- Gemeinderat
Gesundheit hat viele Facetten
Die Sitzung des Zürcher Gemeinderats fing für einmal ganz am Anfang an, am Anfang des Lebens sozusagen: Die Parlamentarier:innen hatten über den Neuerlass der Verordnung über die Entschädigung an Hebammen für Wochenbettpflege und Hausgeburten zu befinden. Die Vorlage geht auf ein dringliches Postulat von Florine Angele (GLP), Tanja Maag (AL) und drei Mitunterzeichner:innen zurück. Kommissionssprecherin Florine Angele (GLP) schickte voraus, letztes Jahr seien in Zürich etwa 4500 Kinder zur Welt gekommen, die meisten im Spital. Dort seien Mutter und Kind jedoch nur sehr kurz, und umso wichtiger seien deshalb die Wochenbettpflege und die Hebammen, die diese gewährleisten. Diese Pflege werde zwar durch die Krankenkassen finanziert, doch die Hebammen seien «andauernd auf Pikett», da sich Geburten nicht planen lassen. Die Stadt zahlt ihnen deshalb eine Pikettentschädigung, doch der entsprechende Stadtratsbeschluss datiert von 1997, beträgt 115 Franken pro Wöchnerin und wird nur freipraktizierenden Hebammen ausbezahlt. Seither habe sich viel verändert, fuhr Florine Angele fort, namentlich ist es Hebammen seit 2017 erlaubt, andere Hebammen anzustellen: «Das hat viele Vorteile, doch bis anhin erhielten die angestellten Hebammen keine Pikettentschädigung.» Mit dieser Vorlage werde das geändert, und gleichzeitig werde die Entschädigung der Teuerung angepasst und betrage neu 135 Franken. Zudem habe der Stadtrat weiterhin die Möglichkeit, die Entschädigung der Preisentwicklung anzupassen. Die Mehrheit stimme der Vorlage zu.
Obwohl mit Tanja Maag ein Mitglied der AL-Fraktion Mit-Urheberin des dringlichen Postulats war, vertrat die AL die Minderheitsposition. Moritz Bögli (AL) erklärte, weshalb: «Der Stadtrat ‹kann› die Entschädigung der Teuerung anpassen – er könnte sie also sogar der Negativteuerung anpassen.» Beim städtischen Personal hingegen wäre das nicht möglich, während die positive Teuerung automatisch angepasst werde. Per Änderungsantrag sollte die Formulierung «kann anpassen» geändert werden in «der Stadtrat passt an…».
Nicolas Cavalli (GLP) sagte, die Mehrheit wolle keinen Automatismus, zumal es sich nicht um einen Lohnbestandteil handle: «Der Vergleich mit dem städtischen Personal hinkt.» Für die Mitte-/EVP-Fraktion gab David Ondraschek (Die Mitte) Zustimmung zur Vorlage bekannt und präzisierte, seine Fraktion würde die Änderung begrüssen, stimme aber auch zu, wenn sie abelehnt werde. Nadina Diday (SP) hingegen erklärte, man habe den Hebammenverband konsultiert, in anderen Gemeinden seien die Beträge tiefer, und es werde schon befürchtet, dass Hebammen in die Stadt abwanderten. Es reiche, die Beträge jährlich zu überprüfen und eventuell anzupassen. Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri betonte, es werde der volle Teuerungsausgleich seit 1997 angepasst, wobei es sich um einen «recht tiefen Betrag mit recht grossem Zusatznutzen» handle. Weil ausser der AL- und der Mitte-/EVP-Fraktion niemand dem Änderungsantrag zustimmte, geht die Vorlage unverändert an die Redaktionskommission.
