Es ist die Solidarität

Es ist in diesen Tagen schon auch schwierig. Egal wie sehr man das Vitamin D3 überdosiert, es wird nicht heller da draussen. Man hofft auf Schnee, das würde natürlich einiges ändern und googelt deshalb immer mal wieder, ob man auch wirklich nicht auf über 1200 Meter wohnt. Irgendwann helfen halt auch die Kerzen, der Glühwein, die Lichterketten, die Knister-Cheminée-Bildschirmschoner, die grosszügige Dekoration daheim, der frühe Apéritif, die 72 Weihnachtsromanzen auf Netflix und die heisse Schokolade mit Marshmallows nicht mehr und es bleibt, was es ist: eine dunkle Jahreszeit. 

Als ob das alles nicht genug wäre, finden genau jetzt immer auch noch die Budgetdebatten im Kantons- und Gemeinderat statt und man verliert nicht nur die Hoffnung generell, sondern immer wiederkehrend auch ein wenig den Glauben an die Menschheit. Natürlich bin ich Partei hier und mein Leiden bezieht sich hauptsächlich auf die rechte Ratsseite, die auch wirklich alles gibt, dünkt mich, gerade so, als ob da kurz vor dem Jahresende noch ein paar Gründe mehr her müssten, warum man dann auch als nicht gläubiger Mensch in die Mitternachtsmesse geht an Weihnachten. Zu den Forderungen in den Budgetdebatten, die jährlich ungefähr dieselben sind, hüben wie drüben (das gebe ich unumwunden zu), kommen ebenso absehbar Bemerkungen im Rat, die zwar nicht zur Steigerung des Niveaus der Debatte insgesamt beitragen, dafür aber immerhin noch für ein wenig Aufregung sorgen. Ich will euch das nicht vorenthalten. 

So dieser Abtausch hier, frisch aus dem Gemeinderat. Mann 1 (in Richtung linker Ratsseite): «Dieser Genderwahn (Ausrufezeichen). Was wollt ihr denn noch, wollt ihr den Mann ganz abschaffen? Ihr habt doch schon gratis Binden». Mann 2 (will zu Ruhe und Ordnung aufrufen, da er die Sitzungsleitung hat): «Bleib bitte anständig, oder hast du deine Tage?» Man kann die Budgetdebatten als alljährliches Geplänkel mit Ausschlägen nach unten abtun, aber es geht schon auch um mehr, man muss die Sache ernst nehmen. 

Denn wenn, wie eben gerade jetzt, von rechts immer noch so getan wird, als wäre jeder Franken für den Kauf von Häusern und Wohnungen in der Stadt Zürich eine Verschwendung von Steuergeldern und verlangt wird, dass sich die Exekutive komplett aus dem Wohnungsmarkt raushalten und alle machen lassen müsse, wie sie wollen, dann ist das doch eine recht kühne Forderung angesichts der Realität draussen. Denn die Leerkündigung der drei Sugushäuser ist leider ein Lehrbuchbeispiel gieriger Immobilienbesitzer, ein Beispiel, das zeigt, dass der Markt das Problem der zu teuren Wohnungen in der Stadt ganz und gar nicht alleine regeln wird – falls dieser Beweis überhaupt noch zu erbringen war, wobei, siehe oben, es ist noch nicht bei allen angekommen. Von neun identischen Wohnhäusern sind offenbar nur gerade drei derart baufällig, dass den Mieter:innen zu Weihnachten gekündigt werden muss. Sehr schlecht bis gar nicht versteckt geht es freilich um etwas anderes: Totalsanierung und Umbau der Wohnungen in die aktuell heiss begehrten Grössen auf dem Markt, denn damit lässt sich dann sehr viel Geld – das heisst noch mehr Geld – verdienen und das Vorgehen demaskiert recht eindrücklich das Schlachtfeld Immobilienmarkt. Leidtragende sind, wie immer, die Menschen. Das Handeln der Immobilienbesitzerin ist so dermassen kaltblütig, dass man sich auch etwas wundern muss und sich fragt, wer sie dabei beraten hat, Menschen knapp vor Weihnachten mitzuteilen, dass man ihnen ihr Zuhause wegnehmen will. 

Was in dieser kalten und dunklen Jahreszeit dann doch Hoffnung verspricht, ist die Kraft der Solidarität. Die ist unbesiegbar, habe ich das Gefühl, und das wärmt so ganz besonders, von innen, von ganz tief innen. «Sugus bleibt Heimat» hat Tausende mobilisiert. Es sind mittlerweile über 26 000 Menschen, die die Petition unterschrieben, die fordert, dass die Massenkündigungen zurückgezogen werden müssen, damit alle ihr Zuhause behalten können.

Wenn ich es mir recht überlege, ist es die Solidarität, die diese dunkle Jahreszeit schlussendlich doch sehr hell scheinen lässt.