Grünes Hochhaus, rote Köpfe

Die UBS plant ein 108-Meter-Bürohochhaus, im Gemeinderat wird das Projekt dank SP-Unterstützung angenommen – zum Unmut der Jungen Grünen, die das Referendum ergreifen wollen. Die Gemeinderät:innen Angelica Eichenberger (SP) und Martin Busekros (Junge Grüne) im Streitgespräch mit Tim Haag zum UBS-Projekt und zur grundsätzlichen Hochhausfrage.
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Die UBS plant ein 108-Meter-Bürohochhaus, im Gemeinderat wird das Projekt dank SP-Unterstützung angenommen – zum Unmut der Jungen Grünen, die das Referendum ergreifen wollen. Die Gemeinderät:innen Angelica Eichenberger (SP) und Martin Busekros (Junge Grüne) im Streitgespräch mit Tim Haag zum UBS-Projekt und zur grundsätzlichen Hochhausfrage.

Die Jungen Grünen haben in ihrer Medienmitteilung gesagt, die SP unterstütze den Bau des UBS-Hochhauses, weil sie auf der Rooftop-Bar des Gebäudes 20-Franken-Drinks schlürfen wolle. Was hat es damit auf sich?

Angelica Eichenberger: Wir haben nie gefordert, dass das Hochhaus unbedingt eine Rooftop-Bar haben muss. Unser Hauptanliegen war, dass das Dachgeschoss länger als die vorgesehenen 25 Stunden pro Woche öffentlich zugänglich ist. Die Diskussion um die Rooftop-Bar kam hauptsächlich im Gemeinderat auf.

Wie viele Stunden sollen es denn werden?

A. E.: Das Projekt ist noch nicht in einem Stadium, in dem solche Details endgültig festgelegt werden können. Wir sehen jedoch die Möglichkeit, dass der  Stadtrat erneut verhandelt, sobald es um die konkreten Ausgestaltungen geht.

Martin Busekros: Sobald der Privatgestaltungsplan genehmigt ist, haben wir aber keine Möglichkeit mehr, Einfluss zu nehmen. Unser Hauptkritikpunkt ist nicht die Rooftop-Bar, sondern dass Hochbauvorsteher André Odermatt seine Prioritäten falsch gesetzt hat. Er hätte zum Beispiel mehr Druck für eine bessere Veloroute im Areal ausüben sollen.

A. E.: Der Gestaltungsplan Verwaltungszentrum 1 der UBS umfasst auch eine Dienstbarkeit und einen Landerwerb auf dem benachbarten Areal der UBS. Ohne diesen Gestaltungsplan würden auch der Bau und die Planung der öffentlichen Fuss- und Velowegverbindung wegfallen.

M. B.: Es gibt zwar einen sogenannten Veloweg, aber die vorgesehene 3,5 Meter breite Mischzone ist viel zu schmal. Das reicht nicht für Fahrräder in beide Richtungen und Fussgänger an einem der meistgenutzten Bahnhöfe des Landes.

A. E.: Ohne diese Verhandlungen gäbe es überhaupt keine Velowegverbindung. Die geplanten Velowege sind auf jeden Fall besser als die 80 oberirdischen Parkplätze, die derzeit auf dem Areal stehen.

Vielleicht noch einmal einen Schritt zurück. Braucht Zürich überhaupt weitere Bürohochhäuser?

A. E.: Die Frage ist leider nicht, ob es ein Hochhaus braucht, sondern eher: Was würde die UBS sonst machen? Sie dürfen bauen, sie wollen bauen und sie müssen keine Wohnungen bauen. An diesem Standort ist vielleicht ein Bürogebäude sogar sinnvoller, weil es durch den Bahnhof gut erschlossen ist. Und es gibt kein Wohngebiet rundherum, das durch Beschattung betroffen wäre. Hochhäuser und ihre Umgebung müssen attraktiv gestaltet werden, und hier könnte ein Bürohochhaus besser passen als ein Wohnhochhaus.

M. B.: Uns Jungen Grünen geht es nicht da­rum, dass die UBS ein Wohnhochhaus baut. Sie haben das Recht, innerhalb der Hochhausrichtlinien zu bauen – wir haben jedoch ein Mitspracherecht, weil sie mit dem Gestaltungsplan über diese Richtlinien hinausgehen. Und unser Punkt ist, dass wir in Zürich schon ein Ungleichgewicht zwischen zu vielen Arbeitsplätzen und zu wenigen Wohnungen haben. Wenn wir tausend weitere Arbeitsplätze schaffen, müssen wir auch entsprechend Wohnungen schaffen.

