Hongkongs Protest- Alltag im Fokus

Wer sich ein Bild von den Protesten in Hongkong machen möchte, sollte die Ausstellung in der Photobastei besuchen. Stand with Hongkong Journalists zeigt über 50 Bilder von Fotojournalisten aus Hongkong.

 

Thomas Loosli

 

Viele Schirme sind auf den Fotos der Hongkong-Proteste dieses Jahres zu sehen. Der Schirm ist seit der «Umbrella-Revolution 2014» zu einem Symbol der Hongkonger Freiheit geworden. Ein Schirm gewährt Schutz, sei es gegen den realen Regen (oder die Sonne), sei es, um unerkannt zu bleiben oder sich vor Pfefferspray in Deckung zu bringen. Ein Bild von Fotograf Paul Yeung zeigt einen meditierenden Mann inmitten der Proteste. Auch das wollen die FotografInnen den BesucherInnen mitgeben: Die Proteste sind ein Teil des Hongkonger Alltags. Zu sehen sind auf einem Bild zwei Polizisten, die mit aufgerissenen Mündern erschreckt in die Menge von wütenden Protestierenden schauen. Ein anderes Bild zeigt schlicht und einfach, wie eine Gruppe von Polizisten Pause macht und wie sie sich auf dem Boden sitzend ausruhen. Die Fotografien der Ausstellung sind farbenfroh und fantasievoll. Einerseits zeigen sie angewandte Gewalt auf, andrerseits transportieren sie Motive, auf welchen die ganze Menschlichkeit abgebildet ist, die der Demonstrierenden und die der Polizisten. Zu sehen sind Gefühle der Angst und des Schreckens, aber auch der Erwartung und Hoffnung.

 

Protest aller Gesellschaftsschichten

Seit 1997 ist Hongkong Teil des chinesischen Staats. Hongkong wird laut dem Vertrag, den die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher mit Deng Xiao Ping verhandelt hatte, bis ins Jahr 2047 einen Sonderstatus mit weitgehender Autonomie behalten, aber China macht seit einigen Jahren deutlich, dass es diesen Vertrag mittlerweile als nichtig erachtet. 2014 schränkte China die freien Wahlen in Hongkong ein. Dies führte zur sogenannten Umbrella-Revolution. Die Proteste wurden vor allem von Studenten getragen. Das von der Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam geplante Auslieferungsabkommen (Gesetz über flüchtige Straftäter) von 2019 hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Das geplante Gesetz sollte möglich machen, dass StraftäterInnen oder Verdächtige aus Hongkong nach Festland-China hätten überführt werden können. Die InitiatorInnen der diesjährigen Proteste sind Exponenten der Civil Human Rights Front. Die Bewegung dieses Jahres hat Menschen aller Gesellschaftsschichten erfasst und zu den umfassendsten Protesten in China seit den von der kommunistischen Partei brutal niedergeschlagenen Protesten auf dem Tiananmen-Platz 1989 geführt. An einigen Demonstrationen marschierten in Hongkong mehr als eine Million Menschen auf. «Glücklicherweise sind bisher keine Todesopfer zu beklagen», sagt Fotograf Paul Yeung. Die Demonstrationen verfehlten ihre Wirkung nicht. Regierungschefin Carrie Lam hat den Gesetzesentwurf zurückgenommen. Die Proteste gehen aber weiter.

 

«Wir wollen, dass die Menschen verstehen, was in Hongkong passiert»

Auf die Frage, wie es um die Hoffnung auf Besserung in Hongkong stehe, macht ein junger Journalist (der anonym bleiben möchte) eine irritierend lange Pause. Er habe noch Vertrauen in die Menschen von Hongkong, aber was in Zukunft passiere, könne er nicht abschätzen. Wichtig sei, dass Menschen auf der ganzen Welt auf die kritische Lage in Hongkong aufmerksam gemacht würden. «Wir wollen, dass mehr Menschen verstehen, was in Hongkong passiert.» Der Journalist sieht beispielsweise die Medienfreiheit in Gefahr. Im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Hongkong in wenigen Jahren von Rang 18 (2002) auf Rang 73 (2019) abgerutscht. Die Kultur der Festland-Chinesen und die britisch geprägte Hongkonger Mentalität seien kaum zu vereinen, sagt auch der Fotograf und Organisator der Ausstellung Marcel Sauder. «Heute stellen Eltern in Hongkong mit Schrecken fest, dass ihre Kinder an der Schule kommunistische Parolen und Lieder auswendig lernen und verstehen sie teilweise nicht mehr.» Dass eine Ausstellung wie Stand with Hongkong Journalists nicht mehr ganz selbstverständlich sei, zeige auch die Tatsache, dass sich die chinesische Botschaft bei ihm gemeldet habe und wissen wollte, was hier vor sich gehe, gibt Marcel Sauder zu bedenken.

Fotograf und Journalist Paul Yeung ist wenig optimistisch, was die Freiheit in Hongkong angeht. Er glaubt nicht an eine Lösung des Konflikts zwischen den Hongkonger Protestierenden und der chinesischen Regierung. Auf jeden Fall wolle er aber weitermachen in seinem Protest, weil er fest an das glaube, was er mache. Möglicherweise wird die Ausstellung noch in anderen Städten Europas zu sehen sein.

«Stand with Hongkong Journalists», bis 19.9., Photobastei, Zürich. www.photobastei.ch

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