Es bleibt ein Rätsel

Der Übertritt von Isabel Garcia gut eine Woche nach den Wahlen von der GLP zum Freisinn unter Mitnahme ihrer Sitze im Gemeinde- und Kantonsrat gibt nach wie vor zu reden, führte auch zu einer Motion, bleibt vor allem politisch unerklärlich und ist ein grosser Schaden für die GLP.

Ich möchte zwei Bemerkungen vorausschicken: Dass die Klimaallianz aus SP, Grünen, GLP, AL und EVP bei den Wahlen vom 12. Februar zwei Sitze verlor, ist nicht die Schuld von Isabel Garcia. Aber erst ihr Wechsel führte dazu, dass die Allianz ihre Mehrheit verlor. Die zweite Vorbemerkung; Wer zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Begründung auch immer seine Partei auswählt oder wechselt, ist Privatsache und muss auch nicht begründet werden. Anders sieht es mit den Mandaten und Sitzen aus, die man beim Wechsel mitnimmt. Bei der Mitnahme eines Sitzes, den man zusammen mit der Partei erstritt, kommt es auch auf die konkrete Situation an. 

Das lässt sich bei Isabel Garcia sehr einfach zeigen: Während ihr Übertritt von der GLP zur FDP im Gemeinderat kaum etwas bewirkt und somit allenfalls für ihre GLP-Sektion 3/9 ein Ärgernis ist, ändert ihr Übertritt im Kantonsrat im Prinzip das Wahlergebnis im Kantonsrat. Hatte die Klimaallianz am Wahlabend eine Mehrheit von 91:89 Sitzen, ist sie (Antritt des neuen Kantonsrats) faktisch mit 89:90 Stimmen in der Minderheit, da Sylvie Matter (SP) als Ratspräsidentin lediglich den Stichentscheid besitzt.

Dass der Stichentscheid bei der knappst möglichen Mehrheit dank Abwesenheiten öfters zum Einsatz kommt, ist möglich. Aber es ist ein grundlegender Unterschied, ob man mit eigenen Anstrengungen alleine eine Mehrheit zustande bringt oder ob man dazu einen zusätzlichen Partner benötigt. Ob man eine Verbreiterung der Allianz oder wechselnde Mehrheiten für besser oder schlechter hält, steht hier nicht zur Diskussion. Fakt ist, dass diese Änderung nicht durch die Wahlen erfolgte, sondern durch einen einsamen Entscheid einer einzigen Person, den sie vor der Wahl weder gegenüber ihren Parteimitgliedern noch gegenüber ihren Wähler:innen auch nur angedeutet hatte. Zudem kann die bisherige Klimaallianz die Ausgabenbremse nicht mehr erreichen. Hier kann die Präsidentin zwar mitstimmen, aber auch mit ihr ergibt es höchstens 90 Stimmen, und erforderlich sind 91.

Schwer vergleichbar

Das alles weiss Isabel Garcia nicht nur als Politologin selbstverständlich auch. Und sie traf ihren Entscheid im vollen Wissen um die Situation. Auch wenn sie und Daniel Fritzsche in der NZZ sich noch so Mühe geben, den Übertritt mit früheren Parteiübertritten zu vergleichen und somit fast als Normalität hinzustellen, bleibt einiges ausgesprochen unklar und kann auch der böse Verdacht nicht ausgeräumt werden. Nämlich der Verdacht, dass Isabel Garcia mit dem Übertritt schon lange liebäugelte, ihre Wahlsituation aber klar sah: Als Spitzenkandidatin der GLP-Liste in ihrem Wahlkreis hatte sie am 12. Februar sehr viel mehr Chancen als auf der FDP-Liste, auf der sie sicher hinter der Bisherigen hätte anstehen müssen. Chantal Galladé, die als Vergleich herbeigezogen wird, ärgerte mit ihrem Übertritt zur GLP die SP-Mitglieder zwar auch, aber sie schadete der Partei nur sehr bedingt. Diese verlor den Behördenbeitrag einer Schulpräsidentin, aber ihre Arbeit als Schulpräsidentin erledigte sie wie bisher. Für ihre neue politische Karriere begann sie bei der GLP von vorne. Genau wie bei Daniel Frei waren ihre Gründe für den Wechsel nachvollziehbar – was ja nicht bedeutet, dass man sie teilen muss. Beide gingen nach einem Streit oder einer Enttäuschung. Daniel Frei nahm für ein halbes Jahr sein Nationalratsmandat mit, ohne dass dabei viel Schaden oder Nutzen entstand.

