Grüner und weiblicher

Die Wahlen im Kanton Zürich, die sich vor einem halben Jahr als ausgesprochen langweilig angekündigt hatten, endeten mit dem Grünen Martin Neukom in der Regierung, einem Kantonsrat mit ökologischer Mehrheit und mit einem Frauenanteil von 40 Prozent. GLP und Grüne gewannen, SVP (nur bedingt wegen der Klimawelle), BDP und FDP verloren insgesamt massiv, der Rest, also auch die SP, blieb stabil.

 

 

Bei einer üblichen Wahlbeteiligung von 33,5 Prozent (mit den normalen Schwankungen zwischen den Wahlkreisen) endeten sowohl die Regierungsrats- wie auch die Kantonsratswahlen mit einer deftigen Überraschung. Nicht nur ich gab noch vor einem halben Jahr Martin Neukom Null Chancen auf eine Wahl. Die Umfrage der NZZ im Januar deutete erstmals eine leichte Überraschung an. Er lag recht knapp hinter Thomas Vogel (FDP). Die ‹Tages-Anzeiger›-Umfrage einen Monat später verstärkte den Trend, er wurde zum Kandidaten mit leichten Wahlchancen. Die Umfrage sah Erfolge der Grünen und der GLP voraus und Rückschläge für die SVP und mehr oder weniger alle anderen. Die Wahlresultate bestätigten den Trend, allerdings in einem völlig anderen Ausmass: Martin Neukom schaffte die Wahl mit einem Vorsprung von 12 000 Stimmen auf Thomas Vogel und 5000 vor Natalie Rickli. Die Wahl ermöglichten stark die WählerInnen der Stadt Zürich, die ihn mit gut 20 000 Stimmen Vorsprung vor seinen beiden KonkurrentInnen auf den dritten Platz setzten.

 

Die Grünen und Martin Neukom verdanken ihren Erfolg einer konsequenten Entscheidung: Sie setzten vor gut einem Jahr ganz auf das Thema Klima und Umwelt. Der heisse Sommer und der warme Herbst mit den Niederschlägen und den Stürmen halfen und die Schülerstreiks entfachten eine Mobilisierung. Dazu kam, was beim Schreiben dieses Artikels mit Zahlen noch nicht unterlegt, aber sehr offensichtlich ist: Die rot-grüne Allianz funktionierte, der Block der Bürgerlichen nicht. Einzig Silvia Steiner von der CVP erhielt von allen Bürgerlichen Stimmen. Zwischen SVP und FDP geigte es zwar bis zum Flugblatt der SVP vor einer Woche mit einem Frontalangriff wegen des Rahmenabkommens zwischen den Parteispitzen und auch im Kantonsrat, aber die Basis mag sich – ähnlich wie vor einem Jahr in der Stadt Zürich – nicht speziell. Wie gut die rot-grüne Wählerschaft sich mag, zeigen die Spitzenplätze von Mario Fehr (der von überall viele Stimmen erhielt) und Jacqueline Fehr, sowie das ausgesprochen gute Ergebnis von Walter Angst, der in der Stadt Zürich auf den vierten Platz kam. Selbstverständlich ist die Klimawelle ein Grund für die Nichtwahl von Thomas Vogel: Aber nicht der einzige. Er und sein Bündnis begnügten sich mit der Forderung, alles solle bleiben, wie es ist, allenfalls etwas digitaler und mit tieferem Steuerfuss.
Der Grünliberale Jörg Mäder erzielte ein ehrenvolles Resultat, aber er leidet da­runter, dass er und seine GLP bisher nirgends richtig Anschluss fanden. Bei den anderen KandidatInnen, die vor allem als Zugpferde für die Kantonsratswahlen dienen sollten, ist die Frage offen, ob dies noch funktioniert: Podien finden immer weniger statt und das mediale Interesse konzentriert sich auf jene, die um die Plätze streiten.

