Grundfunk statt Rundfunk 

In Rumänien hat der parteilose, rechte Kandidat Calin Georgescu die Präsidentschaftswahl gewonnen. In einem aufsehenerregenden Urteil hat aber das rumänische Verfassungsgericht die Wahl annulliert. Die Begründung: Es gäbe zahlreiche Hinweise, dass die Wahlen durch russische Akteure insbesondere auf der Plattform TikTok manipuliert wurden. Zudem habe Georgescu illegalerweise russische Gelder für den Wahlkampf angenommen. Mittlerweile hat die EU ein Verfahren gegen TikTok eröffnet. Dabei soll geprüft werden, ob der chinesische Konzern genügend gegen die Einmischung von ausländischen Akteuren bei Wahlen vorgeht. Die Inhalte von Calin Georgescu wurden auf TikTok – so der Vorwurf – gezielt verstärkt und verbreitet. TikTok bestreitet die Vorwürfe. Die Annullation der Wahlen ist in Rumänien natürlich hoch umstritten: Während es die einen für richtig halten, die Wahlen zu wiederholen, empfinden die anderen das Urteil als Angriff auf die Demokratie.

In den USA soll TikTok gar verboten werden aus Gründen der nationalen Sicherheit. Die chinesische Regierung würde via TikTok Einfluss nehmen. TikTok solle nur noch in den USA angeboten werden, wenn die App einen amerikanischen Besitzer bekommen würde. Donald Trump ist in der Sache unschlüssig, war er einst für ein Verbot, so ist er jetzt dagegen, was sich aber auch wieder ändern könnte. Denn die Firma Bytedance, der TikTok gehört, überlegt sich, das US-Geschäft an Elon Musk zu verkaufen.

Derweil in Österreich: Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp ärgert sich über einen Artikel der Tageszeitung ‹Der Standard›. «5 gute Jahre, wenn es mit diesem ‹Scheissblatt› endlich vorbei ist», schreibt Nepp auf X mit dem Hashtag #presseförderungnurnochfürechtequalitätsmedien. Ebenfalls im Visier der FPÖ: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Geleakte Chats aus den Jahren 2018 und 2019 zeigen, wie die FPÖ in der damaligen Koalitionsregierung gezielt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angreifen wollte: «Wir müssen sie abschiessen», hiess es da beispielsweise. Dazu braucht es aber keine Geheimchats, denn die Strategie wird sehr offen kommuniziert. In ihrem Programm wettert die FPÖ gegen «Zwangsgebühren» und «Gesinnungsjournalismus». Das Ziel: die Haushaltsgebühren abschaffen und den ORF zu einem «Grundfunk» schrumpfen lassen. 

Auch in der Schweiz gibt es Kräfte, die der SRG eine Schrumpfkur auferlegen wollen. Die vollständige Abschaffung der Haushaltsabgabe ist mit der «No-Billag-Initiative» krachend gescheitert. Die Neuauflage will die Gebühr nurmehr halbieren. Bundesrat Rösti ist den Initiant:innen bereits entgegengekommen. In eigener Kompetenz hat der Bundesrat die Verordnung zum Radio- und TV-Gesetz angepasst und will die Haushaltsgebühren senken, von 330 Franken auf 300. Zudem werden auch rund 80 Prozent der Unternehmen von der Abgabe befreit, weil die Schwelle des Mindestumsatzes erhöht wird. Das führt zu Mindereinnahmen bei der SRG von 120 Millionen Franken. Nimmt man den erhöht erwarteten Rückgang bei den Werbeumsätzen sowie die Teuerung dazu, hat die SRG bereits mit dem Plan Rösti 270 Millionen Franken Ausfälle. Das entspricht etwa 17 Prozent des heutigen Budgets. Dass dies nicht ohne Kürzungen bewältigt werden kann, ist klar. Die neue Direktorin Susanne Wille hat schon entsprechende Sparmassnahmen kommuniziert. Neu soll nach dem Willen einer Mehrheit der vorberatenden nationalrätlichen Kommission die Unternehmensabgabe vollständig abgeschafft werden. Sie sei – so FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt in der ‹Aargauer Zeitung› –, ein «ordnungspolitischer Sündenfall. Denn: Die Unternehmer und ihre Angestellten bezahlten die Abgabe auch in ihren Privathaushalten, also doppelt. Nach der gleichen Logik könnte man auch die Gewinnsteuer für die Unternehmen abschaffen, aber das wäre vermutlich ja auch der Wunsch der FDP. Dieses Geschenk für die umsatzstarken Unternehmen würde zusätzlich rund 170 Millionen Franken betragen. Sprich: Es wäre eine Gesamtkürzung von rund 450 Millionen Franken, was ungefähr einem Drittel des Gesamtbudgets entsprechen würde. Zusätzlich soll noch die Subsidiarität verankert werden, was ausgedeutscht heisst, dass die SRG zugunsten der Privaten auf attraktive Sportrechte verzichten und die unabhängige Beschwerdeinstanz UBI noch weiter gestärkt werden soll. Diese hat allerdings schon heute sehr umfassende Kompetenzen. Noch ist unklar, ob dieser Gegenvorschlag auch im Ständerat auf Gegenliebe stösst. Die zuständige Kommission wird dies nächste Woche beraten. Die Abgabe für Radio und Fernsehen betrug 2007 übrigens 462 Franken.

