Hauptsache ein ‹Unternehmer›?
Die nationalen Wahlen vom 18. Oktober stehen vor der Tür, doch nur einen Monat später werden die Zürcher Stimmberechtigten bereits wieder an die Wahlurne gerufen: Am 22. November kommt es zur Kampfwahl um das Amt des Statthalters.
Bezirksrat Mathis Kläntschi (Grüne) will ebenso Statthalter und somit Präsident des Bezirksrats werden wie Roger Tognella, der Fraktionspräsident der FDP im Gemeinderat. Während Kläntschi auf die Unterstützung der SP zählen kann, wird Tognellas Kandidatur von SVP, CVP und GLP unterstützt. In der Medienmitteilung der Grünliberalen heisst es unter anderem, Tognella verfüge über ein «hervorragendes Netzwerk in der stadtzürcherischen Politik»; er überzeuge durch seinen beruflichen Hintergrund als Unternehmer und durch seine Führungserfahrung. Die FDP selbst wirbt damit, Tognella sei ein «pragmatischer Brückenbauer, der auch bei schwierigen Entscheiden einen Kompromiss findet».
Angestellter mit eigenen Firmen
Angesichts dieser Vorschusslorbeeren liegt es auf der Hand, einen Blick auf Tognellas Lebenslauf zu werfen, der im August zusammen mit der Medienmitteilung zur Bekanntgabe seiner Kandidatur verschickt wurde. Gemäss dieser Auflistung hat der gelernte Elektromonteur 1996 die R. Tognella GmbH mit dem Zweck «Aufbau einer KMU für Messtechnik und Kontrolle von elektrischen Anlagen» gegründet und 2003 die Firma Prey AG übernommen. Der Zweck letzterer ist gemäss Eintrag im Handelsregister (Statutenänderung vom 7.3. 2003) umschrieben mit «Übernahme von Handelsvertretungen sowie Projektierung, Verkauf, Montage und Unterhalt von elektrotechnischen Anlagen (…)». Gleichzeitig wurde das Aktienkapital von 600 000 auf 100 000 Franken reduziert.
Von 2008 bis 2012 war Tognella erst Projektleiter und sodann Regionalleiter Ost der Eltop der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich. Während dieser Tätigkeit für den Kanton behielt er seine beiden auf demselben Gebiet tätigen Firmen – womit sich die Frage nach allfälligen Interessenskonflikten stellt. Darauf angesprochen, winkt er jedoch ab: «Ich bin zwölf Jahre lang selbstständig gewesen. Als ich zur EKZ ging, liefen die beiden Firmen jedoch ohne Geschäftstätigkeit weiter. Die Messtechnik und der Unterhalt von elektrotechnischen Anlagen haben zudem kaum etwas mit der Neuorganisation einer Abteilung der EKZ beziehungsweise der Leitung einer Installationsregion zu tun.» Nach einem kurzen Zwischenspiel bei der Etavis AG, Niederlassung Zürich, ist Tognella seit Oktober 2013 «Mitglied der Geschäftsleitung, Projektleiter und Prokurist Elektroingenieurbüro Forster AG Kloten». Seine eigene GmbH ist laut Handelsregister immer noch aktiv, nicht aber die Prey AG.
Wegen Organisationsmangels liquidiert
Zur Prey AG finden sich im Handelsregister etliche Einträge; interessant sind insbesondere die jüngsten: Am 9. Mai 2015 teilte Tognella dem Handelsregisteramt mit, er sei «per heute» aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten und entziehe der Firma gleichzeitg das Geschäftsdomizil – dessen Adresse identisch war mit seiner Privatadresse. Am 21. Mai fällte das Handelsgericht des Kantons Zürich sein Urteil in Sachen «Handelsregisteramt des Kantons Zürich (…) gegen Prey AG (…) betreffend Organisationsmangel»: Bei der Beklagten, der Prey AG, liege «ein schwerwiegender Organisationsmangel» vor. Sie verfüge über «keine gesetzmässige Revisionsstelle (…), keinen eingetragenen Verzicht auf die (eingeschränkte) Revision (…), keinen (gesetzmässigen) Verwaltungsrat (…)». Gestützt auf die Klage des Kantons Zürich bzw. des Handelsregisteramts sei der Beklagten Frist zur Behebug des Mangels angesetzt worden; diese sei aber ungenutzt verstrichen: «Androhungsgemäss ist die Beklagte aufzulösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anzuordnen (…).» Dem Handelsregister ist sodann noch folgendes zu entnehmen: «Mit Urteil vom 21.05.2015 hat das Handelsgericht des Kantons Zürich die Gesellschaft aufgelöst und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs gemäss Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR angeordnet. Das Konkursverfahren ist mit Urteil des Konkursrichters vom 29.07.2015 mangels Aktiven eingestellt worden.»
Lieber bei andern aufräumen?
Bleibt die Frage, ob ein Unternehmer, der seine eigene Firma nicht regelkonform organisieren konnte, wirklich der richtige Mann ist für ein öffentliches Amt, das Aufsichts- und Rechtsmittelinstanz ist? Die Frage bringt Roger Tognella nicht im Geringsten aus dem Gleichgewicht: « Sie haben das falsch verstanden, es geht nicht um eine Organisation, sondern um eine Liquidation. Die Firma Prey AG stand ja bereits seit 2008 still. Sie hatte keine Mitarbeitende, es war kein Material vorhanden, sie war eine reine Handelsgesellschaft. Das Gesetz regelt ausdrücklich diese Art der Auflösung eines Unternehmens. Niemand kam durch die konkursrechtliche Liquidation zu Schaden und nur das war für mich entscheidend. Deshalb war dieser Weg der Liquidation auch legitim und sinnvoll.»
Dem Handelsregister ist allerdings auch zu entnehmen, dass in den letzten Jahren mehrere Revisionsstellen der Prey AG ihren Rücktritt einreichten; eine begründete dies damit, ihr seien «trotz Abmahnung» die Jahresabschlüsse nicht eingereicht worden. Eine andere schreibt, «wir haben den Eindruck, dass wir lediglich zum Zwecke der Bereinigung des Organisationsmangels gewählt wurden, ohne die tatsächliche Absicht, die entsprechenden Jahresrechnungen revidieren zu lassen». Auch das sei kein Problem, sagt Tognella: «Natürlich kann man der Meinung sein, ich hätte die Firma schon früher auflösen müssen. »
Präsident auf Zeit
Dass es in den Augen von Laien trotz allem so aussehen mag, als bewerbe sich hier einer für ein verantwortungsvolles Amt, der es mit der buchhalterischen Ordnung nicht so genau nimmt und sich nicht mal um die ordentliche Liquidation seiner Firma bemüht hat, glaubt Tognella nicht. Und dass er sich erst kürzlich zum Präsidenten des Vereins E-Mobil Züri hat wählen lassen, der die Elektro-Formel-1 nach Zürich holen will – ein Amt, das er im Falle seiner Wahl zum Statthalter sogleich wieder abgeben müsste –, nimmt er ebenso gelassen: «Wer mich kennt, weiss, dass ich ein Mensch mit vielen Interessen bin und mich lieber nur kurzzeitig für etwas engagiere, was mir Freude macht, als gar nicht.»