Halbstark

Es wird häufig gesagt – und ja, ich habe es auch schon getan – dass die Medien wichtig sind für die Demokratie. Aber in dieser Verkürzung ist das nicht ganz wahr. Medien haben in der Vergangenheit (und auch in der Gegenwart) immer wieder eine eher unrühmliche Rolle gespielt. Sie waren Propaganda-Instrumente, haben Stimmungen geschürt, die öffentliche Meinung manipuliert oder Falschmeldungen verbreitet. Die Medien – ob in klassischer oder moderner Form – sind also nicht per se Garanten für die Demokratie. Aber es sind gerade diese Gründe, die zu den Gründungen der öffentlich-rechtlichen Sender in Europa geführt haben oder zur Regulierung der Medien in den USA. Die BBC ist dazu das Vorbild, sie wurde in den 1920er-Jahren gegründet und sollte unabhängig und gebührenfinanziert sowohl Informationen wie auch Unterhaltung anbieten. In der Nachkriegszeit etablierten die Alliierten in Deutschland die öffentlich-rechtlichen Sender als Mittel zur Demokratisierung. In der Schweiz ist die SRG als privatrechtlicher Verein organisiert, der aber einen öffentlichen Auftrag erfüllt. Dies auch aus der Überlegung, dass eine faktenbasierte, pluralistische und ausgewogene Berichterstattung in Ergänzung zu den privaten Medien tatsächlich wichtig ist für die Demokratie.

Gleichzeitig sind die öffentlichen Medien seit Jahren unter politischem Dauerbeschuss von rechts. In der Schweiz begann das schon in den 1970er-Jahren, als sich der Historiker und SVP-Nationalrat Walter Hofer mit dem sogenannten Hofer-Club auf die SRG einschoss, der er Linkslastigkeit vorwarf. In den letzten Jahren wurde dies aber zum zentralen politischen Punkt verschiedener Rechtsparteien in Europa, auch der SVP, wie Dennis Bühler und Priscilla Imboden in der ‹Republik› aufzeigen. Das Ziel der Übung: Die pluralistische Berichterstattung zu schwächen und zu diskreditieren. Im besten Fall zu zerstören und zu ersetzen durch Medien, die nur noch die eigene Meinung transportieren.

Wir erleben im Moment eine generelle Medienkrise, eine Schwächung des Journalismus. Gleichzeitig sind autoritäre Regime auf dem Vormarsch. Die Ursachen der Krise sind vielfältig: Die herkömmlichen Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, die Bedürfnisse der Konsument:innen haben sich rasant gewandelt. Dahinter steht die technologische Entwicklung, der Aufstieg der Plattformen, der amerikanischen Techgiganten, die den Medien sowohl die Werbegelder wie auch die Aufmerksamkeit der Menschen entziehen. Gleichzeitig funktionieren sie nicht wie herkömmliche Medien, übernehmen keine Verantwortung für die Inhalte, sind nicht an journalistische Prinzipien gebunden. Und so sind da journalistische Inhalte neben Progaganda und Fake News zu finden. Deren Unterscheidung wird mit fortschreitender Entwicklung der künstlichen Intelligenz nur noch schwieriger werden. Die Medienkrise ist damit auch zur Vertrauenskrise geworden. Den klassischen Medien wird immer weniger geglaubt, immer weniger vertraut, aber die Alternativen sind nicht besser.

Diese Medienkrise hat schon zum Abbau bei klassischen Medien geführt, zur Einstellung von Titeln. Die Zukunft ist ziemlich ungewiss, zumal es durchaus auch Verleger gibt, denen das Geldverdienen näher steht als der Journalismus. Die Service-Public-Medien bleiben damit Garanten für einen kritischen Journalismus. Die Tech-Oligarchen, die sich teilweise mit den rechten Kräften verbinden, destabilisieren die klassischen Medien, zwecks Sicherung der eigenen Macht und des eigenen Reichtums, mit einer Mischung aus Überwachung und Kontrolle, Desinformation, Sucht und Spielen, wie es der österreichische Verleger Armin Turnherr treffend formulierte. Denn die Tech-Oligarchen wollen in erster Linie, dass die Nutzenden möglichst lange auf der Plattform verweilen, radikalisierungsverstärkende Algorithmen sind ein Mittel dazu.

