Herzige Demokratie

Postenschacher und Gegengeschäfte sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil österreichischer Politik. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich das zwar immer wusste, es war ja kein Geheimnis, aber nie so richtig verurteilte. Nicht mal Ibiza-Strache fand ich dramatisch schlimm, mehr so typisch. Die Ereignisse der letzten Tage haben mich diesbezüglich ein wenig verunsichert.

 

Es ist vielleicht doch nicht nur einfach herzig österreichisch. Es ist korrupt. Worüber Strache in Ibiza noch feucht-fröhlich fantasierte, hat die Entourage des nun abgetretenen Kanzlers Kurz offensichtlich längst umgesetzt. Via Geld für Inserate wurden eine positive Berichterstattung erkauft und Umfragen manipuliert. Inseratekorruption heisst das. Vermutlich war ich auch einfach naiv zu meinen, dass in der österreichischen Politik gar nicht so falschgespielt wird. 

 

Seit über 20 Jahren bin ich mehr oder weniger durchgehend auf irgendeiner föderalistischen Ebene mit Politik beschäftigt. Und ich frage mich, ob bei uns auch so beschissen wird. Bin ich ebenso naiv, wenn ich meine, dass dem nicht so ist? Um unseren Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, arbeiten viele ziemlich viel. Hintergrundgespräche mit JournalistInnen, Beziehungsaufbau mit Medienschaffenden, wir suchen Verbündete über alle Parteigrenzen hinweg, pflegen Netzwerke, überzeugen, überreden, kämpfen. Von links bis rechts. In unserem ebenfalls kleinen Land kennen zwangsläufig irgendwann alle alle. Man hat gemeinsam gearbeitet, studiert, man war zusammen in diesem oder jenem Rat und Ausschuss und der Grad dieser Vernetzung ist manchmal von Filz nicht auf den ersten Blick zu unterscheiden. Aber Filz ist noch kein Beschiss, sich gut kennen noch keine Korruption. 

 

Was ich hier ebenfalls gelernt habe: Demokratie ist ein Wettbewerb der Ideen, nicht der Menschen. Als ich irgendwann begriff, dass diese Demokratie deshalb im besten Fall nichts anderes sein kann als demokratisch, fand ich Frieden. Sie muss nicht spannend, nicht spektakulär, nicht sexy sein. Ich verstand, dass in einer Demokratie einer oder eine allein in der Regel keine grosse Rolle spielt. 

 

Überall dort aber, wo eitle Menschen innerhalb eines eigentlich demokratischen Systems Allmachtfantasien haben und sie um jeden Preis auch umsetzen wollen, scheitert dieses Konzept. Die an der österreichischen Staatskrise beteiligten Männer geben ein übles Bild ab. Die Chats, die jetzt teilweise veröffentlicht und noch ausgewertet werden, zeigen Kurz als skrupellosen Machtmenschen und Thomas Schmid als überdrehten Strippenzieher auf Kokain, wie ihn keine Netflixserie besser hätte erfinden können. Aber es sind Männer, die sich vor allem auch überschätzen. Die Journalistin Cathrin Kahlweit schreibt dazu im ‹Tages-Anzeiger›: «Kurz hat kein ‹Regime› installiert, auch wenn er vielleicht davon geträumt hat. Die ÖVP-Geschichte ist viel armseliger: Eine kleine Gruppe hat sich mit teils betrügerischen Mitteln und einem Sonnyboy als Frontmann zu Rettern und Reformern stilisiert, hat mit Themen wie Migration und EU-Kritik Stimmung gemacht, sich handwerklich viele Fehler geleistet, hat zwei Koalitionen gesprengt und zweimal Wahlen gewonnen. Ein holpriger Weg, auch wenn das Ganze zeitweilig von aussen hübsch aussah. So geht Populismus in Österreich.»

Das wiederum tönt dann doch irgendwie herzig. Wenn da nur nicht die Demokratie wäre, die durch diese kleine Gruppe in grossem Ausmass beschädigt worden ist. 

 

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