A. E.: Insgesamt sollen im Verwaltungszen­trum 1 und 2 dereinst 4500 Arbeitsplätze entstehen, das sind ungefähr 1500 mehr als heute. Diese Arbeitsplätze werden laut UBS jedoch nicht neu geschaffen, sondern bestehende Arbeitskräfte aus Zürich und der Umgebung werden an einem Ort konzentriert. Interessant wird die Frage, was mit den freiwerdenden Büroflächen passiert. Da müssen wir genau hinschauen, besonders wenn diese Flächen in Wohnzonen liegen.

Genau hinschauen, das tönt etwas vage.

A. E.: Es ist schwierig, da wir nur begrenzte Einflussmöglichkeiten haben, solange keine neuen Gestaltungspläne oder Arealüberbauungen vorgelegt werden. Ungenutzte Bürogebäude in Wohnzonen kann man generell umnutzen, aber die Dimensionierung ist eine Herausforderung. Solange wir keinen Einfluss durch das kantonale Planungs- und Baugesetz haben, bleibt es schwer.

M. B.: Die Diskussion über mögliche Wohnungen, die durch das Projekt entstehen könnten, ist höchst spekulativ. Ich wage zu bezweifeln, dass die UBS auf den freiwerdenden Flächen Wohnungen bauen wird.

A. E.: Und wenn, dann sicher keine günstigen. Da sind wir gleicher Meinung.

Dabei hätte die Stadt während der Erarbeitung des Masterplans mit der UBS doch eigentlich die Möglichkeit gehabt, eine Umnutzung der freiwerdenden Büroräumlichkeiten zu Wohnraum auszuhandeln.

M. B.: Wenn man sein Verhandlungskapital für die Rooftop-Bar verspielt, wird es natürlich schwierig, andere Dinge auszuhandeln.

A. E.: Wie bereits vorhin erwähnt, ging es im Gemeinderat nicht spezifisch um eine Rooftop-Bar, sondern um eine bessere öffentliche Zugänglichkeit des obersten Stockwerks. Wir würden uns auch über nichtkommerzielle Angebote freuen.

Das UBS-Hochhaus soll 108 Meter hoch werden, mehr als 30 Meter höher als durch die Hochhausrichtlinien ermöglicht. Macht die Stadt zu viele Ausnahmen, was Hochhäuser angeht?

A. E.: Die Hochhausrichtlinien sehen in bestimmten Gebieten höhere Gebäude vor. Es ist wichtig, dass wir uns diese Lagen genau anschauen und sicherstellen, dass die Infrastruktur und der öffentliche Verkehr die zusätzliche Belastung bewältigen können. Die Frage ist auch, ob diese höheren Gebäude sozialverträgliche Aspekte berücksichtigen und ob sie die Lebensqualität in den betroffenen Quartieren tatsächlich verbessern. Es geht darum, ein Gleichgewicht zu finden und die Stadtentwicklung sinnvoll zu steuern.

Grüne und AL haben sich im Gemeinderat gegen das Projekt ausgesprochen – wieso konnten Sie die SP nicht umstimmen?

M. B.: Ich denke, die Meinungen im Gemeinderat waren zu schnell gemacht. Wir haben zwar Gespräche geführt, aber am Ende liegt es in den Händen der SP, zu entscheiden, wie sie abstimmt.

Deckt die SP einfach ihrem Hochbauvorsteher André Odermatt den Rücken, oder stehen Sie wirklich mit ganzem Herzen hinter dem Hochhaus?

A. E.: Wir haben in der Fraktion ausführlich diskutiert und einen einstimmigen Beschluss gefasst. Wir machen das nicht für André Odermatt. Es ist jedoch positiv, dass die Hochhausrichtlinien von einem linken Politiker initiiert wurden – sonst hätte das Ergebnis noch ganz anders aussehen können.

Und umgekehrt: Müssten die Grünen als progressive Partei nicht auch mehr hinter Stadtrat Odermatt stehen? Ist das alles ein Stück grüner Populismus?