Sie trete zur FDP über, weil die GLP in Finanz- und Wirtschaftspolitik zu wenig klare Positionen beziehe. Als einziges Beispiel nannte Isabel Garcia die Ja-Parole der GLP zur Konzernverantwortungsinitiative. Das ist ein Witz: Die emotionale, aber inhaltlich unbestimmte Abstimmung fand vor zwei Jahren statt. Das fällt ihr gerade eine Woche nach der Wahl wieder ein? Nachdem die Parteisektion gegen 30 000 Franken für ihre Wiederwahl ausgegeben hatte?

Daniel Fritzsche unterstützt sie im Kommentar mit der Behauptung, die GLP mache nicht mehr solide bürgerliche Finanz- und Wirtschaftspolitik, sondern diene sich den Linksparteien an. Beweis dafür ist eine Pressekonferenz, in der die Klimaallianz sich vor den Wahlen präsentierte. Ich war bei der Pressekonferenz auch anwesend und erinnere mich noch gut, wie Regierungsratskandidat Benno Scherrer da die Steuerfusssenkung verteidigte. Ich war in den letzten vier Jahren fast jeden Montag im Kantonsrat, von einem Linksrutsch der GLP bemerkte ich nichts. Das Grünliberale der Partei bestand wie immer darin, dass die Grünen in der Partei bei den Umweltthemen den Ton angeben und die Liberalen brav folgen und dass bei Wirtschaftsthemen die Liberalen den Ton angeben und die Grünen brav mitstimmen. Sozialer, wenn schon, wurden sie auf Druck ihrer eigenen Basis höchstens bei den Krippen.

Im Vergleich zum im Artikel auch erwähnten Martin Bäumle öffnete sich die GLP allenfalls in gesellschaftspolitischen Fragen. Die GLP hat mit Ausländer:innen keine Mühe, auch mit dem Gendersternchen kaum, aber nach wie vor mit dem Geldausgeben. Sollte Isabel Garcia, die noch als Präsidentin der Secondas+ amtet, damit Mühe hat, soll sie es wenigstens sagen.

Mitte als Gewinnerin

Die GLP hatte mit ihren Positionen – einerseits in der Klimaallianz, anderseits in der Geiz­allianz – und der Mandatsverteilung eine sehr starke Position im Kantonsrat. Durch die knapperen Wahlresultate und nun durch den Übertritt von Isabel Garcia hat sie von dieser Stärke viel eingebüsst. Das Zünglein an der Waage ging sozusagen von der GLP zu Isabel Garcia als Einzelperson über. Vermutlich wird sie brav mit der FDP stimmen – Barbara Franzen zeigt ihr schon, wie man sich grün gibt, aber im konkreten Fall (ausser bei den Biotopen) fast immer doch anders stimmen kann. Die wirkliche Gewinnerin dieses Übertritts ist die bereits in den Wahlen gestärkte Mitte. Sie wird ausser bei wirklichen Sparfragen (da genügen SVP, FDP und GLP) allseitig gebraucht. 

Die Kantonsräte der EDU haben eine Motion eingereicht, die verlangt, dass bei einem Parteiwechsel der Sitz bei der Partei bleibt und nicht bei der gewählten Person. Isabel Garcia hat ihrer Partei in einem Ausmass geschadet, die diesem Vorschlag eigentlich eine Chance geben müsste. 

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