- Gemeinderat
Einmal Bonus, einmal Limite
An der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend verlas Roland Hurschler (Grüne) eine lange Erklärung seiner Fraktion mit dem Titel «Passagierrekorde am Flughafen Kloten – Unwetter-Rekorde weltweit». Mit 2,77 Millionen Passagieren pro Monat habe der Flughafen Kloten im Mai 2025 «zum ersten Mal das Vorkrisenniveau von 2019 wieder übertroffen», sagte er. Zugleich habe ein Bergsturz im Oberwallis am Tag vor Auffahrt das Dorf Blatten komplett verschüttet und 300 Bewohner:innen obdachlos gemacht: «Das Ereignis ging um die Welt.» Was das eine mit dem anderen zu tun habe? «Die Erderwärmung hat in den letzten 24 Monaten um durchschnittlich 1,6 Grad Celsius zugenommen», erklärte Roland Hurschler und zählte eine ganze Reihe von «Extremereignissen» auf, vor allem Überschwemmungen, die sich weltweit ereignet hatten, und zwar in den vergangenen drei Wochen. Dennoch würden auch in den kommenden Sommerferien wieder die Passagierrekorde purzeln, und der ‹Tagi› werde wieder Empfehlungen publizieren, «wie Familien die endlosen Schlangen am Flughafen besser bewältigen können», wie er das am Tag des Bergsturzes auf einer ganzen Seite getan habe. «Wir Grünen können mit diesem Zynismus nichts anfangen und fordern auch kommunal konkrete Massnahmen gegen die Vielfliegerei», stellte Roland Hurschler klar. Als Beispiel nannte er etwa ein Verbot für Flugreisewerbung im öffentlichen Raum.
In einer persönlichen Erklärung kontere Michael Schmid (FDP) mit dem Beispiel von zwei Bergstürzen anno 1618 und 1806. Diese hätten sich ereignet, «bevor ein einziger Liter Kerosin verbrannt wurde». Es gehe denn auch nicht an, ein städtisches Werbeverbot für Flugreisen mit dem schrecklichen Unglück von Blatten begründen. Samuel Balsiger (SVP) nannte die Fraktionserklärung der Grünen ein «Lehrstück in politischem Populismus auf ganz niederträchtige Art und Weise». Sein Fraktionskollege Bernhard im Oberdorf fügte an, mit dieser «Dramatisierung» erreichten die Grünen nur eines: «Man nimmt euch überhaupt nicht mehr ernst.»
Reparieren mit Bonus
Die Vorlage «Kreislaufwirtschaft, Pilotprojekt Reparaturförderung» stellte Beat Oberholzer (GLP) vor. Es handelt sich um ein Projekt im Rahmen der Strategie «Circular Zürich». In der Vorlage heisst es, damit schaffe die Stadt «ein gemeinsames Verständnis» und bekenne sich öffentlich zu einer Vision sowie zu Zielen für die Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Beat Oberholzer erinnerte daran, dass schon unsere Grosseltern gewusst hätten, dass die Kreislaufwirtschaft eine gute Sache sei. Doch weil sich bei vielen Konsumgütern wie etwa Elektronikgeräten eine Reparatur oft nicht lohne und es zudem mit Aufwand verbunden sei, nur schon eine geeignete Reparaturwerkstatt zu finden, soll nun im Rahmen eines dreijährigen Pilotprojekts die Reparaturförderung erprobt werden. Das Pilotprojekt gliedert sich in die drei Teilprojekte Reparaturbonus, Reparaturplattform sowie Kommunikationsmassnahmen. Es kostet total 3,8 Millionen Franken. Den Bonus wird es in Form eines Beitrags für eine Reparatur geben, den jede:r Stadtzürcher:in einmal im Kalenderjahr beziehen kann. Auf der Webseite der Plattform finden sich Angebote von Reparaturbetrieben, und auch das Einlösen des ‹Reparaturbonus› passiert dort.
