Hochschulgebiet im Fokus
Das Hochschulgebiet und mit ihm Uni, ETH und Unispital sollen sich weiterentwickeln – aber wie? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung,
die viel Publikum anlockte.
An der öffentlichen Informationsveranstaltung vom Montagabend lautete das Motto zu Beginn «setze sich, wer kann»: Der Vortragssaal des Kunsthauses Zürich war dem Ansturm kaum gewachsen, und einige ZuhörerInnen mussten mit einem Stehplatz vorlieb nehmen. Bereits frühere Informationsveranstaltungen zum Hochschulgebiet Zürich Zentrum waren auf grosses Interesse gestossen (P.S. berichtete). Die aktuelle trug den Titel «Den Wissens- und Gesundheitsstandort im Herzen der Stadt Zürich weiterentwickeln».
«Zeit für grossen Wurf»
In seiner Begrüssungsansprache bot Peter E. Bodmer, Projektdelegierter des Regierungsrates und Gesamtkoordinator Hochschulgebiet Zürich Zentrum, einen Überblick über die laufende Planung: 2001 bis 2005 entstand der Masterplan Hochschulgebiet. 2010 startete die Entwicklungsplanung Unispital/Uni. 2011 wurde die Standortfrage geklärt bzw. beschlossen, dass die universitäre Medizin im Zentrum bleiben soll. Daraufhin wurde der Masterplan überarbeitet.
Uni, ETH und Universitätsspital meldeten ihre Bedürfnisse an, und die Interessensabwägung startete. «Um alle Interessen unter einen Hut bringen und die Lehre, die Forschung und die medizinische Versorgung gleichermassen stärken zu können, müssen wir das Gebiet städtebaulich neu gestalten», stellte Peter E. Bodmer fest. Er betonte aber auch, der Masterplan bilde lediglich den Rahmen, der wiederum als Grundlage für den Richtplan diene, der im Kantonsrat diskutiert werde. Nach der Festsetzung des Richtplans 2016 könnten die Architekturwettbewerbe für die erste Etappe ausgeschrieben werden.
«Bilder sagen mehr als viele Worte», hob der nächste Redner, Regierungsrat Markus Kägi, an. Und betonte umgehend, alle zurzeit vorhandenen Bilder vom geplanten Hochschulgebiet steckten lediglich «die Spielräume ab»… Sodann präsentierte er den unterdessen weitherum bekannten, da offenbar an jeder Infoveranstaltung gezeigten Kurzfilm, in dem die animierten Bauklötze nur so in den Himmel wachsen und ein Hochhaus nach dem andern gen Himmel strebt.
40 Prozent Verdichtung seien jedoch «kein Gigantismus», beruhigte er: «Es geht lediglich darum, Planungssicherheit im Hinblick auf ein maximales Szenarium zu schaffen.» Am Standortentscheid werde denn auch «nicht mehr gerüttelt». Der Baudirektor beschwor auch noch den Geist von Alfred Escher und Gottfried Semper herauf: Die Kronenbauten von Uni und ETH seien damals «Quantensprünge» gewesen; jetzt sei es wieder Zeit für «Mut zur Grösse, für einen grossen Wurf».
«Besser in die Höhe als in die Breite»
Ein Podium mit sechs Teilnehmern – das ist zuviel des Guten: Das sagte sich offensichtlich die Moderatorin Esther Girsberger. Ergo bat sie einen um den andern nach vorne und stellte ihm kritische Fragen. Zuerst kam Regierungsrat Markus Kägi dran. Er verteidigte den fixen Standortentscheid mit den Worten, er sei ja nicht von heute auf morgen gefällt worden. Die Abklärungen hätten ergeben, dass die geplante Entwicklung im Zentrum günstiger komme als Neubauten auf der grünen Wiese bzw. im Stettbach. Dass man einst mit 150 000 m2 rechnete, heute aber bereits über 300 000 m2 verplane, sei eine Notwendigkeit; es brauche diesen Platz.
