«Hat die Axpo ein Problem, haben die Kantone eines»

Der letzte Woche diskutierte Vorstoss der Grünen prallte an der Kantonsratsmehrheit zwar ab, doch sie fordern weiterhin mehr Transparenz zum «finanziellen Grossrisiko Axpo». Die Gründe dafür erklärt Mit-Interpellant Robert Brunner im Gespräch mit Nicole Soland.

 

Ihre Interpellation im Kantonsrat forderte vom Regierungsrat eine Sonderprüfung der Axpo, doch die Bürgerlichen sehen keinen Grund dafür: Malen die Grünen schwärzer als nötig?

Robert Brunner: Fairerweise muss man sagen, dass Alpiq und BKW noch vor der Axpo zusammenkrachen würden – was natürlich auch keine beruhigende Perspektive ist… So oder so: Wir Grünen aus den Axpo-Kantonen tauschen uns regelmässig aus, und wir sind uns einig, dass alle drei genannten Firmen insofern mit Grossbanken vergleichbar sind, als sie «too big to fail» sind.

 

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Die Liquidität der Axpo hat in den letzten Jahren stark abgenommen. An der Jahresmedienkonferenz wurde hauptsächlich der Wertverlust thematisiert. Das operative Geschäft laufe gut, hiess es gleichzeitig. Tatsächlich ist die Lage bei der Axpo komfortabler als bei der Alpiq. Aber das ändert nichts daran, dass ein Unternehmen normalerweise nicht wegen Änderungen bei der Bewertung zugrunde geht, sondern weil keine Liquidität mehr da ist.

 

Im Kanton Zürich erwägt der Regierungsrat gemäss seinem Beschluss Nr. 1188, die Axpo-Aktien ins Finanzvermögen zu verschieben. Was wäre daran schlecht?

Auf den ersten Blick wäre es ein schönes Geschenk, denn damit hätten wir eine der beiden Milliarden, die uns für den mittelfristigen Ausgleich fehlen, bereits hereingeholt. Doch die Refinanzierung im Finanzvermögen ist vermutlich nicht referendumsfähig: Die Regierung müsste den Kantonsrat nicht mehr fragen, ob sie die Axpo refinanzieren dürfe oder nicht.

 

Im erwähnten Beschluss sagt der Regierungsrat aber, der Kanton hafte lediglich mit seinen 68 Millionen Franken Aktienkapital.

Das Risiko ist viel grösser, wie der Fall Swissair gezeigt hat: Dort hatte der Kanton nicht einmal Aktien, und dennoch musste er der Swiss ziemlich viel Geld hinterherwerfen.

 

Der Regierungsrat erzählt also einen Mist?

Es gibt die Sonntagsreden, und es gibt das richtige Leben. In letzterem betreiben Alpiq, BKW und Axpo Schlüsselinfrastrukturen  – nicht die Swissgrid. Denn wenn es nichts zu verteilen gibt, braucht es auch kein Stromnetz. Systemrelevant ist auch der Betrieb der Kraftwerke. Der Standard im Kanton Zürich ist aktuell so hoch, dass jeder EKZ-Kunde alle zehn Jahre einmal für zehn Minuten mit einem Stromausfall konfrontiert wird. Nehmen wir mal an, Alpiq ginge Konkurs: Dann müsste ab der ersten Minute eine Auffanggesellschaft parat sein. Das wird schwierig: Es gibt zwar Katastrophenübungen des Bundes, über die uns Regierungsrat Kägi zu informieren pflegt. Aber wer im geschilderten Fall was machen müsste, was es kostete und an wen die Rechnung zu schicken wäre, weiss niemand. Was der Regierungsrat im Beschluss 1188 abhandelt, ist nicht das ganze richtige Leben.

 

Dort sind Endkundenpreise, die unter den Gestehungskosten liegen, bereits Realität…

Für PrivatkundInnen ist der Markt noch nicht geöffnet; sie zahlen die Preise, die ihr Stromlieferant bestimmt. Die Gestehungskosten für Strom aus AKW und Wasserkraft bewegen sich, wenn man eine Vollkostenrechnng macht, in der Grössenordnung von 5 bis 7 Rappen pro kWh. GrossverbraucherInnen wie unser Familienunternehmen zahlen im freien Markt für Schweizer Wasserstrom, so sie langfristige Verträge abschliessen, etwa die Hälfte davon. Auf noch tiefere Gestehungskosten kommt man nur mit abgeschriebenen Laufkraftwerken; sie haben das, was man ein «goldenes Ende» nennt. Davon kann bei AKW hingegen keine Rede sein, denn die Kosten für die Nachrüstung erhöhen die Preise. Dieses Problem hat die Axpo bei den AKW Beznau I und II sowie beim Kraftwerk Linth/Limmern, das jetzt in Betrieb geht: Diese Objekte binden Kapital in Milliardenhöhe.

