Bild: Hannes Henz

Grosse Einigkeit am Grill

Der Zürcher Gemeinderat befasste sich an seiner fünfstündigen Sitzung mit Dauerbrennern von Verkehr bis Wurst.

An der letzten Sitzung des Zürcher Gemeinderats vor den Herbstferien verlas Oliver Heimgartner eine Fraktionserklärung der SP mit dem Titel «Der Mittelstand braucht dringend Entlastung». Für Stimmung, beziehungsweise Unmut bei der FDP, sorgte seine Bitte an Letztere, sich zu entscheiden, «ob die Stadt Zürich kurz vor dem Ruin steht, wie euer Stadtpräsidiumskandidat diese Woche der NZZ erklärte, oder ob das Geld für eine Steuersenkung um zehn Prozentpunkte vorhanden ist, wie es derselbe Kandidat vor ein paar Monaten seinen Wähler:innen versprochen hat». Und er fügte an: «Wir sind uns sicher, dass eine gewisse Klarheit diesbezüglich auch in den Chefetagen der Grosskonzerne an der Bahnhofstrasse – die ja bei einer Steuersenkung mit Abstand am meisten profitieren würden – erwünscht wäre, bevor sie über ihre Wahlkampfspenden an die FDP entscheiden.»

Samuel Balsiger verlas die Fraktionserklärung der SVP mit dem Titel «Steuererhöhungen und Zersetzung des Mittelstandes drohen» und brachte mal wieder die alte Geschichte von der «kleinen Gruppe von Günstlingen», die angeblich von «extrem teuren Zuwendungen» profitierten. Gemeint waren natürlich die «Geschenke», die «die linken Politiker» vor den Wahlen an ihre «Polit-Klientel» verteilten. Michael Schmid (FDP) sagte in seiner persönlichen Erklärung, die Fraktionserklärung der SP sei gar keine, nur Oliver Heimgartner habe sie unterschrieben, und der verbreite damit «Fake News». Er fügte an, im Gemeinderat hätten 30 Prozent gegen die Parkkartenverordnung gestimmt, am letzten Sonntag 47 Prozent, weshalb er bei den Wahlen mit plus 17 Prozent Wähleranteil rechne. Der Co-Fraktionspräsident der SP, Florian Utz, beruhigte ihn, es stehe sehr wohl die ganze Fraktion hinter der Erklärung, die ihr Parteipräsident verlesen hatte. Er finde es zudem «interessant», wie Schmid die FDP als «halbe Siegerin» dargestellt habe, nachdem sie erst Die Mitte für die Niederlage verantwortlich gemacht habe.

Nach mehreren persönlichen Erklärungen befasste sich der Gemeinderat doch noch mit der offiziellen Traktandenliste: Den Bericht der Ombudsstelle für das Jahr 2024 (siehe auch P.S. vom 23. Mai 2025) nahm der Rat einstimmig ab. Uneins war man sich erwartungsgemäss bei der Vorlage des Stadtrats, der für die Projektierung des Strassenbauprojekts Heimplatz einen Zusatzkredit von 1,517 Millionen Franken bewilligt haben wollte. Zusammen mit den bereits vom Stadtrat in eigener Kompetenz gesprochenen 1,734 Millionen beläuft sich der Projektierungskredit somit auf total 3,251 Millionen Franken. Kommissionssprecher Markus Knauss (Grüne) stellte die Vorlage vor. Er erinnerte an seine Motion von 2012, die das Ganze ins Rollen gebracht hatte und die der Rat 2017 überwies. Damit fasste der Stadtrat den Auftrag, dem Gemeinderat eine Vorlage zu präsentieren, die «eine gestalterische und verkehrsplanerische Aufwertung des Heimplatzes vorsieht, damit der Heimplatz den neuen Anforderungen als Platz der Künste und als Verbindung zwischen den Gebäuden des Kunsthauses und des Schauspielhauses genügt». Es folgte ein Studienauftrag, aus dem die Studie «Place Jardin» als Siegerin hervorging und zur Weiterbearbeitung empfohlen wurde. Mit dem ersten Kredit sei das Projekt weiterentwickelt worden, sagte Markus Knauss, und es sei insofern angepasst worden, als es mehr Bäume und entsiegelte Flächen gebe.

