- Gemeinderat
Einmal bachab, einmal Sistierung
Wenn Schüler:innen auf der Tribüne sitzen, haben einige Gemeinderäte mehr auf dem Herzen als sonst. Das war an der Sitzung vom Mittwochabend nicht anders: In seiner persönlichen Erklärung lobte Samuel Balsiger seine SVP (und die FDP…) fürs rasche Sammeln – «und das über Weihnachten/Neujahr!» – von 4292 Unterschriften für das Referendum gegen die neue Parkkartenverordnung, das sie am Mittwoch einreichten. Urs Riklin (Grüne) frotzelte, sie hätten die Unterschriften ja gegen den Gewerbeverband sammeln müssen, der die neue Parkkartenverordnung unterstützt, und er hoffe, es sei beim Sammeln alles mit rechten Dingen zugegangen… Was Stephan Iten (SVP) auf den Plan rief, der festhielt, sie seien nie im Verdacht gestanden, gefälscht zu haben. Severin Meier (SP) fügte ungerührt an, die 3000 Unterschriften für ihre Veloinitiative habe seine Partei in einem einzigen Tag gesammelt. Emanuel Tschannen (FDP) erklärte schliesslich noch, nicht alle hätten die Entscheidung des Gewerbevereins mitgetragen, die kleinen Gewerbeverbände seien «kritisch».
Damit zu den traktandierten Geschäften: Mit einer parlamentarischen Initiative (PI) wollte die AL-Fraktion mittels einer Anpassung der Verordnung über das Arbeitsverhältnis des städtischen Personals die «Erhöhung des Ferienanspruchs auf mindestens fünf Wochen» erreichen (vgl. auch Seite 10 dieser Ausgabe). Zur Begründung führte David Garcia Nuñez unter anderem aus, dass die Pandemie die Bedeutung von systemrelevanten Berufen gezeigt habe. Es reiche aber nicht, zu applaudieren. Weil es lediglich darum ging, die PI vorläufig zu unterstützen, wofür 42 Stimmen nötig sind, gab es keine weitere Debatte. Die PI erhielt bloss 23 Stimmen (von AL und Grünen) und ging folglich bachab.
Ortsbildschutz oder…
Vor über acht Jahren, am 30. November 2016, hatte der Gemeinderat in der Bau- und Zonenordnung (BZO) 2016 für das Geviert Eidmatt-, Neptun-, Hegibach- und Streulistrasse, das in der Wohnzone 3 war, neu die Quartiererhaltungszone II/3 festgelegt. Dagegen wurde rekurriert, das Baurekursgericht lehnte den Rekurs ab, die Rekurrent:innen zogen das Urteil aber weiter ans Verwaltungsgericht, und das entschied am 14. Mai 2020 zu deren Gunsten. Damit wurde das Gebiet wieder in die Wohnzone 3 zurückversetzt. Die Rekurrent:innen hatten die Festlegung der Quartiererhaltungszone gerügt und insbesondere festgehalten, dass diese nicht ausreichen würde, um die Erhaltung der Charakteristika des Gebietes sicherzustellen, die das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (Isos) hervorhebe. Denn dafür wären zusätzlich eine maximal zulässige Gebäudelänge sowie Nutzungsziffern nötig. Daraufhin reichten Marco Denoth (SP) und Brigitte Fürer (Grüne) am 26. August 2020 eine Motion ein, mit der sie den Stadtrat beauftragen wollten, dem Gemeinderat eine Vorlage zur Revision der BZO zu unterbreiten. Diese sollte für das besagliche Geviert eine Zonierung vorsehen, «die den Interessen des Isos besser Rechnung trägt und die Auflagen des Entscheides des Verwaltungsgerichtes vom 14. Mai 2020 berücksichtigt».
