- Gemeinderat
Einmal Sonne, einmal Stern
An der ersten Sitzung des Zürcher Gemeinderats nach den Sommerferien hatte der Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe, Michael Baumer, einen Antrag auf Fristerstreckung zu begründen. Es ging um die dringliche Motion von Dominik Waser (Grüne), Patrick Tscherrig (SP) und 28 Mitunterzeichner:innen betreffend Verordnung für ein neues Vergütungsmodell für die Stromrücklieferung aus Photovoltaikanlagen. Baumer sagte, er sei zwar «kein Fan von Fristerstreckungen», doch diese hier habe einen «erfreulichen Hintergrund»: Dank der Annahme des Stromgesetzes im Juni liege nun die Kompetenz in Sachen Stromrücklieferung aus Photovoltaikanlagen beim Bund, und die entsprechende Verordnung sei unterwegs. Weil es keinen Sinn ergäbe, jetzt schon eine Verordnung auf Gemeindeebene zu beschliessen, nur um sie unter Umständen demnächst wieder anpassen zu müssen, bitte er den Rat um zwölf Monate Fristerstreckung. Er deutete auch an, mit dem Änderungsantrag der Motionär:innen leben zu können: Dominik Waser machte seinen Ratskolleg:innen beliebt, lediglich eine Fristerstreckung um sechs Monate zu gewähren. Denn die nationale Lösung sei wahrscheinlich noch vor Ende dieses Jahres parat. Gegen die Stimmen von SVP, FDP und Mitte-/EVP hiess der Rat den Änderungsantrag gut, und die verkürzte Fristerstreckung kam mit 98 gegen zwölf Stimmen (der SVP) durch.
Heizungsersatz beschleunigen
Zum Neuerlass stand sodann die Verordnung über Förderbeiträge für den vorzeitigen Heizungsersatz an. Gemäss Netto-Null-Bericht 2022 stammen 56 Prozent der direkten Treibhausgasemissionen auf Stadtgebiet aus der Wärmeversorgung der Gebäude, und per Ende 2023 waren noch rund 18 700 Öl- und Gasheizungen in Betrieb. Seit per 1. September 2022 das revidierte kantonale Energiegesetz in Kraft trat, ist der Ersatz einer fossilen Heizung durch eine ebensolche nur noch in seltenen Fällen bewilligungsfähig. Umgekehrt wurden rund 40 Prozent der fossil betriebenen Heizungen vor weniger als 15 Jahren installiert und sind folglich noch nicht amortisiert. Um das Klimaschutzziel Netto-Null 2040 zu erreichen, müsse der Heizungsersatz beschleunigt werden, heisst es in der Vorlage des Stadtrats, und dies soll mit Förderbeiträgen für den vorzeitigen Heizungsersatz geschehen. Kommissionssprecherin Ursina Merkler (SP) erinnerte zudem daran, dass die Nachfrage nach Förderbeiträgen für den Ersatz von fossilen Heizungen durch Wärmepumpen oder den Anschluss an thermische Netze viel höher sei als ursprünglich erwartet, weshalb der Rat bereits im letzten November einen Zusatzkredit von 6,5 Millionen Franken gesprochen habe. Von den 594 Gesuchen, die bis am 31. Januar 2024 eingegangen seien, hätten 31 Prozent den Ersatz von Heizungen betroffen, die weniger als zehn Jahre alt seien. 26 Prozent der Gesuche gingen für Heizungen ein, die vor mehr als zehn, aber weniger als 15 Jahren installiert worden sind. Kurz: Das Programm zeige Wirkung, viele fossil betriebene Heizungen würden vorzeitig ersetzt. Doch weil Fördergesuche nur solange bewilligt werden können, bis der bisherige Kredit ausgeschöpft ist – längstens bis Ende dieses Jahres –, soll diese Massnahme nun mit dem Erlass der Verordnung über Förderbeiträge für den vorzeitigen Heizungsersatz definitiv eingeführt werden. Die Mehrheit, bestehend aus SP, Grünen, Mitte, GLP und AL stimme zu, fügte Ursina Merkler an.
