Bild: Hannes Henz

Ein zähes «Filetstück»

Der Zürcher Gemeinderat debattierte vier Stunden lang über die neue Parkkartenverordnung. Überraschungen bei den Abstimmungen über die 29 Änderungsanträge blieben aus.

So monothematisch geht es selten zu und her im Zürcher Gemeinderat: An der gut vierstündigen Ratssitzung vom Mittwochabend drehte sich alles ums Parkieren. Was Ratspräsident Guy Krayenbühl kurz nach Sitzungsstart bei der Ankündigung der entsprechenden Vorlage noch optimistisch als «Filetstück dieses Abends» bezeichnet hatte, erwies sich als umso zäherer Brocken, je länger die Sitzung dauerte. Allerdings war damit zu rechnen gewesen: Schon als die vorberatende Kommission ihre Arbeit an der Vorlage beendet und die Eckpunkte per Medienmitteilung verbreitet hatte (siehe P.S. vom 18. Oktober), löste sie ein grosses Echo aus.

Umsetzen, was bestellt wurde

Kommissionspräsident Markus Knauss (Grüne) begann mit dem Hinweis auf eine erste Vorlage zum Thema, die vom 9. Juli 2020 datierte. Am 28. November 2021 hiessen die Stimmberechtigten den kommunalen Richtplan Verkehr an der Urne gut. Daraufhin zog der Stadtrat die Vorlage zurück und brachte am 12. Juli 2023 eine neue, welche die Kommission seit September an 14 Sitzungen beriet. Markus Knauss erwähnte auch noch eine Medienmitteilung, die der Zürcher Gewerbeverband am Mittwoch verschickt und in der er sich positiv über die neue Verordnung geäussert hatte.

Mit der Vorlage soll umgesetzt werden, was die Stimmberechtigten mit ihrem Ja zum kommunalen Richtplan Verkehr bestellt haben. Dort steht unter Ziffer 6.2, Absatz 3 folgendes: «Zur Vermeidung von Leerständen in privaten Parkierungsanlagen und zur Entlastung der Strassenräume von der Parkierung sollen die Parkplätze der Blauen Zone reduziert werden. Einerseits sind Parkplätze der Blauen Zone nur zur Verfügung zu stellen, sofern am Wohnort oder Geschäftssitz keine Möglichkeit besteht, privaten Parkraum zu nutzen. Andererseits soll im Zuge der laufenden Erstellung von Wohn-Ersatzneubauten mit ihren Pflichtparkplätzen die entsprechende Zahl von Blaue-Zone-Parkplätzen kompensatorisch aufgehoben werden. Insbesondere sollen damit folgende Bedürfnisse realisiert werden: Bäume, Velostreifen und -wege, Fussgängerflächen, Güterumschlagplätze, Klimaschutz-Massnahmen wie Entsiegelung asphaltierter Flächen».

Gewichtsabhängige Gebühren

Der Zugang zu den rund 32 000 Parkplätzen in der Blauen Zone sowie auch der weiss, gelb oder als Behindertenparkplätze markierten Parkfelder auf öffentlichem Grund wird also neu geregelt. Zum Vergleich: Es gibt in Zürich ausserdem noch rund 220 000 private Parkplätze auf Privatgrund. Markus Knauss wies darauf hin, dass in Sachen Parkierung «vieles historisch gewachsen» sei und nun alle Bestimmungen in einem Erlass gebündelt werden sollen. Speziell hob er Erleichterungen fürs Gewerbe in der Blauen Zone hervor: Die bisherige Gewerbeparkkarte für die Blaue Zone kostet neu 360 statt 480 Franken pro Jahr, und zusätzlich gibt es neu eine erweiterte Gewerbeparkkarte, mit der auch auf weissen Parkplätzen parkiert werden darf. Bei den Parkplätzen für Anwohner:innen in der Blauen Zone schlug die Mehrheit der Kommission einen Mechanismus vor, bei dem von einem mittleren Leergewicht von 1561 Kilo ausgegangen wird. Dieses Gewicht wird für fossil betriebene Fahrzeuge mit 40 Rappen pro Kilo multipliziert und für nicht-fossil betriebene mit 35 Rappen, womit man mit letzterer Variante bei rund 540 Franken landet – dem Betrag, den der Stadtrat vorgeschlagen hatte.