Seither hat der Stadtrat zweimal um Fristerstreckung gebeten und der Gemeinderat diese bewilligt. Eine dritte Erstreckung ist nicht möglich. Der Stadtrat hält in der Vorlage fest, es sei ein Projekt «zur Erarbeitung einer Anpassung der Nutzungsplanung» gestartet worden. Zudem seien auch die «unterschiedlichen Erhaltungsziele des Isos überprüft» worden. Es habe sich weiter gezeigt, dass mittelfristig nur von einem «geringen Risiko für eine wesentliche Beeinträchtigung des Ortsbildes» auszugehen sei. Gründe für das geringe Risiko sieht der Stadtrat unter anderem in der hohen Abdeckung «mit Inventarobjekten (Denkmalpflege und Gartendenkmalpflege)». Darüber hinaus sei eine «Integration des Motionsanliegens in die laufende BZO-Revision» anzustreben. Ein etappiertes Vorgehen bzw. wenige Jahre nacheinander folgende Revisionen für das Geviert würden die «Planbeständigkeit» verletzen. Kurz: Die Ziele der Motion seien im Rahmen der gesamtstädtischen BZO-Revision umzusetzen, und die Motion sei als erledigt abzuschreiben.
…Grundeigentümerinteressen?
Die Mehrheit der Hochbaukommission sah das anders und beantragte, die Vorlage zu sistieren. Brigitte Fürer führte aus, die Kommissionsmehrheit sei nicht damit einverstanden, dass die Motion nach zweimaliger Fristerstreckung abgeschrieben werden sollte, «ohne dass aufgezeigt wird, wie das Motionsanliegen umgesetzt werden könnte». Es seien bloss «mögliche Stossrichtungen skizziert» worden, und es gebe Zweifel daran, ob der Stadtrat und die Verwaltung gewillt seien, das Verwaltungsgerichtsurteil und die Anliegen der Motion «endlich» umzusetzen: «Es scheint, als ob einzelne Grundeigentümerinteressen höher gewichtet werden als das öffentliche Interesse des Ortsbildschutzes und die Zielsetzungen des Isos.» Vielleicht sei man auch ein bisschen «betupft», weil man vor Verwaltungsgericht nicht recht bekommen habe…
Der Antrag der Kommission zur Sistierung sei auch als Kompromiss zwischen der «zeitnahen Umsetzung und einer gänzlichen Abschreibung der Motion» zu verstehen, fügte Brigitte Fürer an. Es sei noch «gänzlich offen», wann die BZO-Revision im Gemeinderat zur Debatte stehen werde. Doch bis zur öffentlichen Auflage der BZO-Revision würden alle Gesuche in jenem Geviert gemäss Wohnzone W3 geprüft, was den Nachbar:innen und Verbänden nur die Möglichkeit lasse, zu rekurrieren. Das sei «stossend». Zudem seien dort bezüglich Ortsbild nicht nur die Volumina und Stellung der Gebäude zu beachten, sondern auch die Grünstruktur und die Bäume, und ob das beim Amt für Städtebau angekommen sei, «bin ich mir mitunter nicht so sicher». Kurz: Die Grünen hätten eine fristgerechte Umsetzung der Motion vorgezogen, wie sie die Minderheit, bestehend aus der AL, noch begründen werde.
Karen Hug (AL) führte aus, das besagte Geviert sei von bauhistorischen Häusern geprägt, die vor 150 bis 100 Jahren entstanden seien. Die Stadt schätze die Gefahr einer Wesensveränderung des Gebietes als gering ein, doch ihre Fraktion sehe das anders als der Stadtrat: Einige Gebäude seien «akut gefährdet». Weiter gebe es Gebäude, die die Stadt als nicht inventarwürdig einschätze – auch das sehe ihre Fraktion anders. Die Stadt wolle auf die BZO-Revision warten und unterdessen keinen «Flickenteppich» schaffen, was aus Sicht der Stadt verständlich sei, aus Sicht des Quartiers jedoch «nicht nachvollziehbar». Das Gerichtsurteil werde so «sträflich missachtet», führte sie weiter aus. Zudem habe man es hier nicht mit einem Einzelfall zu tun. Vieles werde im Hinblick auf die Revision sistiert und aufgeschoben: «Was in der Zwischenzeit zerstört wird, kann nur erahnt werden», schloss Karen Hug. Mit 105 gegen 7 Stimmen (der AL) nahm der Rat den Sistierungsantrag an.