doch im Gazastreifen drohe eine Hungersnot. Der Rat habe einen Vorstoss für humanitäre Hilfe überwiesen, der Stadtrat habe ihn «mit ausserordentlicher Sorgfalt» geprüft und 580 000 Franken bewilligt, wovon je 100 000 Franken an Terre des hommes und an Médecins du Monde gingen und 380 000 Franken an die Unrwa, die «das Rückgrat der Hilfe dort» sei. Michael Schmid (FDP) sprach von «Verletzung von kommunalem Recht», zuständig wäre der Bund, nicht die Stadt. Corine Mauch entgegnete, die Stadt leiste schon seit vielen Jahren humanitäre Hilfe, auch in Kriegsgebieten, und nie sei der Vorwurf erhoben worden, dass sie damit «Aussenpolitik» betreibe. Michael Schmid hakte nach, ob der Betrag schon überwiesen sei, was Corine Mauch bejahte: «Die Hilfe soll so schnell wie möglich bei der notleidenden Bevölkerung ankommen.» Was Michael Schmid mit den Worten quittierte, das sei «in sich skandalös».

Nach rund 40 Minuten meldete sich dann Sophie Blaser (AL) und stellte fest, abgesehen von der Stadtpräsidentin und Stadträtin Simone Brander hätten bisher nur Männer geredet. Und vielleicht hätten einige ihrer Kollegen sich im Parlament geirrt – im Zürcher Gemeinderat gebe es nämlich «keine Fragestunden». Doch es sassen halt zwei Schulklassen auf der Tribüne, was wohl mit ein Grund für die vielen Wortmeldungen gewesen sein dürfte. Sonst hätte die SVP ihr Referendum gegen die Parkkartenverordnung auch einfach so bekanntgeben können… In der Schlussabstimmung kam sie übrigens mit 79 gegen 34 Stimmen (von SVP und FDP) durch. 

«Take-out de luxe»

Zum Seerestaurant erinnerte Kommissionssprecher Nicolas Cavalli (GLP) erst an die Volksinitiative der IG Seepärke Zürich, die der Rat an der Sitzung vom 28. September 2022 für gültig erklärt hatte (siehe P.S. vom 30. September 2022). Das Vorgeschlagene entspreche nicht ganz dem, was sich die Initiant:innen vorgestellt hätten, doch die im Vorfeld erstellte städtebauliche Studie habe ergeben, dass der Standort im Bereich der heutigen Plattform am Bürkliplatz ideal sei. Entstehen soll ein «gastronomisch niederschwelliges Angebot», eine geschützte Aussenterrasse wäre machbar, und auch ein Ticketschalter, ein Kiosk, eine WC-Anlage und Abstellplätze für Velos und Kinderwagen sind vorgesehen. Läuft alles nach Plan, folgt im dritten Quartal 2025 die Machbarkeitsstude, Ende 2026 wird das Wettbewerbsverfahren abgeschlossen, der Baubeginn ist für das vierte Quartal 2029 geplant und der Bezug des Restaurants im vierten Quartal 2031. Nun für die GLP fügte Nicolas Cavalli an, seine Fraktion stehe hinter diesem Kompromiss, und es gebe ja nicht nur einen Kiosk, sondern ein «Take-out de luxe».

Die Ablehnung der SVP begründete Jean-Marc Jung unter anderem damit, es habe in jener Gegend schon genug Verpflegungsmöglichkeiten, und zudem baue die Stadt in der Nähe bereits einen Kiosk für über zwei Millionen Franken. Karen Hug (AL) sagte, ihre Fraktion verstehe den Wunsch der Initiant:innen grundsätzlich, doch es solle ein Ort für die Öffentlichkeit werden, nicht nur für «zahlende Gäste». Deshalb wechsle die AL, die sich in der Kommission enthalten hatte, in die Ablehnung. Brigitte Fürer (Grüne) sagte, es brauche kein weiteres Restaurant am See. Dieser sollte öffentlich zugänglich sein, und der Blick aufs Alpenpanorama sollte nicht nur «Betuchten» offenstehen. Das Seeufer sollte ökologisch aufgewertet werden und die Verbindung für Fussgänger:innen sowie der Veloweg verbessert werden. Das Restaurant müsste wenn schon als Ersatzneubau des Kiosks erfolgen, «alles andere wäre eine Verschandelung des Seeufers». Kurz: Die Grünen unterstützten zwar «vorerst» den Projektierungskredit, wenn auch «nicht mit grosser Begeisterung». Mit 94 gegen 19 Stimmen (von SVP und AL) kam der Projektierungskredit durch.

Auch das Rathaus stand anschliessend (wieder einmal…) zur Debatte. Mit ihrer Motion verlangten Matthias Probst und Markus Knauss (beide Grüne) den Kauf der Bullingerkirche als fixen Ort für den Ratsbetrieb. Samuel Balsiger, Roger Bartholdi und Stefan Urech (alle SVP) forderten mit ihrem Postulat den Stadtrat auf, zu prüfen, wie er «beim Kanton darauf hinwirken» könne, dass das Rathaus «nur mit den absolut notwendigen Eingriffen» saniert und der «altehrwürdige Saal» erhalten bleibe. Nach gemeinsamer Debatte der beiden Vorstösse überwies der Rat die Motion mit 59 gegen 55 Stimmen und lehnte das Postulat mit 75 gegen 39 Stimmen ab.