Essen für eine bessere Erde
Eine neu gegründete Genossenschaft namens Koopernikus will die AkteurInnen der gesamten Lebensmittelwertschöpfung miteinander vernetzen.
Die Genossenschaft Koopernikus, beheimatet an der Langstrasse im Zürcher Kreis 5, will den Aufbau regionaler Strukturen für eine zukunftsfähige Lebensmittelversorgung fördern, wie sie in ihrer Medienmitteilung von letzter Woche schreibt. Sie sei die «erste Schweizer Genossenschaft, die AkteurInnen der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette vernetzt», heisst es dort weiter. Was ist damit gemeint? Die Mediensprecherin der Genossenschaft, Laura Schneiter, erklärt, es gehe darum, «durch starke Beziehungen, Direktvermarktung und Partizipation den Weg in eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu ebnen». Dass sich die neue Genossenschaft dies auf die Fahne schreibt, komme nicht von ungefähr: «In der Schweiz werden heute etwa 80 Prozent unserer Lebensmittel mit konventionellen Methoden hergestellt. Diese verbrauchen enorme Mengen an Wasser, zerstören fruchtbare Böden und befeuern die Klimakatastrophe.» Dadurch verschwänden Tier- und Pflanzenarten «in einer nie vorher dagewesenen Geschwindigkeit – Pestizideinsatz, Überdüngung und die Zerstörung von Lebensräumen für Landwirtschaftsflächen tragen massgeblich dazu bei».
Gegen «kalkulierten Foodwaste»
Diese Probleme existieren nicht erst seit gestern: Weshalb also diese Neugründung gerade jetzt? Laura Schneiter erklärt, die AkteurInnen hinter Koopernikus seien seit eineinhalb Jahren daran, «Boden zu schaffen für das Projekt, und jetzt sind wir bereit, an die Öffentlichkeit zu gehen». Zur neuen Genossenschaft gehören unter anderen der Bioladen- und Gastro-Belieferer Pico, das Gut Rheinau sowie Grassrooted und Rampe 5 (früher bekannt als Rampe 21 und seit Kurzem mit dem Unverpackt-Laden Foifi zur Rampe 5 an der Gartenhofstrasse in Zürich verschmolzen, siehe P.S. vom 28. Oktober). Grassrooted ist zudem selbst eine Genossenschaft und arbeitet bereits seit längerem mit dem Gut Rheinau zusammen. Das sei kein Widerspruch, sagt Laura Schneiter, im Gegenteil: «Die neue Genossenschaft ist aus bestehenden Netzwerken und Beziehungen herangereift und offen für weitere AkteurInnen. Kernstück ist «Lightwave», unsere digitale Plattform für die Vermarktung von Lebensmitteln: Bis jetzt war man auch im Biolebensmittelhandel stets auf ZwischenhändlerInnen angewiesen, und alle wollten selbstverständlich eine Marge haben. Das wollen wir ändern.»
Damit soll es jedoch nicht in erster Linie günstiger werden, nachhaltig produzierte Lebensmittel zu kaufen, wie Laura Schneiter betont: «Wenn ein Bioladen Gemüse einkauft und nicht alles davon verkaufen kann, führt das zu Foodwaste. Doch wenn der Bioladen bei einem Händler einkauft, dann hat der ebenfalls bereits eingekauft, entweder bei einer anderen Händlerin oder bei einem Bauern. Und können diese HändlerInnen nicht alles verkaufen und/oder den Bäuerinnen nicht all ihre Ware abnehmen, dann führt das zu noch mehr Foodwaste. Das wollen wir verhindern.» Und dazu brauche es die neue Plattform: Via «Lightwave» soll es beispielsweise möglich sein, dass ein Bioladen oder ein Restaurant sein Gemüse direkt bei den angeschlossenen Bauernbetrieben einkaufen kann. Auch damit sei die Gefahr von Foodwaste natürlich nicht vollständig gebannt, sagt Laura Schneiter, sie lasse sich aber deutlich verringern. Vor allem aber lasse sich das verhindern, was heute als «kalkulierter Foodwaste» bekannt ist: Die ZwischenhändlerInnen wissen nicht, ob und wie viel die Bioläden und Restaurants an einem bestimmten Tag einkaufen werden und bestellen entsprechend so viel, dass es sicher reicht. Braucht dann gerade niemand Lauch oder Grünkohl, bleiben entweder die HändlerInnen oder die BäuerInnen darauf sitzen. Oft werden Waren, die der Zwischenhändler nicht weiterverkaufen kann, den LandwirtInnen nicht vergütet, und letztere bleiben auf dem Verlust sitzen. Zudem diktiere der Gross- und Zwischenhandel den LandwirtInnen nicht nur tendenziell immer günstigere Preise, sondern auch, welche Lebensmittel ihnen überhaupt abgenommen werden: Was angeblich «zu gross», «zu klein» oder «zu krumm gewachsen» ist, wird aussortiert und gar nicht erst angeboten.
Vorbild Freiburg im Breisgau
Dass die Art der Vernetzung, die Koopernikus anstrebt, funktionieren kann, beweisen vergleichbare Projekte in Deutschland. Koopernikus orientiert sich denn auch an der Regionalwert AG aus Freiburg im Breisgau. Dort kann die Bevölkerung «Bürgeraktien» à 500 Euro kaufen, damit Bauernhöfe, LebensmittelverarbeiterInnen oder Bioläden in ihrer Region unterstützen und dadurch von einem breiten Angebot an regional und nachhaltig produzierten Lebensmitteln profitieren. Koopernikus ist in der Region Zürich verankert, und wer der Idee dahinter zum Durchbruch verhelfen möchte, kann sich online informieren, Veranstaltungen besuchen, Geld spenden – oder gleich für 500 Franken einen Anteilschein kaufen und damit GenossenschafterIn werden.
Veranstaltungsdaten und weitere Infos finden sich auf www.koopernikus.ch
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