Friede den Hütten, Krieg den Palästen

Mark Zuckerberg, CEO von Meta, Chef von Facebook und Instagram, kündigt an, dass künftig keine Faktenchecks mehr bei Facebook und Instagram durchgeführt werden. Damit beendet er die Zusammenarbeit mit einem Netzwerk aus Faktenprüfern, das von Meta selbst seit 2016 aufgebaut wurde. Die Begründung: Man wolle künftig die Meinungsfreiheit hochhalten und Zensur vorbeugen. Er setzt künftig auf die gleiche Massnahme wie X (vormals Twitter): Die Community soll die Möglichkeit haben, Falschmeldungen zu beanstanden und zu berichtigen. Die Ankündigung von Meta ist nicht total unerwartet, reiht sich aber in eine eher verstörende Entwicklung ein: Seit Wochen überbieten sich die Tech-Oligarchen darin, wie sie Trump und seiner künftigen Administration mehr schmeicheln können. Zuckerberg hatte Trump bereits in seiner Residenz in Mar-a-Lago besucht, sowie angekündigt, für dessen Inauguration zu spenden (wie die anderen Tech-Oligarchen von Tim Cook bis Jeff Bezos auch). 

Nun kann man sich durchaus fragen, ob Faktenchecks je jemanden wirklich überzeugt haben, der sich schon tief auf dem Holzweg befindet. Zudem sind von allen zweifelhaften Änderungen, die Elon Musk seit der Übernahme von Twitter eingebracht hatte, die Community Notes nicht die Schlimmsten (so werden auch Elon Musks zahlreiche Falschaussagen immer wieder markiert). Aber die Art und Weise, wie Zuckerberg seine Änderungen vorbringt zeigen klar: Zuckerberg will Meta auf Rechtskurs bringen. So kündigte er beispielsweise an, dass die Content-Moderation-Teams, also jene armen Tröpfe, die die wirklich üblen Beiträge von illegaler Pornographie bis zu Verbrechen aussortieren müssen, nun von Kalifornien nach Texas verlegt würden, weil sie in Kalifornien zu fest der Gefahr von politischer Beeinflussung ausgesetzt wären. Und neu soll eine Reihe von verpönten Beschimpfungen wieder zulässig werden, wie beispielsweise, dass man Homosexuelle wieder als geistig krank bezeichnen kann. Das ist natürlich Meinungsfreiheit, die bekanntlich nur für jene gilt, die die richtige Meinung haben, alle anderen werden verklagt. Wie beispielsweise jene, die sich anmassten, Trump oder Musk zu kritisieren.

Damit werden die grössten sozialen Netzwerke als rechte Propaganda-Schleudern und Desinformationsnetzwerke funktionieren. Dies in einer Zeit, in der die klassischen Medien unter Bedeutungsschwund leiden. Das grosse Problem sei, so schreibt Politikwissenschaftler Henry Farrell in einem Blogbeitrag auf Substack, nicht die individuelle Desinformation, die sich durch Faktenprüfung beheben liesse, sondern dass daraus eine falsch informierte öffentliche oder veröffentlichte Meinung entsteht. Um dieses Problem zu illustrieren, wählt er ein recht einleuchtendes Beispiel, das man bei der Pornographie beobachten kann. So konsumieren relativ viele Leute Pornographie im Internet, aber nur wenige zahlen auch dafür. Pornoproduzenten orientierten sich bei der Produktion der Pornographie aber logischerweise vor allem an jenen, die zahlen und insbesondere an den Bedürfnissen jener, die von nichtzahlenden Konsumenten zu zahlenden Kunden wurden. Deren Bedürfnisse unterscheiden sich aber vom Geschmack des grossen Mainstreams, in der Vorliebe für härtere Inhalte (z.B. Würgen, Gewalt, Inzest). Was dazu führt, dass sich die Produktionen in eine Richtung entwickeln, die nicht den Vorlieben der Mehrheit entsprechen, sondern eben der zahlenden Minderheit. Was wiederum dazu führt, dass jene, die diese Inhalte konsumieren, zu glauben beginnen, dass diese dort gezeigten Inhalte dem Bedürfnis einer Durchschnittsgesellschaft entsprechen. Sprich: Jugendliche erhalten ein Bild einer Sexualität, die immer weniger der Realität entspricht. Dasselbe geschieht auch, dass immer häufiger auch ziemlich abwegige Social-Media-Diskurse und Desinformation in den öffentlichen Diskurs gelangen oder sogar in vermeintlich seriöse Tageszeitungen. 

In Österreich derweil wird wohl FPÖ-Chef Herbert Kickl Bundeskanzler, der von einem Öxit träumt, und keine Berührungsängste zu Rechtsextremen kennt. Die Verhandlungen zwischen Neos, ÖVP und SPÖ sind gescheitert. Zuerst sind die liberalen Neos aus den Verhandlungen ausgestiegen, dann die ÖVP. ÖVP-Kanzler Karl Nehammer legt seine Ämter nieder. Nachdem die ÖVP und gerade auch deren Generalsekretär, der nun Nehammer beerbt, im Wahlkampf beteuert hat, dass eine Koalition mit der FPÖ nie infrage kommt, will man sich nun als Juniorpartner in eine FPÖ-geführte Koalition begeben. Warum sind die Verhandlungen gescheitert? Neos und ÖVP geben den Sozialdemokraten die Schuld: Diese hätten nicht richtig sparen wollen und zudem an unrealistischen Forderungen wie einer Vermögens- oder Erbschaftssteuer festgehalten. SPÖ-Chef Andi Babler stellt das freilich anders dar, man habe auf gar nichts beharrt, ausser darauf, dass sich alle an einer Haushaltssanierung beteiligen müssten, also auch jene, die in den letzten Jahren viele Gewinne gemacht hätten, wie beispielsweise die Banken. Tatsächlich verdichten sich die Hinweise, dass Wirtschaftskreise innerhalb der ÖVP eine blauschwarze Koalition (also FPÖ-ÖVP-Koalition) anvisiert hatten und Karl Nehammer damit jeden Verhandlungsspielraum genommen hätten. Der  Schriftsteller Robert Misik beschreibt dies auf der Plattform zackzack.at wie folgt: «Das muss man sich einmal vorstellen: Die Bankenlobby, Industrievertreter und Immo-Konzerne stürzen einen konservativen Kanzler und werfen sich vor einem irrwitzigen Rechtsextremisten in den Staub, bringen ihn an die Macht. Es klingt wie aus dem Klischeebuch simpelster altmarxistischer Faschismustheorien.» 

Ich war lange überzeugt, dass es einen durchaus breiten Konsens gäbe in bürgerlichen wie auch in Wirtschaftskreisen, dass eine moderate sozialdemokratische Regierung mit einer stabilen Demokratie und funktionierenden Institutionen einer rechtsextremen Regierung vorzuziehen ist. Mittlerweile bin ich da nicht mehr sicher. Genauso war ich immer überzeugt, dass die Linke mit einer etwas moderateren Rhetorik (nicht Inhalt!) mehr Erfolg haben könnte. Das hat vielleicht auch mit meiner persönlichen Art zu kommunizieren zu tun. Auch davon bin ich nicht mehr überzeugt. Der Klassenkampf von oben tobt – vielleicht ist es Zeit, ihm wieder den richtigen Klassenkampf entgegenzusetzen. Dafür bin ich vermutlich nicht die Geeignetste. Doch wenn es so weitergeht, überkommt es dann sogar mich noch. Im Titel habe ich ja schon begonnen.