 

Letzteres ist ein Pumpspeicherkraftwerk: Lohnt sich das überhaupt noch?

Aus Pumpspeicherkraftwerken verkaufte man früher über Mittag teuren Strom nach Norditalien. Heute bricht die Photovoltaik die Mittagsspitze. Das weiss man natürlich nicht erst seit gestern, doch in den 1990er-Jahren herrschte in der Strombranche Euphorie, man hat auf gut Deutsch verdient wie blöd und mit stetigem Wachstum sowie stark zunehmendem Stromverbrauch gerechnet. Sonst hätte die Axpo wohl kaum nochmals ein solches Projekt in Angriff genommen.

 

Glaubt man den Bürgerlichen, ist der Strommarkt wegen der europäischen Subventionen für erneuerbare Energien vom Goldesel zum schwierigen Pflaster geworden.

Die Förderung erneuerbarer Energien war und ist nicht nur in der Schweiz gedeckelt, sondern auch in unsern Nachbarländern. Doch je günstiger die Photovoltaik wurde, desto mehr Panels kamen auf die Dächer. Und der Grund dafür, dass sie immer billiger wurde, liegt darin, dass die Chinesen in den Markt eingestiegen sind: In China belegen Photovoltaik-Systeme unterdessen riesige Flächen. Dadurch sanken logischerweise die Produktionskosten. Die Ursache für die heutige Situation ist aber die billige Kohle und die Überkapazität.

 

Die im Auftrag von Greenpeace Schweiz erstellte Profundo-Studie gibt den Schweizer Stromanbietern im europäischen Vergleich schlechte Noten: Anscheinend waren andere vorausschauender unterwegs als Axpo und Co.

Die Strommarktliberalisierung hat in Europa die Stromproduzenten unterschiedlich erwischt, je nach Kraftwerkportfolio. Der geöffnete Markt und die Konkurrenz für die Oligopolisten hat den Markt massiv verändert, so dass heute Überkapazitäten bestehen. Zudem sind Investitionen in Energieeffizienz lohnend, das wurde unterschätzt.

 

Aber so vorausschauend zu geschäften, dass man potenzielle Konkurrenz rechtzeitig wahrnimmt und sich darauf einstellt, gehört doch zu den Grundlagen, die alle Unternehmen beherzigen müssen.

Für Kleine wie unser Familienunternehmen stimmt das: Bricht mein Umsatz plötzlich ein, weil ein Konkurrent, von dem ich nichts mitgekriegt habe, im grossen Stil meine Kundschaft abzügelt, dann habe ich ein Problem mit meiner Bank. Bei Axpo und Co. hingegen ist es umgekehrt: Haben sie ein Problem, haben die Kantone eines. Während mir meine Bank den Geldhahn zudrehen und ich mit unserer Firma Konkurs gehen würde, können die Kantone eine Axpo nicht Konkurs gehen lassen. So gesehen konnte es sich die Axpo leisten, die längste Zeit mit völlig unrealistisch hohen Wachstumsprognosen zu kalkulieren und noch bis vor wenigen Jahren vor einer drohenden ‹Stromlücke› zu warnen, die den Bau von zwei oder gar drei neuen AKW nötig mache.

 

Davon ist sie immerhin abgekommen…

Die Axpo hat zwar das geplante Pumpspeicherkraftwerk Lago Bianco noch gestoppt, aber sie hätte auch die Nachrüstung von Beznau I und II stoppen können. Doch sie ist offensichtlich über ihre eigene Atomgläubigkeit gestolpert. Wenigstens ändert das nichts daran, dass sich der Markt bereinigen wird. In Deutschland ist das schon gut sichtbar; so will beispielsweise der Stromkonzern Vattenfall seine Kohlekraftwerke verkaufen, während andere ihre AKW früher vom Netz nehmen wollen als ursprünglich geplant. Auch dazu muss man allerdings anmerken, dass diese Entwicklung nicht erst gestern startete und somit voraussehbar gewesen wäre.

 

Und was soll der Regierungsrat nun tun? Wie lauten Ihre Forderungen?