Stadtrat André Odermatt sah sich als erstes mit der Feststellung der Moderatorin konfrontiert, bei diesem Projekt befehle der Kanton, und die Stadt habe nichts dazu zu sagen. Odermatt sah das naturgemäss anders: Der Stadtrat mische sich «massiv» ein und bringe seine Anliegen zur Sprache. Er habe Forderungen nach mehr Grün- und Freiräumen gestellt, und er bestehe auch auf vernünftigen Erdgeschossnutzungen, da er kein Hochschulgebiet wolle, in dem um 18, 19 Uhr die Lichter ausgingen. André Odermatt erwähnte auch noch die Verkehrserschliessung – diesbezüglich stehe die Stadt vor einer «Herausforderung».
Von einer drohenden «Manhattanisierung» wollte er aber nichts wissen: Einzelne «Hochpunkte» seien für die Stadtsilhouette verträglicher, als wenn man mehr in die Breite baute. Den FreundInnen des Denkmalschutzes gab er den Tipp, sie sollten «mal durchs Quartier gehen und schauen, was alles stehen bleibt».
Forschung via Kaffeemaschine
Den ehemaligen Stadtrat und heutigen Präsidenten des Spitalrats des Unispitals, Martin Waser, fragte die Moderatorin, warum es über den künftigen Standort des Spitals keine Volksabstimmung gebe. Das sei ein guter Punkt, scherzte Waser, denn «zum Triemli sagten seinerzeit 90 Prozent der Stimmenden Ja, und ich würde wetten, dass das beim Unispital ähnlich wäre». Als nächstes hob er nichtsdestotrotz eindringlich hervor, das Spital gehöre zum Leben in der Stadt – und damit auch ins Zentrum. Vor allem aber hätten die BefürworterInnen einer Volksabstimmung in Staatskunde nicht aufgepasst: «Uns fehlt schlicht die Kompetenz, eine solche anzuordnen.»
Der Rektor der Uni, Michael Hengartner, erklärte, die oft als Argument fürs Hochschulgebiet Zürich Zentrum gebrachte «Nähe zwischen Forschung und Lehre» sei keineswegs eine zürcherische Zwängerei. Auch in Boston befänden sich das Massachusetts Institute of Technology und Firmen wie Novartis an der gleichen Strasse: «Wenn sich die Leute aus verschiedenen Bereichen bei der Kaffeemaschine treffen können, beflügelt dies die Forschung.» Den grossen Flächenbedarf begründete er damit, dass mehrere Bereiche, die heute ausgelagert seien, zurück ins Zentrum geholt werden sollen. Die Institutionen brauchten somit nicht einfach mehr Fläche, sondern mehr Fläche an einem Ort.
Für den designierten ETH-Vizepräsidenten und Professor für Verkehrssysteme, Ulrich Weidmann, ist der Standort im Zentrum «goldrichtig». Was das Sorgenkind Verkehr betrifft, erwähnte er seinen früheren Vorschlag einer S-Bahn-Station mitten im Hochschulgebiet. Eine solche wäre eine «phantastische Chance», doch darüber, ob sie realisierbar sei, entscheide der Bund. Auch ohne wäre die Mobilität «lösbar», befand er. Statt auf mehr Kapazität zu setzen, müsste man allerdings in erster Linie «das Potenzial unterschiedlicher Anfangszeiten ausschöpfen».
Ein Grüner stört den Gottesdienst
Markus Knauss, Gemeinderat Grüne, befand, er komme sich zwar wie der «Bölimaa» vor, «eher vorgeladen als eingeladen», doch er nehme den Job gerne an, hier «den Gottesdienst zu stören». Die über 300 000 m2 Fläche deutete er dahingehend, dass bislang bloss alle ihre Schubladen geleert hätten, ihnen aber leider niemand gesagt habe, es sei nicht alles nötig, was sie gern haben möchten.
Angesichts der um ihn herum geplanten Volumina würde der eigentlich imposante Häfeli-Moser-Steiger-Bau des Spitals künftig «wie Kunst am Bau» wirken, fuhr er fort. Auch der geplante Sternwartpark komme eher als «Bonsai-Park in einem Lichthof» daher. Die Leute, denen solches auffalle, würden damit vertröstet, sie könnten dann ja Einsprachen machen: «Das deutet nicht darauf hin, als würden sie tatsächlich ernst genommen und einbezogen». Was schliesslich die Mobilität betreffe, heisse es stets, die Leute sollten zu Fuss, mit dem Velo oder dem öV anreisen: «Man rechnet mit Spitzenwerten von 500 Velos zusätzlich – aber von geplanten Velowegen ist weit und breit nichts zu sehen».