- Gemeinderat
Einmal Skigebiet, einmal Schreiner:innen
An der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend gingen Alle-Jahre-wieder-Geschäfte wie die Kenntnisnahme der Geschäftsberichte 2024 der Stiftung Einfach Wohnen oder der Stiftung Wohnungen für kinderreiche Familien zügig über die Bühne. Einzig die SVP nahm die Geschäftsberichte nur «ablehnend» zur Kenntnis. Die Berichterstattung zum Leistungsauftrag, zum Geschäftsbericht und zur Jahresrechnung des Forensischen Instituts Zürich für das Jahr 2024 genehmigte der Rat einstimmig.
Mehr bis viel mehr zu reden gaben später in der Sitzung drei dringliche Postulate. Guy Krayenbühl (GLP), Marco Denoth (SP), Roger Meier (FDP) und zwei Mitunterzeichnende forderten den Verzicht auf einen Verkauf der Beteiligung an der Ferien- und Sportzentrum Hoch-Ybrig AG. Das Postulat datiert vom 24. September und wurde am 22. Oktober für dringlich erklärt. Dies, obwohl Finanzvorstand Daniel Leupi damals ausführte, dass der Vorstoss zu spät komme: Die Beteiligung der Stadt an dieser AG sei bereits verkauft.
«Sehr, sehr schade»
Dass die Behandlung dieses dringlichen Postulats am Mittwochabend nicht geräuschlos über die Bühne gehen würde, war angesichts derVorgeschichte zu erwarten. Guy Krayenbühl erklärte, der Stadtrat verkaufe teilweise Kleinstbeteiligungen. Er habe beispielsweise kein Interesse mehr an einer Grastrocknungsanlage, «keine Marihuana-Trocknungsanlage, sonst müssten wir sie vielleicht trotzdem behalten». Es sei «selbstverständlich», dass man schauen müsse, ob solche Beteiligungen noch Sinn ergäben, fügte er an. Dass jedoch die Beteiligung am Hoch-Ybrig unterdessen verkauft worden sei, fänden die Postulant:innen «sehr, sehr schade». Hier handle es sich nicht um eine Kleinstbeteiligung sondern immerhin um eine von fünf Prozent. Zudem bestehe eine «emotionale Bindung», zumindest für alle, die in Zürich zur Schule gegangen seien und damit auch an den jeweils dort durchgeführten Skitagen teilgenommen hätten. Auch das Parlamentarier:innenskirennen finde immer dort statt. Guy Krayenbühl fügte an, angesichts des Einreichedatums hätte der Stadtrat vielleicht noch einen Marschhalt machen können, doch er habe die Verhandlungen einfach weitergeführt. Das sei eine «Missachtung des politischen Willens» des Parlaments.
Daniel Leupi gab in seiner Stellungnahme zu, die «lokalpatriotischen Aspekte» unterschätzt zu haben. Als Luzerner und als einer, der früher in Trübsee Ski fahren gegangen sei, «und das nicht einmal besonders gern», habe sein Vorredner hier einen Punkt. Aber die Stadt habe bereits im Januar 2020 damit begonnen, Beteiligungen zu bereinigen beziehungsweise zu schauen, welche sie abstossen wolle. Darüber sei damals auch das Parlament informiert worden. Im vergangenen Februar habe dem Rat dann eine Liste der Beteiligungen vorgelegen, die verkauft werden sollen. Kurz: Der Rat könne das Postulat überweisen, aber er könne nichts mehr machen, denn diese Beteiligung sei verkauft.
Roger Meier (FDP) sagte ebenfalls, das sei schade, nicht zuletzt, weil es das nächstgelegene Skigebiet für Zürcher:innen sei. Er störte sich auch am (ausführlicheren, als hier wiedergegeben) Votum von Daniel Leupi: «Wischiwaschi» gehöre nicht in den Rat. Sophie Blaser (AL) hingegen befand, wir bräuchten keine Beteiligung an einem Skigebiet, «damit die Parlamentarier:innen dort ihr Skirennen abhalten können». Der Antrag sei schlicht «schiiheilig», und die AL werde ihn nicht unterstützen. Marco Denoth (SP) störte sich an Daniel Leupis «mea culpa», denn das nütze hier nichts. Vors Parlament zu stehen und sich «blöd zu entschuldigen, finde ich relativ blöd». Dieser Affront gegenüber dem Parlament sei «mühsam». Die Debatte endete damit, dass Guy Krayenbühl das Postulat zurückzog.
