Gute Neuigkeiten, schlechte Neuigkeiten

Michelle Obama sprach von «etwas wunderbar Magischem», einem «vertrauten Gefühl, das schon viel zu lange tief vergraben war». Dabei meinte sie die Hoffnung. Nun ist es natürlich kein Zufall, dass Michelle Obama am Kongress der Demokraten in Chicago von Hoffnung sprach, schliesslich war das eine der zentralen Botschaften des Wahlkampfs von Barack Obama 2008. Aber sie sprach damit auch etwas an, was der Saal und auch viele andere Menschen fühlen: Mit der Kandidatur von Kamala Harris kommt für die Demokraten die Hoffnung auf, im Wahlkampf Donald Trump besiegen zu können. 

Ich habe einige Kolumnen geschrieben, die wenig Hoffnung versprühten. Weder für die Schweizer Politik noch für die Weltlage. Aber tatsächlich keimt auch bei mir etwas Hoffnung auf. Nicht, dass die Mehrheiten in Bundesbern in den kommenden Wochen und Monaten viel Spielraum für vernünftige Politik ermöglichen. Sondern, dass die Weltlage vielleicht nicht ganz so düster sein muss, der Rückschritt nicht unumgänglich scheint. Zuerst die Wahlen in Frankreich, in denen die Linke im zweiten Wahlgang doch noch reüssierte. Und jetzt vielleicht Kamala Harris.

Ob sie gewinnt, ist freilich noch sehr offen. Die Umfragen sind knapp und man weiss aus der Vergangenheit, dass Donald Trump mehr mobilisieren kann, als ihm zugetraut wird. Dazu kommt, dass die US-Wahlen mit dem Elektoren-System Trump einen Vorteil verschaffen, weil dies ländlichen Gebieten überproportionales Gewicht zukommen lässt. Und ausserdem: Harris hat bis anhin in ihrem kurzen, aber heftigen Wahlkampf noch keine Fehler gemacht. Dass sie aber in den nächsten Wochen weiterhin komplett fehlerlos bleiben wird, wäre wohl eine zu übermenschliche Erwartung. 

Die erste Gelegenheit für einen Fehler bietet das anstehende Interview mit Journalistin Dana Bash auf CNN. Harris wurde medial in den letzten Wochen immer wieder kritisiert, dass sie, seit sie Kandidatin wurde, weder Pressekonferenzen abhält noch Interviews gibt. Das ganze wird natürlich eifrig auch befeuert von der Trump-Kampagne. Die Gründe für ihre Medienabstinenz sind zum einen banal, zum anderen strategisch. Der banalste, aber wohl auch einleuchtendste Grund ist, dass die gute Frau nun mal recht beschäftigt ist. Zum einen ist sie noch Vizepräsidentin, zum anderen musste sie innerhalb kürzester Zeit eine Kampagne aus dem Boden stampfen, einen Vizepräsidentschaftskandidaten aussuchen und auf Wahlkampftour gehen. Zum zweiten, auch das ist banal, sind ihre Erfahrungen nicht nur positiv. Zu Beginn ihrer Zeit als Vizepräsidentin gab sie ein etwas unbeholfenes Interview, dass ihr auch jetzt wieder um die Ohren gehauen wird. 

Aber es steckt auch eine klare Strategie dahinter, die Presse aussen vor zu lassen, die ich als Politikerin nachvollziehen kann und als Journalistin für problematisch halte. Am demokratischen Parteitag wurden zudem rund 200 Influencer eingeladen, die unter weit vorteilhafteren Bedingungen arbeiten konnten als die klassischen Medien, was viele Journalist:innen auch eher betupfte. Damit reagieren die Demokraten auf eine Entwicklung, die seit Jahren fortschreitet: Auf die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Medien. Das ist beleibe kein amerikanisches Phänomen, sondern weltweit zu beobachten, auch hier in der Schweiz. 1976 – kurz nach dem Watergate-Skandal – hatten 72 Prozent der amerikanischen Öffentlichkeit Vertrauen in die Medien, heute sind es noch 32 Prozent. 78 Prozent der Amerikaner über 65 erhalten ihre Informationen nach wie vor aus den Medien. Bei 30- bis 49-Jährigen sind es noch 55 Prozent. Bei unter 30-Jährigen sind es weniger als die Hälfte. Die Zahlen mögen nicht identisch sein in anderen Ländern, aber der Trend ist überall gleich. Immer mehr Menschen konsumieren keine Medien und keine News mehr. 