M. B.: Nein. Wir wissen alle, dass die Departementsvorsteher:innen im Stadtrat ziemlich freie Hand haben. Ich gehe davon aus, dass das Thema Hochhäuser die persönliche Agenda des Hochbauvorstehers ist, sein Fingerabdruck, den er auf der Stadt hinterlässt. Meiner Meinung nach ist dieser weder schön noch nachhaltig. Und ich verstehe nicht, wie Hochhausrichtlinien überhaupt im Sinne der Linken sein können. Wenn man ein über 100 Meter hohes Haus bauen kann, treibt das den Bodenpreis in die Höhe, obwohl nicht mehr Wohnraum geschaffen wird. In Hochhäusern entstehen niemals bezahlbare Wohnungen.

A. E.: Sie können bezahlbar sein, wenn sie von sozialen Wohnbauträgern gebaut werden.

M. B.: Selbst bei Kostenmieten sind die Wohnungen 10-20% teurer, wenn man in die Höhe baut.

A. E.: Einverstanden. Darum wollen wir auch nicht überall Hochhäuser.

M. B.: Aber warum überhaupt Hochhäuser fördern? Was nützen sie der breiten Bevölkerung?

A. E.: Es ist eine städtebauliche Form, die Abwechslung im Stadtgefüge bringen kann. Hochhäuser können punktuell Sinn machen, besonders für gewerbliche Bauten, wo man dichter bauen kann. Für Wohnhäuser ist es oft nicht die bevorzugte Wohnform.  Ich frage mich aber, warum du das Vorgehen der Stadt als Fördern interpretierst. Ich glaube nicht, dass die Stadtverwaltung den Bauherrschaften nahelegt, in den Hochhauszonen auf Biegen und Brechen Hochhäuser zu bauen. Der Wille, Hochhäuser zu bauen, kommt von den Bauherrschaften.

M. B.: Ich denke, der Drang, überall Hochhäuser zu bauen, kommt aus einem metropolistischen Gedanken der 1990er-Jahre, dass Zürich jetzt eine Grossstadt sei und die Stadt mit Hochhäusern grosse Unternehmen anlocken will. Mittlerweile läuft die Wirtschaft fast schon überhitzt. Wir leiden unter den Folgen, vor allem beim Wohnraum und dem verschwindenden Grünraum, weil alles verbaut und abgerissen wird. Zudem schliessen die Hochhausrichtlinien nach Planungs- und Baugesetz Verdichtung aus. 

A. E.: Grundsätzlich finde ich, kann man gerne diskutieren, ob es überhaupt Hochhäuser braucht. Wenn man aber Gebiete für Hochhäuser festlegt, ist es sinnvoll, Richtlinien zu haben, welche einen städtbauliche Qualitätssteigerung und eine soziale Verträglichkeit mit sich bringt. Die Richtlinien, werden dem Gemeinderat vorgelegt und wir haben die Möglichkeit, diese auch zu verschärfen.

Von der Grundsatzfrage zurück zum UBS-Hochhaus. Es wird aus nachhaltigen Materialien gebaut, mit einer Holzfassade, Kletterpflanzen, Photovoltaikanlagen. Wie viel ist an der nachhaltigen Bauweise wirklich dran und wie viel davon ist Greenwashing?

M. B.: Innerhalb der Hochhaus-Logik ist das Gebäude wirklich fortschrittlich. Jedes Betonteil, das man weglässt und durch Holz ersetzt, ist gut. Jede Photovoltaik-Installation, vertikal oder geneigt, ist super. Aber: Hochhäuser haben im Schnitt 30 Prozent höhere Emissionen, weil sie riesige Fundamente und mehr Installationen brauchen. Und in einem grösseren Rahmen betrachtet, ist es natürlich Greenwashing, wenn eine zukunftsfeindliche und in fossile Energien investierende UBS ihre dreckigen Geschäfte aus einem Solar- und Pflanzenturm betreibt.

Die SP hebt oft die Vorteile hervor, die das Hochhausprojekt für die Stadt- und Quartierentwicklung mit sich bringt. Was ist damit konkret gemeint?

A. E.: Wenn man sich die aktuelle Umgebung anschaut, ist sie weder besonders zugänglich noch attraktiv. Durch den Gestaltungsplan eröffnen sich jedoch Chancen, die Umgebung um beide Gebäude zu verbessern. Wichtig ist dabei, dass diese Verbesserungen tatsächlich der Öffentlichkeit zugutekommen. Zudem sollen Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, wie geeignete Bepflanzungen, berücksichtigt werden. 

M. B.: Die SP beobachtet, was passiert. Wir sammeln Unterschriften für ein Referendum, um zu verhindern, dass dieses Bürohochhaus gebaut wird.