Einfach nötig

Zunächst zu meiner Interessenbindung: Ich bin seit 18 Jahren Mitglied der Sozialbehörde der Stadt Zürich, erlebte die Krise im Zürcher Sozialamt 2007 live. Ich trieb die Einführung von Sozialdetektiven in der Stadt voran und bewilligte in den letzten Jahren jeden Einsatz der Sozialdetektive oder lehnte ihn ab. Seit gut drei Jahren ist dieser Einsatz nur noch theoretisch, da die Sozialdetektive seit dem Urteil aus Strassburg in Zürich keine verdeckten Ermittlungen mehr durchführen.

 

Bei der Krise in der Sozialhilfe 2007 handelte es sich vor allem um eine Vertrauenskrise. Die Medien, angeführt von der ‹Weltwoche›, verbreiteten das Bild eines Amtes, in dem jeder und jede ohne grosse Kontrolle viel Geld erhielt. Das traf – abgesehen von ein paar spektakulären Fällen – keineswegs zu, aber die Erläuterungen liefen ins Leere.

 

Neben dem Wechsel an der Spitze des Departements beruhigten zwei Massnahmen die Situation. Die längst angedachte Ablösung der Einzelfallkontrolle der Mitglieder der Sozialbehörde durch professionelle KontrolleurInnen und die Anstellung von Sozialdetektiven. Die Begründung für die Sozialdetektive war auch eine politische, aber anders als die GegnerInnen heute immer wieder behaupten, spielte die Angst vor der SVP kaum eine Rolle. Wir hatten vor der städtischen SVP nur eine beschränkte Angst. Wir wollten nicht weiter machtlos immer wieder zugespitzte Geschichten über Missbräuche lesen. Da gingen wir den angeblichen oder wirklichen Missbräuchen lieber selber nach.

 

Persönlich war ich überzeugt, dass die Sozialdetektive nicht gross fündig würden. Das erwies sich teilweise als Irrtum. Auch die Sozialhilfe wird gezielt genutzt, um unrechtmässig an Geld zu kommen. Dabei geht es nicht darum, dass jemand gelegentlich ein paar Hundert Franken einstrich, sondern dass er oder sie neben der Sozialhilfe systematisch Lohn bezog oder auch Institutionen Leute beschäftigten und den Lohn von der Sozialhilfe bezahlen liessen. Betragsmässig geht es oft um einige Zehntausend Franken im Jahr.

 

Zur Dimension: In der Stadt Zürich wurden pro Jahr um die 100 SozialhilfeempfängerInnen durch die Sozialdetektive beobachtet, in rund zwei Dritteln der Fälle erwies sich der Verdacht als berechtigt. Ob 100 Fälle auf gut 8000 Sozialhilfefälle viel oder wenig sind, überlasse ich jedem Einzelnen.

 

Mir sind auch Gräuelgeschichten von völlig unqualifizierten Privatdetektiven bekannt, die in der Hoffnung, auf irgendetwas Verwertbares zu stossen, fast blind ermittelten. Ich rede und schreibe hier nur über die SozialdetektivInnen der Stadt Zürich. Sie sind die Regel für das Sozialhilfegesetz, über das wir am 7. März abstimmen. Zu Punkt eins: Sie sind von der Stadt angestellt, sie erhalten keine Erfolgsprämie, wenn sie fündig werden. Spätestens nach zwei Monaten ist Schluss. Sie sind nicht dazu da, einen Sozialhilfeempfänger zu erwischen, der vielleicht einmal ein paar Stunden schwarz arbeitete, sondern jenen, der dies systematisch betreibt.

