Eingepfercht

Die globalisierte Arbeitswelt bringt gemäss Alexandra Badeas Theatertext  «Zersplittert» nur Verlierer hervor.

 

Einen Klarnamen benötigt niemand und auch eine geographische Verortung oder Altersangaben sind unnötig. Schliesslich sind alle vier Figuren oder ihre Wartsaalavatare im in die Winkelwiese gepferchten Bühnenbild einzig damit beschäftigt, dem Tempo des Arbeitsrades hinterherzukommen. Glück ist etwas für die anderen. Der Akkord hat längst alle erfasst. Das Credo heisst «excellence». Der Aussendienstler (Ingo Ospelt), die Kommunikationsfrau (Glaire Pygrenier), der Callcenteragent (Herwig Ursin) und die Fliessbandarbeiterin (Silke Geertz), delegieren das Träumen von Werten wie Warmherzigkeit und Solidarität auf dem Puffbesuch, die Überwachung des Kindswohls, das Fernsehprogramm oder überlassen das Träumen den Träumen. Alle sind sie Teil des Räderwerks, das sie gehetzt vor sich hertreibt, und um dies überhaupt zu ertragen, entwickeln sie Überlebensstrategien, die ihre Opferrolle jemand anderem weiterreicht, und sie letztlich zu KomplizInnen dessen werden, was ihr Dasein erst lebensfeindlich macht. Halbherzig oder eben erschöpft stimmen sie ihr Mantra, «travailler c’est trop dur», genauso mechanisch an, wie sie sich angetrieben fühlen, alles dem Erreichen des Soll unterzuordnen. Ein Privatleben, eine Gesundheit, eine Geistesgegenwart. In ihrem Rücken tickt eine Stoppuhr, Sirenen signalisieren Pausen, der vorgegebene Takt ist zwangsweise längst verinnerlicht und ihre eigene Lebensfreude genauso ausgelagert, wie es ihre Beschäftigung in einem Subunternehmen als Ideal vorexerziert. Das Gastspiel des Theater Marie, eingeladen am letztjährigen Schweizer Theatertreffen, wird erstmals zweisprachig deutsch/französisch von Olivier Keller inszeniert. Es könnte auch Chinesisch oder Kisuaheli gesprochen werden, die Absolutheit der Darstellung einer eigenen Entfremdung würde nicht grösser. Die Eindringlichkeit eines in von aussen diktierten Umstände eingepferchten Daseins ist so oder so erschreckend. 

 

«Zersplittert», bis 10.3., Theater Winkelwiese, Zürich.

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