Soziale Rezepte…
Ebenfalls aus der ‹Küche› der AL stammten eine Motion für ein Pilotprojekt für das Ausstellen von «sozialen Rezepten» sowie ein Postulat für ein Pilotprojekt für sogenannte Freundschaftsbänke. Für beide Vorstösse hatte sich die AL im Ausland inspirieren lassen: Die sozialen Rezepte sind vor allem aus Grossbritannien bekannt. Es gehe darum, nicht allein klassisch medizinische Massnahmen zu treffen, sondern den Patient:innen auch Zugang zu sozialen Angeboten zu ermöglichen, sagte David Garcia Nuñez. Damit liesse sich nicht nur das Gesundheitspersonal und -system entlasten, sondern möglicherweise gar Kosten sparen. Er erwähnte auch, dass es sich um den zweiten Versuch handelt, denn die erste Vorlage hatte der Rat nicht abgeschrieben. Jetzt seien nicht nur 2,5 statt bloss 0,8 Millionen Franken vorgesehen, sondern auch mehr Vollzeitäquivalente, und mit der jetzigen Variante könne das Vorhaben «voll getestet» werden. Thomas Hofstetter (FDP) sagte, seine Fraktion habe schon beim ersten Mal abgelehnt. Hier handle es sich um die «Bewirtschaftung eines Luxusproblems». Pascal Lamprecht (SP) hingegen fand das Projekt «sehr sinnvoll». Nicolas Cavalli sagte mit Verweis auf gute Erfahrungen in Grossbritannien, seine Fraktion stimme zu, während Walter Anken (SVP) erklärte, David Garcia Nuñez wolle «unser Gesundheitssystem an die Wand fahren». Mit 84 gegen 34 Stimmen (von FDP und SVP) kam die Vorlage durch.
…und Freundschaftsbänke
Die Inspiration für die Freundschaftsbänke hatte David Garcia Nuñez aus Simbabwe geholt, im Postulatstext heisst es zur Idee dahinter folgendes: «Diese evidenzbasierte Intervention, die in Simbabwe entwickelt wurde, zielt darauf ab, das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität durch den Einsatz von Problemlösungstherapien zu verbessern, die von geschulten Laienhelfer:innen durchgeführt werden. Im Rahmen von mehreren Gesprächen können diese Personen jene Menschen, die sich auf die Bänke setzen, beraten.» Was Frank Rühli (FDP) mit den Worten kommentierte, die Situation in Simbabwe sei mit jener in der Schweiz nicht wirklich vergleichbar, während Walter Anken feststellte, es habe in Zürich jetzt schon 9200 Bänke, und überhaupt: «Bei uns im Emmental geht man in die Beiz und redet miteinander.» Mit 69 gegen 49 Stimmen (von SVP, FDP und GLP) kam das Postulat durch.
Schutz vor Hitzewellen
Zum Postulat von Samuel Balsiger (SVP) und Walter Anken, die den «Verzicht auf den elektronischen Bewerbungsprozess für Alterswohnungen» forderten, wunderten sich alle ausser der SVP, warum es nicht zurückgezogen wurde: Am Dienstag hatte der Stadtrat bekanntgegeben, dass der neue Vergabeprozess startet… Mit 104 gegen 12 Stimmen (der SVP) wurde es abgelehnt. Dafür stellte die SVP bei einem Postulat von Roland Hohmann und Monika Bätschmann (beide Grüne, letztere nicht mehr im Rat) den Ablehnungsantrag: Die beiden forderten zusammen mit acht Mitunterzeichner:innen einen «Massnahmenplan zum besseren Schutz der Bevölkerung vor den gesundheitlichen Risiken durch Hitzewellen». Während Roland Hohmann darauf hinwies, dass vor allem ältere Menschen, Kinder oder Schwangere unter Hitzewellen litten und dass das Sterberisiko bei über 35 Grad höher sei als bei einer Idealtemperatur von 22,5 Grad, erklärte Walter Anken, die Menschen wüssten selber, «wo es kühl ist». Zudem sei in der Vergangenheit ein SVP-Postulat für Klimaanlagen in Altersheimen abgelehnt worden. Aber auch Roland Hohmann hat ein gutes Gedächtnis – er erinnerte Anken daran, dass die Grünen zu jenem Postulat einen Änderungsantrag gestellt und es so angenommen hätten, doch die SVP habe den Antrag abgelehnt. Mit 84 gegen 34 Stimmen (von SVP und FDP) überwies der Rat das Postulat.