 

Punkt zwei: Sie erhalten von der Sozialbehörde einen klaren Auftrag, also nicht «schau mal, was die den ganzen Tag so macht». Der Auftrag muss zudem mit anderen Mitteln nicht erfüllbar sein. Konkret: Bevor der Detektiv beim Verdacht der ungemeldeten Arbeit ins Spiel kommt, kontrolliert der zuständige Sozialarbeiter Bankkontos und AHV-Versicherung. Damit wird ein beachtlicher Teil bereits erfasst. Normale Firmen sind durchaus bereit, schlechte Löhne zu zahlen, aber eher selten, den Lohn bar und ohne Beleg auszuzahlen oder die Sozialversicherung zu ignorieren.

 

Sozialdetektive befassen sich damit oft mit Arbeitsgebieten am Rande. Abgesehen von Autohandel ausserhalb der etablierten Vertretungen ist es eher der Kumpel, der seinem Kumpel nur hin und wieder und ganz gratis hilft, in der Realität aber praktisch voll beschäftigt ist. Das sind Bereiche, in denen sich die SozialarbeiterInnen oft nicht sehr gut auskennen und auch nicht zwingend die Polizei. Dazu noch eine Anmerkung: Sozialdetektive übergeben sofort der Polizei, wenn sie auf Straftaten stossen. Es ist nicht ihre Aufgabe, Drogenhändler zu erfassen.

 

Beim präzisierten Auftrag geht es meist um Schwarzarbeit (genauer gesagt, nicht beim Sozialamt angegebener Verdienst). Die DedektivInnen führen keine Charakterstudien über die Überwachten. Ich habe recht viele ihrer Berichte gelesen und bisher nie einen Ausrutscher entdeckt. Sie geben Auskunft darüber, ob der Anfangsverdacht zutrifft oder nicht. Wenn ja, belegen sie ihn mit Beweismitteln, wenn nein, schreiben sie es und suchen nicht etwas anderes. 

 

Sozialdetektive sind mitunter auch für Abklärungen von Wohn- oder Familienverhältnissen zuständig, praktisch konzentrierten sich ihre Aufgaben in den letzten Jahren auf undeklarierte Einkommen.

 

Die Sozialdetektive der Stadt setzen bisher GPS ein. Nach dem neuen Gesetz der Kantonsratsmehrheit dürfen sie das nicht mehr. Das erschwert, aber verunmöglicht ihre Arbeit nicht. Persönlich finde ich es leicht witzig, dass alle sich darüber mokieren, dass das BAG noch mit dem Fax arbeitet, die Gleichen aber bei Sozialdetektiven dies fortschrittlich finden. Dass neu der Bezirksrat und nicht mehr die Sozialbehörde die Aufträge letztendlich erteilt, ist eine Abwertung der Sozialbehörde, für die Arbeit der Sozialdetektive aber unerheblich.

 

Ein kurzer Blick auf die juristische Situation. Wer Sozialhilfe will, muss beweisen, dass er kein Geld hat. Das geht recht weit, und wenn man schon von Generalverdacht gegenüber Sozialhilfeempfangenden reden will, dann ist es hier der Fall.

 

Hat das Sozialamt einen Verdacht auf Missbrauch (oder wird ihm von lieben Nachbarn oder wütenden Ex-FreundInnen darüber berichtet), kann es nicht einfach Geld abziehen oder die Hilfe ganz entziehen, sondern muss den Missbrauch beweisen. Das geht ohne Sozialdetektive nur schwer. Sie leisten zumindest in der Stadt Zürich eine unverzichtbare Arbeit.

 

Damit das klar ist: Man kann diese Arbeit auch der Polizei übergeben. Diese müsste sich die personellen Ressourcen und Fähigkeiten zuerst aneignen, und zudem bin ich unsicher, ob es für die Betroffenen immer ein Vorteil wäre. Ein Polizist kann eine per Zufall entdeckte Straftat nicht negieren, ein Sozialdetektiv kann sich auf seinen Auftrag konzentrieren. Es braucht ein Ja, weil die SozialdetektivInnen in der Stadt Zürich einen nützlichen Job leisteten und nicht weil man Angst vor einen schlechteren Lösung durch SVP und FDP hat.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.