Diese Zeit würde daher eigentlich danach rufen, die SRG zu stärken. Es passiert allerdings das Gegenteil. Das stete Trommelfeuer von rechts, flankiert von gewissen privaten Verlegern zeigt seine Wirkung. Die SRG wird auch bei einer Ablehnung der Halbierungsinitiative geschwächt. Die Gebührensenkung, die Mitinitiant Albert Rösti veranlasst hat, zwingt die SRG dazu, 17 Prozent ihres Budgets zu sparen. Das geht nicht ohne empfindliche Einbussen, die gerade diejenigen ärgern werden, die zur SRG stehen. Jetzt ist die SRG zusätzlich eine Vereinbarung mit dem Verlegerverband eingegangen, bei der die SRG vor allem gibt und der Verlegerverband nur jenes vereinbarte, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Nämlich die Halbierungsinitiative abzulehnen.

Letzte Woche ist eine Studie der Universität Fribourg erschienen, die bestätigt, was eine Studie der Universität Zürich etwas früher schon festgestellt hat, nämlich dass die SRG den Privaten nicht schadet. Im Prinzip wäre die Ankündigung der Zusammenarbeit durchaus positiv zu werten. Denn, dass es eine gewisse Zusammenarbeit über die Mediengrenzen hinaus gibt, ist sinnvoll, zumal die Profiteure einer Schwächung in erster Linie die Tech-Giganten sind. Warum dies aber nur gehen soll, wenn gleichzeitig die SRG digital geschwächt wird, ist mir nicht einsichtig. Die Vereinbarung hat daher zu einem gewissen Kopfschütteln geführt. Mindestens bei der FDP wurde sie gut aufgenommen. Wie wertvoll dann die Hilfe der Verleger ist – die TX-Gruppe mit Pietro Supino ist bekanntlich ausgeschert –, wird sich zeigen.
Ob sich die SRG politisch und kommunikativ immer geschickt verhält, ist also durchaus diskussionswürdig. Ob sie an den richtigen Orten kürzt und auf die richtige Zukunftsstrategie setzt, durchaus auch. Es ist ein bisschen die Krux für die SRG-Befürworter:innen insbesondere von links, dass ihre Stimmen auch ein bisschen für selbstverständlich genommen werden. Aber bei aller Kritik ist eine geschwächte SRG nicht in unserem Inte­resse. Sie bleibt eine Garantin für die mediale Abdeckung aller Regionen und aller Landesteile und ist damit wichtig für eine nationale Identität und den Zusammenhalt, für die Idee Schweiz, die idée suisse, wie sich die SRG auch einmal nannte.

Die SP hat einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, der leider nur für wenig Echo sorgte: Sie schlug vor, dass die SRG-Gebühr durch eine Mehrwertsteuerabgabe von 0,4 Prozent ersetzt würde. Natürlich ist eine Mehrwertsteuererhöhung nicht sonderlich populär, und sie wird auch im Moment für andere Zwecke vorgesehen. Im Vergleich zu der jetzigen Gebühr ist die Mehrwertsteuer sozialer, sie würde auch die Haushalte entlasten und auch die – bei den Bürgerlichen unbeliebte – Unternehmensabgabe abschaffen, ohne der SRG Mittel zu entziehen. In einigen Jahren hätte die SRG damit sogar noch mehr Geld. Dass auf den Antrag kaum eingegangen wurde, zeigt auch, dass die Entlastung von Haushalten und Unternehmen nicht das vordringlichste Ziel der SRG-Kritiker:innen ist, sondern die Schwächung der SRG.