Geht nicht, gibts nicht

Wo die Liebe hinfällt, bleibt sie liegen. Wenn auch nicht unbedingt bequem, so doch immerhin nicht gelangweilt, wie Udo von Ooyens Inszenierung der Komödie «How to date a feminist» von Samantha Ellis genüsslich vorexerziert.

 

Christof Bühler baut eine Showbühne ins Paradies, womit schon vor dem ersten Auftritt klar ist, worums hier geht: die Gleichzeitigkeit von Unvereinbarem. Recht gehemmt und anfänglich auch unmotiviert stehen Steve (Lukas Waldvogel, alle Männerrollen) und Kate (Chantal Dubs, alle Frauenrollen) bei einer Mottoparty als Robin Hood und Wonder Woman dumm rum. Einen Grund, miteinander ins Gespräch zu gelangen, haben beide Neosingles überhaupt nicht, denn innerlich kauen beide noch am Schmerz des Verlassenwordenseins. Der Ort muss überschaubar sein, denn man kennt sich gegenseitig, weiss um die ehemaligen PartnerInnen und ist sich in der Essenz daraus eigentlich auch gar nicht grün. Doch in der Not… Die britische Autorin besiedelt ihr Stück mit Reissbrett-Archetypen, die sie in stereotype Konfliktsituationen manövriert, was Udo von Ooyen in eine Interpretation überführt, die alles überhöht, weil tief drin doch niemand nichts so todernst nimmt, wie die gelebte Attitüde den Anschein erweckt. Insbesondere sich selber nicht. Steve ist die personifizierte politische Korrektheit, immer total reflektiert und ein wandelndes Lexikon. Kate ein Girl, das auf Mistkerle steht, ihre innere Schönheit gerne auch via ihr Äusseres spiegelt und zur Erreichung ihrer Ziele keine Theorien benötigt. Zum Kuss kommts bloss aus Verlegenheit. Weil ihr Ex mit der Schwester seiner Ex rumknutscht, will sie nicht das Opfer geben – und ausser Steve steht eben niemand rum.

 

Dann gehts Schlag auf Schlag. Die beiden unvereinbaren Welten beginnen sich aneinander zu reiben, was extrem anstrengend ist, aber eben auch nicht komplett frei von Reiz. Sie beschliessen eine gemeinsame Zukunft mit allen bürgerlichen Konventionen, was beiderseits Überwindung kostet, den jeweils prägenden Elternteil davon in Kenntnis zu setzen. Wohl wissend, dass diese in ihren Weltbildern noch viel krasser auseinanderstehen als die beiden selbst. Die Kostüme von Eva Butzkies haben ein Faible für groteske Lachhaftigkeit. So gleicht Kates vierschrotiger Vater Joe dem Räuber Hotzenplotz mit Krönchen und Steves Kupfer-Wolle-Bast-Mum Morag demonstriert ihre friedensbewegt-feministische Überzeugung mit dem gesamten Wesen. Beide Elternteile sind grosszügig darin, ihre Vorurteile gegenüber dem/der anderen in einer ziemlich direkt beleidigenden Herablassung zu äussern, was das junge Paar dazu nötigt, die Verteidigung des jeweils anderen anzutreten.

 

An der Premiere waren die beiden SchauspielerInnen mit so grosser Verve am Werk, dass vor lauter Spielfreude in all dem ernsten Unernst die gesamte Farce zu einer ausgewachsenen Groteske erwuchs. Hilfreich dabei ist die Musikspur von Udo von Ooyen. Die Songs mit Love im Titel – von schwülstig sehnsüchtig über paradiesisch idyllisch bis zu schmerverzerrt wütend – ergänzen all das wilde Hüst und Hott von Anziehung, Abstossung, Beleidigung, Reue, Bruch, Wiedererwägen, Dochnichtloslassen zuerst je einzeln angespielt die jeweilige Situation verstärkend. Wenn das Karussell vor lauter Tempo alle Orientierung verunmöglicht, verdichtet sich die gesamte Liedsammlung zu einer einzigen Love, Love, Love-Verirrung, die in ihrer Raffiniertheit und Vielschichtigkeit ihresgleichen sucht.

 

Die grobe Struktur des Stücks ist simpel, was die Teamleistung hinter der Bühne und vor allem das Schauspiel von Lukas Waldvogel und Chantal Dubs noch intensiver als helle Freude erlebbar werden lässt. Weil oberflächlich und klug, unglaubwürdig und nachvollziehbar, schrill und zärtlich einander hier ergänzen statt sich auszuschliessen.

 

«How to date a feminist», bis 20.6., Kellertheater, Winterthur.

 

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