Fördern, aber wie?

Auch private und staatliche Fördergremien sind besorgt über den Rückgang der Kulturberichterstattung in den Massenmedien. Die Swissfoundations-Tagung «Kulturberichterstattung in der Krise – wie kommt Kultur künftig zu den Menschen?» vom Donnerstag der Vorwoche in Solothurn atmete den Geist eines Kick-off-Meetings, sich der Problemlage aktiv bewusst werden zu müssen und mögliche Handlungsfelder zu definieren.

 

In der Regel sind Medien Privatfirmen. Sie können im Rahmen der Rechte und Pflichten des Journalismus die formale und inhaltliche Auswahl treffen, die ihnen beliebt. In einer idealen Welt – analog oder digital – vermeldet und ordnet die reichweitenstarke Tageszeitung die Aktualität ein: In Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur, Gesellschaft und versucht damit, eine Leserschaft zu finden, die so gross ist, dass die Werbewirtschaft für diese Kontakte bezahlt und damit den Endpreis für das Publikum erschwinglich hält und einen Gewinn abwirft. Die härteste Währung ist die Glaubwürdigkeit, die nicht kostenlos errungen werden kann. Der Einbruch dieses bisherigen Geschäftsmodells zwingt sie zu Experimenten, denn ein vermutlich existierendes neues Ideal ist vorerst noch ein Buch mit sieben Siegeln, respektive vorderhand vor allem eine GAFA-Subvention (Google, Apple, Facebook, Amazon).

 

Bezüglich der Kultur besteht die grundsätzliche Übereinkunft, sie trage durch ihr denkanstossendes und gesellschaftskittendes Wesen aktiv dazu bei, demokratiepolitisches Interesse und in der Folge die Teilhabe daran aufrecht zu erhalten, und seis im Grenzfall auch durch eine Störung der Selbstgenügsamkeit. Deshalb wird Kultur gefördert. Aufseiten privater Förderstiftungen (mit mehr oder weniger einengendem Zweck ihres Mäzenatentums) besteht das nicht unbedingt von Eitelkeit befreite Interesse, dass ihre philanthropischen Ermöglichungen bekannt werden. Dazu eignen sich Massenmedien besser als Nischenprodukte, qualifizierte kritische inhaltliche Auseinandersetzungen besser als die reine Verkündigung. 

 

Das Wünsch- und Machbare

Die beiden Medienwissenschaftler Mark Eisenegger und Matthias Zehnder stellten einerseits statistische Zahlen über das Medienangebot und deren -nutzung vor wie auch der neu zu berücksichtigenden Funktionsweise von Aufmerksamkeitsgenerierung im digitalen Wettbewerb, worin sich längst nicht nur Medien konkurrierend gegenüberstehen, sondern sämtliche Marktteilnehmenden bis hin zum Seifensieder. Fazit: Die Kultur hat darin je schlechtere Karten je spezifischer, komplexer oder sperriger der zu transportierende Inhalt wird. Denn: Heute muss jeder Artikel performen, weil nicht mehr das Jahresabomodell mit einer Durchschnittszufriedenheit über die Zahlungsbereitschaft entscheidet, sondern der einzelne Klick. Erst rund 17 Prozent der Befragten zeigten sich bereit, verbindlich und längerfristig für Onlinejournalismus zu bezahlen. 

 

Drei Beispielkonzepte stellten sich im Anschluss vor: Die Fokussierung und die Stärkung des Lokalen (inkl. Kultur) der westschweizer Tageszeitung ‹Le Temps›, die seit letztem Jahr von der Sammelstiftung Aventinus getragen wird und die demzufolge vom Druck der reinen Marktfinanzierung etwas befreiter agieren kann.

 

Das Wunschkonzert einer App der Feuilletondienst-Nachfolge «ch-intercultur», die nicht nur innerhalb der Sprachregionen, sondern auch über deren Grenzen hinweg ein Komplettangebot an qualitativer Kulturberichterstattung (in Zusammenarbeit mit «Partnern») anstrebt, wird nur schon Handgelenk mal Pi selbst mit einem Millionenbugdet wie dem der ‹Republik› nicht zu stemmen sein. Zudem stützt sich das Konzept auf ein Tool (WePublish), das sich derzeit eher im Dornröschenschlaf befindet als durchzustarten.

 

Zum Dritten, die pragmatische Einrichtung von www.thurgaukultur.ch, das sich am Machbaren orientiert und vornehmlich vom Kanton und dessen Kulturstifung (also dem Lotteriefonds) finanziert wird und sich seine Street-Credibility und damit die Reichweite fortlaufend erarbeiten muss. Vergleichbare Agenden/Magazine existieren im Analogen bereits in mehreren Regionen/Städten mit unterschiedlich gewichteten Ansprüchen.

 

Medienförderung

Die Aktualität dieser Tagung ist eindeutig die im eidgenössischen Parlament diskutierte Ausweitung der Medienförderung. Hierfür gilt es, den Spagat auszuhalten, dass «wer zahlt, befiehlt» keine Gültigkeit erfahren darf, will die härteste Währung der Glaubwürdigkeit ihre Gültigkeit bewahren. Zeitgleich ist die Verlockung für Private, sich entlang der empirischen Funktionsweise von Aufmerksamkeit zu orientieren – Matthias Zehnder nennt das die «Blut, Busen, Büsi»-Regel – nicht alleine böser Wille, sondern eine existenzielle Frage. Schliesslich gilt es auch, die Journalismus herstellende Arbeitskraft anständig zu entlohnen. Hier setzt ein skandinavisches Fördermodell an, das direkt Menschen statt Strukturen finanziell alimentiert.

 

Die Frage, wie die Kultur zu den Menschen komme, ist vielschichtig. Für Zürich und Winterthur hat eine ad-hoc Umfrage ergeben, dass ‹die Hütte füllen› auch für kleinere Institutionen nicht das zentrale Problem darstellt, die weniger werdende/mangelnde fachkundige Auseinandersetzung mit den Inhalten indes sehr wohl bedauert wird. Auch ist der Stellenwert einer Rezension für die Gesuchseingabe für eine städtische/staatliche Förderung eines Folgeprojektes längst den Umständen angepasst worden (Bühne). Im Kunstmarkt sind Galerien die Mittler, in der Literatur die Verlage und Festivals, in der Musik Labels und Clubs und im Film die Verleihfirmen und Kinobetreibenden, die mit einer komplexen Verwertungsrechtesituation in einem sehr kleinen Gebiet zurande kommen müssen.

 

Der bislang nicht anderweitig wettzumachende Vorteil der redaktionellen Berücksichtigung in einem Massenmedium wie der Tageszeitung – analog oder digital – besteht darin, dass AdressatInnen via eine General-interest-Lieferung auch mit Special-interest-Inhalten konfrontiert werden können. Also Themen streifen, die sie von alleine nicht auf dem Radar gehabt hätten.

 

Das einzige wirklich konkrete Resultat dieser Tagung war denn auch die Parole, dass Kulturkritik unter den Sammelbegriff Vermittlung gestellt gehöre, was mit fast jedem Zweckartikel einer Förderstiftung vereinbar ist. Esther Girsberger ermutigte die Anwesenden in ihrer Funktion als Stiftungsratspräsidentin zu mehr Mut zum Wagnis und weniger Angst vor der Stiftungsaufsicht und deren potenziellem Verdikt, ob mit jedem gesprochenen Franken der Stiftungszweck zu einhundert oder bloss zu fünfundneunzig Prozent erfüllt worden sei. Affaire à suivre…

 

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