 

 

SVP angeschlagen
Die Grünen und die GLP erzielten ihre Erfolge mit je 9 zusätzlichen KantonsrätInnen sicher auch dank der Klimawelle, die sie aktiv nutzten. Erst im Nachhinein wirklich sichtbar: Die Kandidatinnen schnitten in allen Parteien ausgesprochen gut ab. SP, Grüne und GLP haben in der neuen Amtsperiode eine Frauenmehrheit. Die Frauen schnitten aber auch bei den bürgerlichen Parteien gut ab. In der SVP etwa startete Nina Fehr Düsel als letzte der Bisherigen auf dem 5. Platz im Bezirk Meilen. Sie wurde Erste, obwohl sie im Kantonsrat eher zu den Stillen gehört. Aber sie setzt sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Kinder ein, was ganz offensichtlich auch SVP-WählerInnen passt. In der FDP verdrängte Angie Romero den Parteipräsidenten Hans-Jakob Boesch. Bei ihm mag dazu kommen, dass er mit seiner arroganten Art und seiner undifferenzierten Ideologie auch bei den eigenen Leuten nicht nur FreundInnen hat. Die Frauen wählen nicht unbedingt anders als die Männer und auch unter diesen finden nicht nur Linke, dass mehr Frauen im Kantonsrat an der Zeit wären. Aber man kann nur jene wählen, die auf der Liste stehen und da war das Angebot bei den Linken bis zur GLP einfach deutlich reichhaltiger.

 

Die SVP, die einen Sechstel ihrer WählerInnen und Kantonsratsmandate verlor, macht es sich einfach, wenn sie ihre Niederlage auf die Klimawelle zurückführt. Bei den Gemeinderatswahlen vor einem Jahr schnitt sie ziemlich genau gleich schlecht ab. Damals gewann vor allem die SP, jetzt die Umweltparteien. Mich erinnert der Einbruch der SVP an jene der SP im Jahr 2007, von dem sich die Partei immer noch nicht wirklich erholt hat. Es spricht einiges dafür, dass die SVP noch einige Zeit kleinere Brötchen backen muss: Ihr fehlen zugkräftige Themen und Personal. Ihr Parteipräsident Konrad Langhart mag kein Heuler sein und er verhielt sich nicht immer geschickt, aber an ihm liegt es nur ein bisschen, und ein anderes SRG-Programm, wie Albert Rösti meint, nutzt der Partei auch nicht gerade viel.
Die BDP schied wie erwartet aus dem Kantonsrat aus, weil ihr in keinem einzigen Wahlkreis der Schritt über die 5 Prozent Hürde gelang. In Andelfingen verpasste sie das Quorum nur um ganz wenige Stimmen. Die Gewinne und Verluste der anderen Parteien hielten sich in engen Grenzen, wobei der Freisinn wirklich von der Klimawelle und dem eigenen Verhalten vor allem beim CO2-Gesetz getroffen wurde.

 

 

Durchzogen bei der SP
Die SP kann sich am Glanzresultat ihrer beiden RegierungsrätInnen und an der Wahl von Martin Neukom freuen. Und sich sagen, dass sie sich im Kantonsrat mit dem Verlust eines Sitzes gerade noch hielt und sich im neuen Kantonsrat ganz neue und bessere Möglichkeiten bieten. Trotzdem bleibt ein Stachel zurück. Nicht nur, weil mit Jacqueline Peter, Eva-Maria Würth und Susanne Trost Vetter drei Kantonsrätinnen abgewählt wurden. Die Gemeinderatswahlen und die Abstimmungserfolge (Privatisierung, Wassergesetz) versprachen auch bei den Kantonsratswahlen Gewinne. Die SP schneidet im Kanton immer schlechter als in den Gemeindewahlen ab.
Aber diesmal waren die Differenzen grösser als auch schon. Dabei war es der neuen Parteiführung durch eine offene Diskussion gelungen, Mario Fehr und seine Kritiker­Innen wieder zu einem geregelten Miteinander zu führen. Zudem gelang ihr mit dem Referendum gegen das Wassergesetz ein echter Coup. In der Stadt Zürich verlor die Partei indes mit ihrem unglücklichen Agieren bei der Stadionfrage gegen die Hälfte ihrer Wählerschaft einiges an Glaubwürdigkeit. Die SP Schweiz hilft mit ihrer Politik beim Rahmenabkommen auch nicht gerade. Das Problem dabei sind nicht die unterschiedlichen Standpunkte, sondern dass die Parteileitung mauschelt und dämpft, statt dass sie die Diskussion offen austrägt.

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