Wie weiter für 40 Lernende?
Das Schreiner-Ausbildungszentrum Zürich (SAZ) stand im Rat nicht zum ersten Mal zur Debatte. Es befindet sich in einer städtischen Liegenschaft an der Gerechtigkeitsgasse und hat als private Genossenschaft ab 2018 schrittweise den Betrieb der ehemaligen Lehrwerkstätte für Möbelschreiner LWZ vom Kanton übernommen, wie aus einem Postulat von Andreas Kirstein und Moritz Bögli (beide AL, ersterer nicht mehr im Rat) aus dem Jahr 2022 hervorgeht. «Ganz ursprünglich» sei diese Lehrwerkstätte ein Betrieb der Stadt Zürich gewesen, heisst es dort weiter.
Am Mittwochabend wurden zwei dringliche Postulate zum SAZ behandelt. Das erste stammte von Reto Brüesch und Johann Widmer (beide SVP), die eine «strategische Reorganisation und nachhaltige Finanzierungsstrategie» für das SAZ forderten. Das zweite hatten Moritz Bögli, Christian Häberli und David Garcia Nuñez (alle AL) eingereicht. Sie forderten fürs SAZ eine «längerfristige Sicherstellung des Betriebs und der Lehrstellen».
In der Debatte erinnerte Reto Brüesch ebenfalls daran, dass Kanton und Stadt 2022 zusammen einmalig 500 000 Franken fürs SAZ gesprochen und den Betrieb damit gerettet hatten. Doch sie hätten «nicht alle Wunden heilen» können. Heute sei das SAZ wieder in der Not, und zwar wegen struktureller Probleme wie beispielsweise steigenden Mieten oder teuren Maschinen. Dazu kämen fehlende Beiträge aus der Branche und zu wenige Aufträge. Jetzt stehe das SAZ vor dem Konkurs. Davon wäre nicht nur der Betrieb betroffen, sondern auch 40 Lernende und 10 Mitarbeiter:innen sowie die Stadt als Vermieterin. Das Postulat sei jedoch trotz der Forderung nach einem einmaligen Beitrag von maximal 100 000 Franken kein Blankocheck, betonte Reto Brüesch. Vielmehr gehe es darum, die Zukunft des SAZ so zu organisieren, dass es künftig sebsttragend funktionieren könne.
Zum dringlichen Postulat der AL führte Moritz Bögli unter anderem aus, es sei anspruchsvoller, für einen reinen Ausbildungsbetrieb von dieser Grösse Aufträge zu generieren als für eine Schreinerei mit ein, zwei Lernenden. Das SAZ leiste mit seinen 40 Lehrstellen «einen zentralen Beitrag gegen den Fachkräftemangel». Die AL fordere den Stadtrat mit ihrem Postulat deshalb auf, dessen systemischen Probleme «langfristig» zu lösen. Einfach alle paar Jahre grössere Beträge zur Verfügung zu stellen, wäre auch aus Sicht der AL «keine sinnvolle Lösung». Eine Wiedereingliederung in die städtische Verwaltung hingegen wäre «prüfenswert», sagte Moritz Bögli. Vielleicht sollte man sich auch darauf zurückbesinnen, dass die SAZ früher Aufträge für die Stadt Zürich ausgeführt habe. Das könnte man eventuell wieder einführen, befand er. «Es wäre nicht nur für die Lernenden interessant, sondern auch aus einer städtischen Klimaperspektive sinnvoll, denn so wären die Lieferketten minimalst.» Patrik Brunner (FDP) erklärte, bei der Unterstützung für das SAZ im Jahr 2022 habe seine Fraktion mitgemacht. Doch «jetzt wird wieder gebettelt, und das kurz vor den Wahlen, statt das eigene Missmanagement einzugestehen». Nach ausführlicher Debatte hiess der Rat beide Postulate gut, nur die FDP stimmte dagegen.