GegnerInnen in der Defensive
Die GegnerInnen der am 25. September zur Abstimmung kommenden AL-Initiative für bezahlbare Kinderbetreuung für alle werben mit einem Mann, der unter der Last von Legosteinen zusammenbricht. Und sie fechten mit schwachen Argumenten.
von Walter Angst*
Eines wollen zwar auch die Nein-SagerInnen nicht abstreiten: Dass Eltern heute zu viel für die Kinderbetreuung bezahlen müssen. Sie behaupten jedoch, dass die Last der Eltern durch Kostensenkung und Steuerabzüge reduziert werden könne. Beides ist falsch. Der vielgepriesene Steuerabzug für Kinderbetreuung schenkt nur bei Haushalten mit hohen Einkommen ein. Und die Verbilligungswirkung ist gering. Sie deckt bei hohen Einkommen gerade mal 10 Prozent der Kosten eines KiTa-Platzes. Dem Mittelstand bringen Steuerabzüge nur ein Almosen (siehe Kasten).
Kein Weg sind Kostensenkungsprogramme. 70 Prozent ihrer Aufwendungen investieren Betreuungseinrichtungen ins Personal. Dort zu sparen würde sich direkt auf die Qualität der Betreuung auswirken. Der Spielraum der Kostensenkungsprogramme ist deshalb gering. Der immer wieder erwähnte Abbau bürokratischer Hürden wäre zwar wünschenswert. Eine spürbare Entlastung der Eltern würde das aber nicht bringen. Die Lösung bringt nur die Erweiterung der Finanzierungsbasis. Das zeigt der Kanton Waadt. Die Belastung der Eltern ist dank Betreuungsfonds bedeutend geringer als in Zürich. In der Waadt zahlen Eltern im Durchschnitt 42 Franken für einen Betreuungstag, in Zürich sind es 75 Franken.
Mit dem Betreuungsfonds würde das bewährte Zürcher Modell infrage gestellt, behaupten die Gegner. Was ist das Zürcher Modell? Es verpflichtet Städte und Gemeinden, ein bedarfsgerechtes Angebot an Krippen und Horten aufzubauen. Wie die Gemeinden das bezahlen sollen, interessiert den Kanton aber nicht. Die Folge: Im Kanton Zürich gibt es krasse Unterschiede beim Angebot und bei den Kosten der Kinderbetreuung. Das ist ungerecht. Hier setzt der Betreuungsfonds an. Gemeinden erhalten die nötigen Mittel, um ihre Angebote auszubauen. Wie sie das machen – ob mit Betreuungsgutscheinen, direkten Beiträgen an die Trägerschaften, einem Ausbau des Angebots an Tagesfamilien oder Mittagstischen oder dem Einkauf von Leistungen in einer Nachbargemeinde – ist ihnen freigestellt. Die Gemeinden werden auch in Zukunft entscheiden, welche Angebote und wie viele Betreuungsplätze es braucht.
Der Standort profitiert
Es muss ein Reflex sein: Die im Nein-Komitee versammelten Kreise behaupten, dass ein Beitrag von 0,2 Prozent der AHV-pflichtigen Lohnsumme dem Standort schade und Arbeitsplätze gefährde. Sie können nicht zugeben, dass sich Investitionen in die Kinderbetreuung nicht nur für die Gemeinden, sondern auch für die Wirtschaft lohnen.
Viele grössere Unternehmen haben dies erkannt. Sie haben Angebote für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern auf- und ausgebaut. Sie profitieren von diesen Angeboten bei der Rekrutierung neuer Arbeitskräfte. Kleine Unternehmen können da nicht mithalten. Deshalb sagt der renommierte Ökonomieprofessor Ernst Fehr von der Uni Zürich, dass dank Betreuungsfonds «auch KMU in den Genuss der Vorteile von Kinderbetreuungseinrichtungen kommen». Die Einlage in den Betreuungsfonds ist ein kleiner Beitrag, der den Standort nicht schwächer macht, sondern stärkt.
*Walter Angst ist Al-Gemeinderat und Mitglied des Initiativkomitee bezahlbare Kinderbetreuung für alle
Was Bringen Steuerabzüge?
In der Antwort auf eine Anfrage von Markus Bischoff und Laura Huonker hat der Regierungsrat am 23. März 2016 Auskunft über die Wirkung von Gemeindebeiträgen und Steuerabzügen auf die Kosten der Kinderbetreuung gegeben. In Winterthur bezahlen Eltern, die zwei Kinder während drei Tagen in der KiTa betreuen lassen, netto zwischen 1146 (steuerbares Haushalteinkommen/HE 40 000 Franken) und 2465 Franken (HE 200 000 Franken). Die 10 500 Franken, die die Haushalte jährlich pro Kind für die effektiven Kosten der Fremdbetreuung von den Steuern abziehen können, bringen eine monatliche Entlastung von 80 (HE 40 000 Franken) bis 294 Franken (HE 200 000 Franken). Viel wirkungsvoller sind die einkommensabhängigen Gemeindebeiträge, die wegen dem Sparprogramm aber nur noch für Haushalte mit einem steuerbaren Einkommen bis 75 000 Franken ausbezahlt werden.