(Bild: Julie Folly)

Heimat?

Enkelin sucht im Dorf der Ahnen nach den Ursachen für den Rückzug des Glaubens.

Gerüchteweise soll ein katholischer Priester, einst vor den Kommunisten aus Südvietnam geflüchtet, wenige Jahre nach Amtsantritt in den Freiburger Voralpen Suizid begangen haben. Ein Paradox. Eva-Maria Bertschy folgt für «Fremde Seelen» vielen Handlungssträngen: Der vermeintlichen Geschichte hinter der Schlagzeile im Dorf, dem Fluchtverlauf des anonymisierten Priesters, der allgemeinen Veränderung der Deutungsmacht seit Grossmutters Zeiten, und lässt diese Erzählstränge wiederum vom katholischen Kongolesen und Musiker Kojak Kosskamvwe aus seiner Perspektive einer Einordnung unterziehen. Sämtliche Rollen übernimmt Carol Schuler, die den drohenden Ernst des Spiels immer wieder in brechtscher Weise bricht. Sie hat auch die Leadstimme in den Gospelgesängen, die mit einem neunköpfigen Chor wiederum in Richtung eines kirchlichen Ritus drängen. Letztlich erkennt das Stück in sämtlichen Zeugnisberichten aus allen Weltregionen die Gemeinsamkeit einer Leerstelle in einem Heimatgefühl. Die Schlussfolgerung, dies ginge mit einem Verlust des (institutionalisierten) Glaubens einher, ist zum einen gewagt, da tendenziös und zum anderen eine fürs Theater Neumarkt ausser­ordentlich rückwärtsgewandte Sehnsucht. Denn zurück zum Leben wie zu Grossmutters Zeiten kann ernstgenommen niemand wirklich wollen. Die Suche nach Erläuterungen, die einen Suizid als tatsächliche Handlung bekräftigen könnten, wird zuweilen auch anmassend, wenn sie beginnt, über Beweg- respektive Rechtfertigungsgründe zu spekulieren. «Fremde Seelen» bleibt auch vom Licht her ein Tappen im Dunkeln, wogegen der reinen Lehre nach der Glauben helfen soll, insofern ist das Werk in sich stimmig. Der Versuch einer Mixtur aus ländlicher Konnotation und betont modernistisch wirkender Form widerspiegelt womöglich die vielen inhaltlich ausgeführten zu vollbringenden Spagate, die als Gemeinsamkeit zuletzt jener der Heimatleerstellen den Rang ablaufen.

«Fremde Seelen», bis 28.9., Theater Neumarkt, ZH.