Severin Meier (SP) erklärte für die Kommissionsmehrheit, es sei sinnvoll, dass künftig nur noch einen Parkplatz in der Blauen Zone bekommt, wer keinen privaten Parkplatz zur Verfügung hat bzw. mieten kann: «Halbleere Parkhäuser und Autos im öffentlichen Raum, das kann es nicht sein.» Dass der Preis für eine Jahreskarte für die Blaue Zone von zurzeit 300 Franken auf die erwähnten rund 540 Franken steigen soll, sei «eine klare Erhöhung». Doch private Parkplätze kosteten jetzt schon zirka 2000 Franken pro Jahr, womit die Blaue Zone immer noch rund viermal günstiger sei. Stephan Iten (SVP) entgegnete, die Minderheit lehne die Vorlage «grundsätzlich» ab. Die neue, erweiterte Gewerbeparkkarte sei zwar «ein Meilenstein», der Preis von 1800 Franken aber überrissen. Dass sich die Mehrheit für 1200 Franken für Betriebe aus der Stadt entschieden hatte, war ihm anscheinend entgangen… Er betonte auch, wie familien-unfreundlich die neue Regelung sei: Familien hätten schon unter hohen Mieten und Krankenkassenprämien zu leiden, und nun würden sie zusätzlich «massiv zur Kasse gebeten», weil sie auf grosse Autos angewiesen seien. E-Autos seien wegen der Batterie schwerer als Benziner. Klammer auf: In der Stadt Zürich hat bekanntlich rund die Hälfte der Haushalte kein Auto, aber auch in vielen dieser Haushalte leben Kinder… es scheint also nicht ganz ausgeschlossen zu sein, dass man ohne Auto überleben und sich diese Kosten sparen kann, Klammer zu. Michael Schmid (AL) sagte, es sei «stossend», wenn Parkhäuser, die zu Wohnsiedlungen zwingend erstellt werden müssten, unterbelegt seien und die Kosten auf die Wohnungsmieten abgewälzt würden. Darunter litten nicht zuletzt jene Familien, die kein Auto hätten. Stephan Iten bestand nichtsdestotrotz darauf, die neue Regelung sei «komplett unsozial».

«Positive Veränderungen» statt «falscher Anreiz»

Carla Reinhard (GLP) erklärte, aus Sicht ihrer Fraktion ergäben sich mit der neuen Regelung «mehrere positive Veränderungen». Unter anderem schaffe die «faire Erhöhung» der Gebühr einen Ausgleich zum «falschen Anreiz» der bisherigen Regelung, gemäss derer Private in der Blauen Zone für 80 Rappen pro Tag hätten parkieren können. So sei Platz verbraucht worden, der künftig für Fussgänger:innen, Velos, Bäume und Hitzeminderungsmassnahmen zur Verfügung stehe. Martina Zürcher (FDP) hingegen befürchtete «Wucherpreise» für private Parkplätze – wenn man einen solchen mieten müsse, könnten die Vermieter:innen verlangen, was sie wollten. Zudem komme der fossile Sportwagen künftig günstiger als das E-Familienauto. Klammer auf: Wucherpreise? Ein interessanter Hinweis – geht es um Wohnungen, die die meisten Städter:innen bekanntlich auch mieten müssen, spricht die FDP jeweils davon, wie seriös die meisten Vermieter:innen in Zürich doch seien… Klammer zu.

Nach der bereits langen Eintretensdebatte arbeitete der Rat bis kurz nach 21 Uhr 29 Änderungsanträge ab. Die Bürgerlichen hätten gern tiefere Gebühren gehabt – mal für Private, dann fürs Gewerbe allgemein, dann lieber ohne Unterscheidung nach Gewicht etc. etc., drangen damit jedoch nicht durch. Und auch wenn es in Zürich offenbar nichts Wichtigeres gibt als Parkplätze – der Unterhaltungswert der Debatte war recht begrenzt.Die Vorlage geht nun noch an die Redaktionskommission, und die Schlussabstimmung folgt in ein paar Wochen. Wann die neue Regelung eingeführt wird, hängt davon ab, ob noch das Referendum dagegen ergriffen wird.