Wir fordern in erster Linie mehr Transparenz bezüglich der Werthaltigkeit der Axpo. Die Kernkraftwerk-Beteiligungsgesellschaft AG mit Sitz in Bern, die zu gleichen Teilen der Alpiq, der BKW und der Axpo gehört, besitzt beispielsweise 15 Prozent der Aktien des AKW Fessenheim – und niemand weiss etwas davon. Wir wissen nicht genau, was die Axpo macht. Wir hören, sie hat eine Abwertung um drei Milliarden Franken gemacht, erfahren aber nicht, wofür genau; sicher unter anderem wegen des Projekts Linth-Limmern, aber weshalb sonst noch, wissen wir nicht wirklich.

 

Was spricht dafür, die AKW-Beteiligungen aus der Axpo auszugliedern und separat abzuwickeln?

In Deutschland wird diskutiert, ob sich die grossen AKW-Betreiber zusammen mit dem Staat in Treuhandgesellschaften einkaufen sollten, deren Zweck die Stillegung ist – ein Vorgehen nach demselben Muster wie das Auslagern von faulen Krediten in eine ‹Bad Bank›. Würde das so gelöst, dann wären die deutschen AKW-Betreiber fein raus – während Axpo, Alpiq und BKW in der Kostenschätzung, die alle sechs Jahre vorgenommen wird, weiterhin steigende Kosten für die Stilllegung einberechnen und damit einen weiteren Standortnachteil in Kauf nehmen müssten. Es sei denn, wir schaffen ebenfalls eine ‹Bad Bank›.

 

Sie möchten auch, dass der Kanton den Gründungsvertrag der NOK kündigt: Was würde das bringen?

Statt eines reinen Aktionärsbindungsvertrags, wie es der Gründungsvertrag ist, bräuchten wir ein erneuertes Konkordat oder gar keines. So, wie es im Moment aussieht, lassen die Kantonswerke die Axpo fallen nach dem Motto, «rette sich, wer kann». Es braucht aber auch einen Strategiewechsel: Wir müssen alles daran setzen, die EKZ über Wasser zu halten.

 

Sind die denn auch gefährdet?

Denen geht es sehr gut. Aber wir könnten jetzt einen Beitrag dazu leisten, dass es ihnen auch in Zukunft noch gut geht. Es wäre auf jeden Fall vernünftiger, als gutes Geld schlechtem Geld nachzuwerfen – doch darauf läuft es hinaus, wenn wir die Axpo retten müssen. Wenn man den Regierungsratsbeschluss 1188 liest, dann müssen wir auch über die Eigentümerstrategie für die EKZ diskutieren. Da wird sich aber wohl niemand getrauen, die EKZ zu privatisieren.

 

Hat dereinst nicht jedes Einfamilienhaus seine eigene Stromversorgung via Solarpanels?

Was funktioniert, sind Solarpanels für Gebäude mit hohem Eigenverbrauch. Das Kühllager unserer Firma hat eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach: Scheint die Sonne, läuft der Stromzähler rückwärts, scheint sie nicht, läuft er vorwärts, und wir zahlen den EKZ die Differenz. Ein Einfamilienhaus hingegen hat nicht den ganzen Tag hindurch einen konstanten Verbrauch. Ein Netz braucht es weiterhin, und es ist auch klar, dass die Netzkosten steigen werden: Wir haben einen Investitionsstau in der Schweiz, und etliche Leitungsprojekte sind seit Jahren durch Einsprachen blockiert. Eine Leitung von den Windkraftanlagen vor der Nordseeküste bis zu uns wäre schon heute eine gute Sache, doch das ist sowohl von der Länge, den Kosten wie auch von den nötigen Absprachen mit der EU her ein Projekt, das sich nicht auf die Schnelle verwirklichen lässt.

 

Wenn der Strombedarf dank besserer Geräte sowieso sinkt, ist das doch nicht so schlimm.

Wir dürfen die ganze Elektromobilität nicht ausblenden: Sie wird in den nächsten Jahren vermutlich zunehmen. Umgekehrt sind Elektroautos, die in der Garage stehen, auch eine Art Speicherseen. Wie sich Geräte als temporäre Stromspeicher und zur besseren Verteilung der Energie brauchen lassen, ist zurzeit noch ein Thema für SpezialistInnen, doch die Forschung läuft auf Hochtouren. Alles in allem hat die Energiewende aber auch etwas Schönes.

 

Was denn?

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Sie bringt die Demokratisierung auf einem Gebiet, auf dem wir bislang von Oligopolisten abhängig waren. Diese älteren Herren mit bürgerlichem Parteibuch – ein Alibi-Linker war natürlich auch noch dabei – trafen sich in Hinterzimmern, strichen ihre Tantiemen ein und bestimmten in Eigenregie, wie sie unsern Strom produzierten und was wir ihnen dafür bezahlen mussten. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.