Eine schlechte Alternative

Ich bin dagegen. Gegen diese neue Oppositionspolitik der SP. Mir war die Chose schon bei der Medienkonferenz im Mai nicht ganz geheuer, ebenso wenig bei der Lektüre der Resolution, die letzten Samstag an der Delegiertenversammlung verabschiedet wurde.

Und dabei geht es mir natürlich nicht um die sowohl an der Medienkonferenz wie auch in der Resolution gestellten Forderungen. Investieren in Bildung, keine Rentenkürzungen, eine gerechte Steuerpolitik, keine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, keine Milliardengeschenke an Grosskonzerne, eine moderne Familienpolitik, bezahlbare Wohnungen und eine Wirtschaftsdemokratie. Ich unterschreibe sie alle, diese Forderungen, wenn nötig sogar mit meinem Blut, sie sind die Beschreibung jener Welt, die würdiger, sozialer und gerechter wäre, wenn wir sie gestalten könnten. Warum also werden altbekannte Forderungen mit einer plötzlichen Oppositionspolitik garniert, die zudem weder plötzlich noch oppositionell ist? Dieser Aufruf, unbequem zu werden, ist aus verschiedenen Gründen falsch.

Erstens zementieren wir dadurch die Mär vom linken Bundesbern. Wenn wir sagen, dass wir nach diesen verheerenden Wahlen 2015 in die Opposition gehen, sagen wir auch, dass es vorher anders war. Wohl gab es vor den letzten Wahlen etwas mehr Spielraum und gelegentlich noch die Möglichkeit vernünftiger Koalitionen mit FDP und CVP. Das ist vorbei. Aber das ist auch schon alles. Wir hatten schon immer nicht wahnsinnig viel zu sagen. Das nationale Parlament ist seit je bürgerlich dominiert. Wenn wir die letzten Wahlen nun als derart grosse Zäsur verkaufen, bestätigen wir vor allem das Lamento der SVP, dass nämlich bisher eine Mitte-Links-Mehrheit im Parlament und im Bundesrat dominierte. So war es aber nie.

Zweitens ist es grundsätzlich befremdend, in der Resolution Sätze wie den folgenden zu lesen: «Deshalb werden wir jetzt unbequem werden; schampar unbequem. Wir werden Widerstand leisten. Wir werden uns für die Lebensqualität der Mehrheit der Bevölkerung einsetzen statt der Interessen einiger weniger (…).» Werden wir das? Und was war bisher? Ich und viele meiner Weggefährtinnen und Weggefährten hatten bisher nicht das Gefühl, besonders bequem gewesen zu sein, keinen Widerstand geleistet zu haben. Wenn die Juso der Stachel im Arsch der SP ist, dann ist die SP der Stachel im Arsch der stets bürgerlich dominierten Schweiz. Und das nicht erst seit gestern.

Drittens ist ebenso wenig neu, dass wir mit Hilfe der uns zur Verfügung stehenden demokratischen Instrumente politisieren. Entscheide, die vom bürgerlichen nationalen Parlament gegen unseren Willen gefällt wurden, mussten wir via Referendum  an die Urne bringen. Das Referendum war und ist unser Mittel zur Korrektur rechter Politik. Es ist eine massive Begriffsverwirrung, wenn man von Opposition spricht und Referendum meint. Das ist nicht das Gleiche. Eine tatsächliche Oppositionsrolle würde von uns nämlich andere, schmerzhafte Schritte verlangen.

Was soll also diese «Oppositionspolitik», die beim genaueren Hinsehen nur den Status quo beschreibt und keineswegs einen Aufbruch? Ich befürchte, es ist eine schlecht kaschierte Absage an eigene Ideen. Das ist umso bedauerlicher, weil es so gar nicht nötig wäre.

Wir brauchen Ideen, grosse Ideen. Aber es ist ok, wenn man gerade keine hat. In Anbetracht der Schnelligkeit, mit der im Moment Geschichte geschrieben wird, und der Grösse der Herausforderungen ist es vielleicht sogar ein Zeichen von Qualität, keine Ideen zu haben. Und Grund für grösstes Misstrauen, wenn jemand welche hat, die angeblich alle Probleme lösen.

Könnten wir nur zugeben, dass wir keinen allumfassenden Plan haben, hätten wir den Platz, den es braucht, um grösser, breiter und besser zu denken als bisher. Sich stattdessen mit der eigenen Propaganda übertölpeln zu wollen, ist eine wirklich schlechte Alternative.

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