- Abstimmungen
Eine fast grosse Klatsche
Albert Rösti hatte im Bundesrat einen ziemlich geglückten Start. Kaum angefangen, stieg er schon zu einem der Tonangeber im Bundesrat auf. Und auch an der Urne war er erfolgreich beim Klimaschutzgesetz, dem Stromgesetz und der Biodiversitätsinitiative. Und wenn das Volk (oder das Parlament) mal anders entschied, dann wusste er es zu umgehen, wie er dies beispielsweise beim Wolf demonstrierte. Bei den Autobahnen muss Rösti seine erste grosse Niederlage hinnehmen. 52,7 Prozent der Stimmberechtigten sagten Nein zum geplanten Autobahnausbau. Ein knappes Ja gab es nur in der Nordwestschweiz, der Ostschweiz und Teilen der Innerschweiz. Rösti nennt in einer Medienkonferenz nach der Abstimmung drei mögliche Gründe für die Ablehnung: Zum einen hätten vor allem jene Regionen abgelehnt, die kein Projekt gehabt und keinen Nutzen für sich gesehen hätten. Allerdings wurde der Autobahnausbau auch in drei Kantonen abgelehnt, in denen es Projekte gab, nämlich in Bern, Genf und Basel-Stadt. Zum anderen hätte vielleicht eine Mehrheit den Ausbau insgesamt als zu gross angesehen. Das hätte insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion rund um den Bundeshaushalt eine Rolle gespielt.
Medial wurde die Frage diskutiert, ob die Zuwanderung eine Rolle bei der Ablehnung gespielt haben könnte, weil durch das Bevölkerungswachstum auch ein Druck auf die Infrastrukturen entsteht. Die Ergebnisse der Nachwahlbefragung des Instituts LeeWas lassen eher darauf schliessen, dass die Hauptargumente für die Ablehnung der befürchtete Mehrverkehr und der Klimaschutz waren. Abgelehnt wurde der Autobahnausbau insbesondere von den Frauen. 61 Prozent der Frauen waren dagegen, 56 Prozent der Männer hingegen waren für den Autobahnausbau. Auch das Einkommen spielte eine Rolle. Wer mehr als 16 000 Franken pro Monat verdient, stimmte deutlich zu, wer weniger als 7000 Franken verdient, lehnte klar ab.
Röstigraben bei Efas
Mit 53,3 Prozent wurde die Gesundheitsreform Efas angenommen. Gegen Efas hat die Gewerkschaft VPOD das Referendum ergriffen und praktisch im Alleingang gesammelt. Auch im Abstimmungskampf blieb die Gewerkschaft recht einsam. So gesehen sind 46,7 Prozent Nein durchaus ein Achtungserfolg für die Gewerkschaft. Das Referendum war vor allem aus der Westschweiz gekommen und hat dort auch gepunktet. Genf sagt mit 65,5 Prozent deutlich Nein, Neuenburg mit 65,6 Prozent ebenfalls, genauso wie die Waadt mit 62,3 Prozent. Demgegenüber standen starke Zustimmungen in der Deutschschweiz wie beispielsweise in St. Gallen, das mit 64,3 Prozent klar Ja sagte oder in Luzern mit 61,1 Prozent Ja. Etwas knapper, aber immer noch deutlich stimmte der Kanton Zürich mit 57,7 Prozent für Efas. Dieser Röstigraben mag mit einer grösseren Skepsis der Westschweiz gegenüber der Krankenkassen zu erklären sein. In der Deutschschweiz legten sich zudem die Gesundheitsdirektor:innen stark ins Zeug für ein Ja zu Efas. Abgelehnt wurde Efas insbesondere von Wähler:innen der SP, etwas weniger von Wähler:Innen der Grünen, was auch den Parteiparolen entsprach. Die SP hatte die Nein-Parole, die Grünen eine Stimmfreigabe beschlossen. Aber auch die SP-Wählerschaft war nicht geschlossen: 31 Prozent sagten Ja zu Efas. Etliche SP-Politiker:innen haben sich auch öffentlich für ein Ja zu Efas eingesetzt. Die SVP-Wählerschaft war relativ ausgeglichen, 49 Prozent sagten Nein, 51 Prozent sagten Ja. Diese Uneinigkeit hatte sich auch in Diskussionen in der SVP rund um die Parolenfassung gezeigt.