Die Minderheit aus FDP, SVP und Mitte wollte die Vorlage zurückweisen. Sebastian Vogel (FDP) sagte, sie sei «nicht mehr zu retten». Inhaltlich forderte die Minderheit unter anderem, dass Betriebe zu reparierende Gegenstände auch bei der Kundschaft abholen dürfen (was bereits vorgesehen ist). Die Vorlage sah auch die Abschreibung des Postulats von drei FDPler:innen vor, mit dem sie den Verzicht auf die Abschaffung der kostenlosen Entsorgungscoupons gefordert hatten. Der Rückweisungsantrag ging mit 73 gegen 45 Stimmen bachab, und die Vorlage kam mit 73 gegen 45 Stimmen durch. Die Nichtabschreibung des Postulats wurde ebenfalls gutgeheissen, gegen die Stimmen von SP und Grünen.
Nun doch mit Einkommenslimite
Den Rest der viereinhalbstündigen Sitzung verbrachte der Rat zum kleineren Teil mit der Aufarbeitung der Rad- und Para-Cycling-Strassen-WM, hauptsächlich aber mit der Verordnung über die Umsetzung von Paragraph 49b des Planungs- und Baugesetzes PBG. Diese Debatte hatte der Rat an seiner Sitzung vom 10. Januar 2024 bereits einmal geführt und sich darauf geeinigt, für die gemäss diesem Paragraphen entstehenden Wohnungen mit Kostenmiete nur Belegungsvorschriften einzuführen, aber keine Einkommenslimiten (siehe P.S. vom 12. Januar 2024). Dies hatte damals selbst Finanzvorstand Daniel Leupi (Grüne) als unverständlich bezeichnet. Eine Woche nach dem Entscheid machte dann die AL einen Rückzieher, wobei sie davon sprach, den «Reset-Knopf» zu drücken. Damit hätte die Vorlage in der Schlussabstimmung keine Mehrheit mehr gehabt. An seiner Sitzung vom 3. April 2024 entschied der Rat, sie einer anderen Kommission zuzuweisen als beim ersten Mal, nämlich der Sachkommisson Finanzdepartement (siehe P.S. vom 5. April 2024). Am Mittwoch lag sie nun in überarbeiteter Form erneut dem Plenum vor.
Hintergrund der Übung ist die kantonale Abstimmung vom 28. September 2014, als der Paragraph 49b des kantonalen Planungs- und Baugesetzes (PBG) mit 58,4 Prozent Ja-Stimmen durchkam. Er ermöglicht es den Gemeinden, einen Mindestanteil an preisgünstigem Wohnraum festzulegen, wenn Zonenänderungen, Sonderbauvorschriften oder Gestaltungspläne zu erhöhten Ausnützungsmöglichkeiten führen. Dazu müssen die Gemeinden Bestimmungen «zur angemessenen Belegung der Wohnräume» erlassen», wie im PBG nachzulesen ist. Zusätzlich sah die ursprüngliche Vorlage des Stadtrats auch Einkommenslimiten analog zu jenen in der städtischen Vermietungsverordnung vor. Über diese Limiten wurde damals ausführlich gestritten.
In der Beratung am Mittwoch spielte sich argumentativ etwa dasselbe ab wie beim letzten Mal, mit einem entscheidenden Unterschied, nämlich dem Kompromiss, den SP, Grüne, AL und Mitte-/EVP unterdessen gefunden hatten: Das Einkommen soll kontrolliert werden, aber nur bei Mietantritt, und es soll nicht mehr als das Vierfache des Bruttomietzinses betragen. Wie bei diesem Thema üblich, unterstellten Vertreter der FDP den Linken auch dieses Mal, sie seien unfair und unsozial unterwegs und wollten nur die eigene Klientel bedienen. Auch Änderungsanträge gab es zuhauf, 19 an der Zahl, die es einen nach dem anderen abzuarbeiten galt. Die Vorlage geht nun an die Redaktionskommission, die Schlussabstimmung folgt in ein paar Wochen.