Experiment
Unter der neuen Leitung am Theater Winkelwiese werden ganz offensichtlich Experimente in der Formsprache für die Bühnenübertragung von zeitgenössischer Dramatik eingegangen. Irritation inklusive.
Im Kulturmarkt oder dem Maxim-Theater oder im leider nicht mehr sehr häufig anzutreffenden Strassentheater wäre die Form von «Kosovo for Dummies» nicht zwingend als Irritation erlebt worden. Aber die einschlägige Formsprache des langjährigen Vorgängers von Manuel Bürgin sorgte einerseits dafür, dass das Label Winkelwiese eine gewisse Garantie für ein Gelingen abgab und andererseits den experimentellen Rahmen eher an die Inhalte – etwa jene von Jens Nielsen und der Gruppe «Trainingslager» – delegierte. Es kann durchaus sein, dass dies mit den Jahren zu einer Macht der Gewohnheit wurde und der zu lösende Knopf vorwiegend im eigenen Oberstübchen sitzt. Der Erstkontakt jedenfalls mit einem klassischen Agitationstheater mit eindeutiger Betonung der politischen Inhalte, zeitigt in Kombination mit dem Ort zuallererst mal ein leichtes Befremden. Das mag auch daher rühren, dass das Ratgeber-Vorbild von Reise- und/oder Sprachführern nicht auf der intellektuell anspruchsvollsten Seite angesiedelt sind und die Berner «forever productions» diese Halbjuxtonalität sehr gut trifft. Das satirische Auskosten und Überdrehen von Klischees in einer der Haudraufmentalität nicht unähnlichen Weise, verströmt ein künstlerisches Selbstverständnis von «je m’en fous» bezüglich Theaterkonventionen und scheint sich demgemäss gänzlich von der Bestrebung, dem Publikum einen angenehmen Abend zu bescheren, verabschiedet zu haben. «Kosovo for Dummies» hüpft inhaltlich und zeitlich, bricht im Sinne des Brecht’schen epischen Theaters jeden Ansatz einer Herstellung von heiler Paralleltheateridylle, wird laut und schmutzig und kokettiert ganz ungeniert mit dem Dilettantismus. Dergestalt formal überrascht, fällt es nicht leicht, aus diesem verspielten Vielerlei eine stringente inhaltliche Aussage herauszudestillieren, aber das dürfte bei der beabsichtigten Wahl von Form und Inhalt(en) genau der springende Punkt sein. Vorurteilen ist nicht logisch beizukommen und wer darin zum Überdenken angehalten werden will, muss erschreckt werden. froh.
«Kosovo for Dummies», 19.2., Winkelwiese, Zürich.