Über die Gründe der Medienkrise haben ich und andere schon viel geschrieben, aber eine der Auswirkungen, die sich zeigt, ist, dass jene, die die Möglichkeiten haben, die Medien zu umgehen, diese immer mehr nutzen werden. Warum den Umweg über die Medien gehen, sich vielleicht unbequeme Fragen antun, wenn man über die eigenen Kanäle direkt zu den Wähler:innen sprechen kann? 

Vor einigen Jahren habe ich die These aufgestellt, dass die Entwicklung weggeht von den Forumsmedien wieder hin zu den Parteizeitungen, beziehungsweise zu Publikationen mit eindeutiger Haltung. Auf der einen Seite des politischen Spektrums ist dies tatsächlich passiert. Auf der rechten Seite gibt es ein grosses und funktionierendes und vielfältiges Medienökosystem, das von der Qualitätszeitschrift bis zu ‹alternativen› Medien reicht und damit die politische Diskussion und den Diskurs in der verbleibenden Forumspresse prägt. Links der Mitte hingegen sieht es viel desolater aus – und die Tendenz geht dahin, direkt zu kommunizieren. Denn so können auch die Inhalte kon­trolliert werden. Das rechte Medienökosystem ist zwar klar verortet, aber es ist eben nicht reine Parteipropaganda, auch eine ‹Weltwoche› oder ein ‹Nebelspalter› bewahren sich einen Funken Unberechenbarkeit. Was es letztlich interessanter macht, als es die pure Parteikommunikation ist.

Tatsächlich sind die Medien nicht mehr die alleinigen Vertreter:innen der Öffentlichkeit und sie entscheiden auch nicht mehr alleine, was stattfindet und was nicht. Aber Journalismus ist mehr als Verlautbarung, er ist der Wahrheit verpflichtet, der Aufklärung und der Fairness. Und sich auch kritischen Fragen stellen zu können, gehört für Politiker:innen zum Jobprofil. Oder sollte wenigstens dazu gehören.

Dass sich Politik und Medien immer mehr entfremden, nachdem sie lange eine teilsymbiotische Beziehung hatten, kann man aber nicht allein der Politik vorwerfen. Auch die politische Berichterstattung müsste sich einige kritische Fragen gefallen lassen. Wie relevant sind jene Skandälchen, die clickbaitartig zuweilen hoch- und voneinander abgeschrieben werden? Wie fundiert ist eine Politikberichterstattung, die selten vor Ort ist und über die meisten Geschäfte, die in Parlamenten behandelt wird, gar nicht berichtet? Gibt es einen Hang zu einer falschen Ausgewogenheit, wenn man beispielsweise die Existenz des Klimawandels als etwas darstellt, wo man dafür oder dagegen sein kann?

TX Group hat diese Woche bekannt gegeben, dass bei Tamedia 300 Stellen abgebaut werden soll. Davon 210 im Bereich der Druckereien, 90 in den Redaktionen. Der Abbau wurde in der Zeitung als «Weichenstellung für den Qualitätsjournalismus» dargestellt, was aber niemand glaubt, schon gar nicht die Leser:innen. Wohlgemerkt macht dieser Bereich keinen Verlust, sondern lediglich zu wenig Gewinn. So wird der Journalismus wohl tatsächlich keine Zukunft mehr haben. Ob mit oder ohne Mithilfe der Politik.