Die Schwächung der Medien – und dabei sind die Privaten und die Öffentlichen im gleichen Boot, auch wenn es gewisse Verleger noch nicht verstanden haben – ist eine gezielte politische Agenda. Armin Turnherr, Chefredaktor der Wiener Zeitung ‹Falter› zeichnet das in einem Beitrag eindrücklich auf, dass die modernen Massenmedien in Demokratien die Funktion einer «Agora» übernommen hätten, eines Marktplatzes der Ideen und der Meinungen. Aber schon immer hätten Medienoligarchen diese Stellung auch ausnützen wollen: Sie hätten Kriege befeuert, wie in den USA die Tycoons Hearst und Pulitzer, oder Diktatoren befördert, wie der Medienunternehmer Alfred Hugenberg, der eine zentrale Rolle beim Aufstieg Hitlers spielte. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden  als Reaktion in den USA die Presse reguliert und in Europa der öffentlich-rechtliche Rundfunk geschaffen. Dann wurde, gemäss Turnherr, im Zuge des Neoliberalismus der Wohlfahrtsstaat geschwächt. Und nach der Jahrtausendwende nahmen Techkonzerne  «die ‹alten›, analogen, sprich: demokratisch gesinnten Medien» ins Visier.  Mittlerweile sind die rechtslibertären Tech-Milliardäre alle am Hofe Trumps gelandet. Ob sie dies aus opportunistischen Gründen (wie beispielsweise Amazon-Gründer Jeff Bezos) oder aus echter Überzeugung (Elon Musk) tun, ist in der Wirkung irrelevant. Denn wie Turnherr schreibt: « Ihr Bestreben geht dahin, die Öffentlichkeit wieder auf vordemokratisches Niveau zu bringen. Öffentlichkeit soll nur das Wirken des digitalen Grosskapitals absichern und im Übrigen die Bevölkerung ruhigstellen. Die Herrschaft wird gesichert durch einen Mix aus Überwachung und Kontrolle, durch Desinformation, Sucht und Spiele. Das Ziel, die Öffentlichkeit auf vordemokratisches Niveau zu bringen, teilen sich die rechtslibertären Tycoons mit Putin und Xi, die sie mit Hackern und Medien wie TikTok destabilisieren.» 

Das Konzept einer «wehrhaften Demokratie», also einer Demokratie, die sich auch aktiv gegen die Feinde der Demokratie einsetzen muss, wurde in Deutschland als Reaktion auf den Nationalsozialismus geschaffen. Wie gut diese Resilienz funktioniert, zeigt sich aber nur, wenn sie angegriffen wird. Das gilt auch für die Schweiz, auch wenn sich diese als unangreifbar versteht. Denn wenn weder öffentliche noch private Medien über eine funktionierende Berichterstattung verfügen, gibt es wohl noch Meinungen, aber kaum mehr Fakten. Ob damit eine Demokratie funktioniert?