Bei den Mietvorlagen spielte vor allem der Stadt-Land-Graben. Städte und Agglomerationen lehnten die Vorlagen ab, das Land stimmte zu (mehr zu den Mietvorlagen auf S. 19). Das hat vermutlich auch mit der geographischen Verteilung der Mieter:innen zu tun. Ebenfalls eine Rolle spielte das Einkommen, insbesondere bei der Frage der Untermiete. Je höher das Einkommen, desto eher wurde hier der Verschärfung zugestimmt.
Dank dem Ja zu Efas hat der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments nicht eine vollständige Klatsche erhalten. Der Politikwissenschaftler Lukas Golder meinte gegenüber SRF, dass im historischen Schnitt rund 20 Prozent der Vorlagen von Bundesrat und Parlament abgelehnt werden. In diesem Jahr sei die Niederlagenquote bereits bei 42 Prozent. Das sei aussergewöhnlich.
Ja zu Wohnbau, Nein zur Genderstern-Initiative
Die einzige Überraschung des Abstimmungssonntags war die klare Ablehnung der Initiative «Tschüss Genderstern» (siehe auch S. 9). Viele hatten mit einer knappen Abstimmung gerechnet, etliche (so auch die Schreiberin) sogar mit der Annahme der Initiative. Schon nach den ersten beiden Kreisen aber war klar, der Achtungserfolg würde wahrscheinlich ausbleiben. Da zeigte sich, dass der Kreis 3 die Initiative wuchtig verwarf, Schwamendingen aber nur knapp angenommen hat. Neben Schwamendingen waren auch die Kreise 7/8 sowie 11 dafür, aber auch da war es knapp. Klar angenommen wurden die beiden Gegenvorschläge zur Volksinitiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich» (siehe auch S. 19). Kein Gehör fand das Referendum der Jungen Grünen gegen das geplante Büro-Hochhaus der UBS, 64,5 Prozent stimmten dem Gestaltungsplan zu. Auch die SVP kann sich nicht freuen, denn die Abgangsleistungen für Behördenmitglieder wurden mit 62,5 Prozent der Stimmen angenommen. Eine klare Mehrheit fand auch die Sanierung der Rathausbrücke, hier stimmten 76,5 Prozent zu.
Jubel bei der SP Bern
Bei Berner Kommunalwahlen dauert es traditionsgemäss sehr lange, bis diese ausgezählt werden. Um zehn vor elf jubelte das Wahlbündnis Rot-Grün-Mitte. Es hatte es entgegen der meisten Prognosen geschafft, seine Mehrheit von vier Sitzen in der fünfköpfigen städtischen Exekutive (Gemeinderat) zu verteidigen. Das beste Wahlergebnis erzielte Marieke Kruit (SP), die bei der Stadtpräsidiumswahl ihre Kontrahenten, darunter auch den bisherigen Stapi Alec von Graffenried (GFL), überrundet hatte. Zweitbestes Resultat erzielte überraschend die neue grüne Kandidatin Ursina Anderegg, vor SP-Mann Matthias Aebischer. Alec von Graffenried bleibt dem Gemeinderat ebenfalls erhalten. Von den Bürgerlichen wird einzig Melanie Mettler (GLP) gewählt. Die Resultate der Stadtratswahlen (Parlament) kamen erst nach Mitternacht. Grosse Wahlsiegerin ist die SP, die fünf Sitze zulegen konnte. Bitter war die Wahl für die freisinnige Florence Pärli, die auch für die Gemeinderatswahlen angetreten war. Sie verliert auch ihren Sitz im Stadtparlament, was allerdings auch daran liegt, dass Pärli auf der Liste der Jungfreisinnigen angetreten war.