Heizkosten und Getränkekartons

Der Zürcher Gemeinderat möchte, dass die Stadt alle erreicht, die Anspruch auf einen Heizkostenzuschlag haben. Zu reden gab auch ein Vorstoss der Grünen fürs Recyclen von Getränkekartons.

Zu Beginn der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend hatte Ratspräsidentin Sofia Karakostas gleich drei Rücktritte zu vermelden, und zwar von Nadia Huberson (SP), Mischa Schiwow (AL) und Josef Widler (Die Mitte). Für die bereits zurückgetretene Nicole Giger (SP) nahm Leah Heuri erstmals Platz im Ratssaal.

Mit einem dringlichen Postulat wollte die AL-Fraktion geprüft haben, ob der Stadtrat «die Frist zur Einreichung des Antrags für eine Energiekostenzulage für das laufende Jahr einmalig erstrecken» könne. David Garcia Nuñez erinnerte daran, dass der Stadtrat das ursprüngliche Postulat seiner AL vom April 2022, das der Rat im Mai 2023 überwies, rasch umgesetzt und damit diese «wichtige Errungenschaft» ermöglicht habe (siehe auch P.S. vom 15. September). Zwar seien gegen 60 000 Menschen angeschrieben worden, doch das Antragsformular auszufüllen sei kompliziert, und die Frist sei knapp angesetzt gewesen. Es hätten sich nur rund 20 000 gemeldet, «viel zu wenige». Dabei seien angesichts der «explodierenden» Krankenkassenprämien, der steigenden Mieten und des geringeren Lohns viele Menschen auf diese Beiträge angewiesen. Deshalb müsse die unterdessen abgelaufene Eingabefrist für 2023 erstreckt und den Bezugsberechtigten ein Reminder geschickt werden. Der Stadtrat solle sich auch kulant zeigen, wenn jemand noch nicht alle Unterlagen parat habe, die mit dem Antrag einzureichen seien.

Die Ablehnung der SVP begründete Samuel Balsiger unter anderem damit, weil «Mitte-Links» am «Technologieverbot» festhalte, sprich, keine neuen AKW wolle, müssten sie nun «fremdes Steuergeld umverteilen». Sie müssten den Leuten Geld zahlen an Ölheizungen, dabei wollten sie doch den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Das sei «irrwitzig». Sebastian Vogel (FDP) erklärte, seine Fraktion bleibe «in der Sache weiterhin dagegen», doch sie anerkenne, dass die Frist zu kurz gewesen sei. Deshalb enthielten sich die Freisinnigen der Stimme. Hannah Locher (SP) sagte, die Energiekostenzulage sei ein «wichtiger Beitrag für Haushalte mit geringen Einkommen», die bereits unter gestiegenen Mieten und Krankenkassenprämien litten. Auch die SP begrüsse es, wenn der Stadtrat prüfe, ob sich die «sehr kurze» Frist noch erstrecken lasse. Es gehe darum, dass möglichst alle Menschen erreicht würden, die bezugsberechtigt seien. Für die Mitte hielt Josef Widler fest, diese Zulage sei vor Kurzem erst beschlossen worden, jetzt müsse man nicht schon wieder «daran herumflicken». Samuel Balsiger versuchte in einem weiteren Votum, die Grünen damit zu provozieren, dass sie Nein stimmen müssten, wenn Öl und Gas derart verheerende Auswirkungen aufs Klima hätten, wie sie stets behaupteten: «Wenn Sie jetzt nicht Nein stimmen, machen sie sich total unglaubwürdig.» Die Grünen beherrschten sich, dafür entgegnete ihm David Garcia Nuñez, wer nicht das Glück habe, ein Haus zu besitzen, müsse mit der Heizung leben, die sein:e Vermieter:in zur Verfügung stelle: «Was Sie den armen Leuten sagen ist, ‹friert doch einfach›!»

Sozialvorsteher Raphael Golta gab zum Schluss noch bekannt, dass bereits rund 20 000 Gesuche eingegangen seien – und dass ein Gesuch längst nicht immer gleichzusetzen sei mit einer Person, weshalb man «deutlich mehr Menschen» erreicht habe. Zudem habe man diese Übung ja zum ersten Mal gemacht, und dafür sei es «nicht schlecht gelaufen». Die Stadt sei bereits kulant, was die nötigen Unterlagen betreffe, und auch das Formular sei nicht übermässig kompliziert. Kurz: Der Stadtrat nehme das dringliche Postulat gern entgegen, auch wenn es «ein bisschen spät» sei. Mit 60 gegen 36 Stimmen (von SVP, Mitte/EVP und GLP) bei 18 Enthaltungen (der FDP) überwies der Rat das Postulat. Dann war das Geschäft erledigt – fast: Mit einer persönlichen Erklärung «zum Angriff auf uns» meldete sich mit Dominik Waser doch noch ein Grüner zu Wort: Die Grünen seien «schon seit Jahrzehnten für den Ausstieg aus den Fossilen, doch die SVP hat diesen stets blockiert». Deshalb hätten noch viele Menschen eine solche Heizung und Probleme mit gestiegenen Kosten, verursacht durch die Ablehnung des Ausstiegs durch die SVP: «Wir wollen keine asoziale, sondern eine soziale Klimawende.»

Vermeiden oder recyclen?

Mit einer Motion verlangte die Grüne-Fraktion die Einführung eines flächendeckenden Getränkekartonrecyclings. Selina Walgis führte aus, ihre Fraktion fordere nur, «was schon längst überfällig» sei: Immerhin habe die Stadtbevölkerung mit über 90 Prozent Ja-Stimmen die Kreislaufwirtschaftsinitiative angenommen. Bei den Getränkekartons gebe es «noch viel Luft nach oben», in Zürich werde nur ein sehr kleiner Teil davon recycliert. Dabei liesse sich dadurch viel des Holzes einsparen, das für die Kartonproduktion nötig sei. Zudem könne man beim Recycling auch den Plastik- und Aluanteil der Kartons rausholen. Stadträtin Simone Brander fand den Vorstoss «eine gute Sache» – der Stadtrat wolle ihn aber nur als Postulat entgegennehmen, weil sich ein gesamtschweizerisches System fürs Kunststoffrecycling abzeichne, unter das auch Getränkekartons fielen. Michael Schmid (AL) hingegen erklärte, dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft entsprechend müssten solche Verpackungen erstens vermieden, zweitens wiederverwendet und erst drittens recyclet werden. Johann Widmer (SVP) sagte, es brauche keine staatliche Organisation, die Indus­trie habe das Problem bereits an die Hand genommen. FDP und GLP wollten den Vorstoss nur als Postulat überweisen. Die Grünen stimmten der Umwandlung ihrer Motion in ein Postulat zu, und mit 95:22 Stimmen (von SVP und AL) wurde es überwiesen.

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