Für die Mehrheit der Kommission, die den Kredit befürwortete, fügte er an, die Platzmittengestaltung und die neuen Bäume seien gut, die Verbesserungen für Fussgänger und Velofahrerinnen «knapp genügend». Mit einem Begleitpostulat forderten Grüne, SP, GLP und AL zudem den Stadtrat auf, zu prüfen, wie bei der Gestaltung der Tramhaltestelle an der Rämistrasse die Tramgleise nach Osten verschoben werden könnten, «um eine verbesserte Führung von Zufussgehenden und Velofahrenden zu erreichen». Zusätzlich sei auf der Rämistrasse «mindestens im Bereich des Strassenprojekts Tempo 30 zu signalisieren». Für die Minderheit betonte Derek Richter (SVP), es handle sich beim Heimplatz um einen «zentralen Verkehrsknoten». Die Rämistrasse sei eine Hauptverkehrsstrasse, fügte er mit Verweis auf den Artikel 104 Absatz 2 der Kantonsverfassung, den berühmten Anti-Stau-Artikel, an. Und dass Tempo 30 die Bürgerlichen zuverlässig zum Schäumen bringt, ist kalter Kaffee. Die Debatte wurde dadurch auch dieses Mal weder kürzer noch durch fundamental neue Erkenntnisse bereichert, kurz: Mit 69:41 Stimmen (von SVP, FDP und Mitte/EVP) sprach der Rat den Projektierungskredit und überwies das Begleitpostulat mit 70:41 Stimmen.

Lokalkolorit am Wurststand

Gleich fünf Vorstösse, eine dringliche Motion sowie ein dringliches und drei «normale» Postulate hatten Flurin Capaul (FDP) und Ivo Bieri (SP) eingereicht. In allen ging es um die Wurst oder genauer um den Imbiss Riviera und das Bistro & Grill am See. Flurin Capaul legte sich mächtig ins Zeug: Es gehe um nichts weniger als die Frage, «wieviel Lokalkolorit verträgt Zürich?», hob er an. Dann schilderte er, wie der Betreiber des Imbiss Riviera den Stand 1982 übernommen habe, der nun bereits in zweiter Generation betrieben werde. Doch per Ende Jahr drohe das Aus. Die Auskunft des Stadtrats, dass auch der Kanton gegen eine Verlängerung der Bewilligung für den Imbiss sei, taxierte Flurin Capaul mit Verweis auf eine Anfrage im Kantonsrat als falsch: Es bräuchte nur den «politischen Willen» und ein Gesuch seitens der Stadt.

Dem widersprach Hochbauvorsteher André Odermatt, der zudem darauf hinwies, dass beide Kioske nicht nur wegen zu geringer – und nicht erweiterbarer – Fläche und dem Standort in der Freihaltezone, sondern auch wegen des Arbeitnehmerschutzes nicht mehr bewilligungsfähig seien. Sie seien nicht einmal «standortgebunden», fügte er mit Verweis auf den nahen Sternen-Grill an, wo es ebenfalls Wurst vom Grill gibt. Bereits in der Antwort des Stadtrats auf eine frühere schriftliche Anfrage von Flurin Capaul und Ivo Bieri ist zudem nachzulesen, das Leitbild Seebecken begrüsse zwar ein gastronomisches Angebot am Utoquai, jedoch in Form von «fliegenden Händlern» als Ergänzung zum bestehenden gastronomischen Angebot in der Umgebung. Unterstützung erhielt der Stadtrat nur von Grünen und Vertreter:innen der AL, womit schliesslich alle fünf Vorstösse an den Stadtrat überwiesen wurden.