Für die Minderheit erklärte Emanuel Tschannen (FDP), da fossile Heizungen seit dem 1. September 2022 in Kanton Zürich verboten seien, würden sie sowieso zirka 2047 aussterben: «Doch dem Stadtrat dauert dieser Todeskampf offenbar zu lang.» Tschannen rechnete vor, dass der Beitrag umso höher sei, je jünger die Heizung und je länger folglich die Zeitdauer bis zur ordentlichen Abschreibung sei: Wer eine zwei Jahre alte Heizung herausreisse, erhalte viel Geld. Die Massnahme sei teuer und setze falsche Anreize, fügte er an. Johann Widmer (SVP) sprach von «Enteignung», «Planwirtschaft» und «antiliberaler Umverteilung», und es sei obendrein «asozial, wenn alle Steuerzahler den Hüslibesitzern ihre Heizungen bezahlen müssen». Nach erfolgter Debatte ging die Vorlage an die Redaktionskommission. Ein Begleitpostulat von Dominik Waser, Beat Oberholzer (GLP) und Ursina Merkler für die Einführung eines zusätzlichen Fördermechanismus für den Ersatz von fossilen Heizsystemen, die älter als 15 Jahre sind, überwies der Rat mit 67 gegen 42 Stimmen (von SVP, FDP und Mitte-/EVP).
Der Stern des Anstosses
Den Rest des Abends füllte der Rat mit einer teils emotionalen Debatte über die Volksinitiative «Tschüss Genderstern!». Sie fordert in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs einen neuen Artikel «Verständliche Sprache» in der Gemeindeordnung, also in der Verfassung der Stadt: «1. Die Stadt verwendet eine klare, verständliche und lesbare Sprache. 2. Sie verzichtet in behördlichen Texten auf die Verwendung von Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter.» In der Begründung heisst es wörtlich, «die Initiative ‹Tschüss Genderstern!› untersagt der Stadt Zürich, den Genderstern in behördlichen Texten zu verwenden».
Die Stadt hat seit rund 30 Jahren ein Reglement für sprachliche Gleichstellung, der Stern kam bei der letzten Revision im Juni 2022 hinzu, wie Kommissionssprecherin Tamara Bosshardt (SP) sagte. In der Vorlage, über die der Rat zu befinden hatte, hält der Stadtrat unter anderem folgendes fest: «Das städtische Reglement über die sprachliche Gleichstellung gilt für behördliche Texte der Stadtverwaltung. Es gilt nicht für Dritte: also beispielsweise nicht für die Zürcher Bevölkerung, Zürcher Unternehmen oder die in den städtischen Schulkreisen tätigen Lehrpersonen der öffentlichen Volksschule. Das Reglement gilt ebenfalls nicht für die gesprochene Sprache.» Die FDP brachte einen Gegenvorschlag, der abschliessend festlegen wollte, für welche Texte die städtischen Behörden «Vorschriften über die Verwendung von typografischen Zeichen im Zusammenhang mit geschlechtsneutralen, geschlechtsbezogenen oder geschlechtsabstrahierenden Bezeichnungen» erlassen dürfte. Sie unterlag damit jedoch. In der Debatte brachten insbesondere Mitglieder der SVP- und der FDP-Fraktion Beispiele, in denen der Genderstern gemäss geltendem Reglement gar nicht verwendet würde – zum Beispiel mündlich in der Schule, wie Stefan Urech (SVP) als Lehrer zu befürchten schien. Urs Riklin (Grüne) erinnerte umgekehrt an die Cancel-Culture, die die SVP «oft in den Mund nimmt» – jetzt aber wolle ausgerechnet sie den Gebrauch eines Zeichens verbieten. Mit 68 gegen 44 Stimmen (von SVP, FDP und Mitte-/EVP) lehnte der Rat die Initiative ab. Das letzte Wort haben nun die Stimmberechtigten an der Urne.