Ein Wohnraumfonds für alle

Der Zürcher Gemeinderat spricht sich für einen neuen Wohnraumfonds und einen städtischen Mindestlohn aus.

 

An seiner Sitzung vom Mittwochabend beriet der Zürcher Gemeinderat über einen neuen städtischen Wohnraumfonds. Die Vorlage geht auf eine Motion der Fraktionen von SP, Grünen und AL aus dem Jahr 2017 zurück. Doch die Idee dahinter reiche fast 20 Jahre zurück, merkte Finanzvorstand Daniel Leupi an. Sie sei schon diskutiert worden, als er neu im Gemeinderat gewesen sei, doch man habe auf das neue Gemeindegesetz warten müssen, um sie verwirklichen zu können. Kommissionssprecher Luca Maggi (Grüne) erklärte, Zürich sei die erste Gemeinde im Kanton, die einen kommunalen Wohnraumfonds schaffe. Die Vorlage umfasst einerseits einen Kredit von 100 Millionen Franken für die Anfangsdotation des Fonds, andererseits den Rahmenkredit von 200 Millionen Franken für dessen künftige Alimentierung. Zudem galt es, eine Verordnung über den neuen städtischen Wohnraumfonds zu erlassen, und schliesslich wurde auch noch ein Rahmenkredit für eine aktive städtische Liegenschaftenpolitik aus dem Jahr 1990 aufgehoben, dessen Restkreditmenge rund 70 Millionen Franken beträgt. Mit dem neuen Fonds bekomme die Stadt «ein weiteres griffiges Mittel, das sich in die Palettte der bereits bestehenden Instrumente einreiht», sagte Luca Maggi und betonte, der Fonds solle auch dabei helfen, das Drittelsziel zu erreichen, demgemäss bis 2050 ein Drittel aller Mietwohnungen in der Stadt Wohnungen von gemeinnützigen Bauträgern sein sollen.

 

Die Fraktionserklärung der FDP mit dem Titel «ein weiterer Schritt in die falsche Richtung» verlas Michael Schmid. Die «hohen und steigenden» Mieten in der Stadt gehörten zu den grössten Problemen für die Menschen in Zürich, sagte er. Doch «die fehlgeleitete, seit drei Jahrzehnten rot-grün geprägte städtische Wohnbaupolitik» suche die Antwort auf dieses Problem «nach wie vor in marktverzerrenden Massnahmen». Die FDP lehne den Fonds ab, denn sie habe «andere, bessere Rezepte»: Sie will mittels einer (im Rat noch nicht behandelten) Motion die Möglichkeit schaffen, «dass bestehende Gebäude in der Regelbauweise um ein Stockwerk erhöht werden können und so effektiv mehr Wohnraum geschaffen wird». Für die SVP verlas Martin Götzl eine Fraktionserklärung mit dem Titel, «die masslose Einwanderung lässt die Mieten explodieren». Es könne gar nicht so viel gebaut werden, wie Personen einwanderten, betonte er: «Wer günstige Mieten will, muss die masslose Einwanderung stoppen.» Die Rezepte der Linken funktionierten nicht, der «schädliche» Wohnraumfonds werde den Wohnungsmarkt weiter anheizen, und die Preise stiegen für alle: «Das Versprechen der Linken, mit fremdem Steuergeld einen funktionierenden Wohnungsmarkt schaffen zu können, ist eine Lüge.»

 

Luca Maggi entgegnete ihm, die Platte der SVP scheine einen Sprung zu haben… und erklärte, wenn die Gemeinnützigen dem «renditegetriebenen Markt» Wohnungen entzögen, «wirkt sich das eines Tages in der ganzen Stadt aus». Hans Dellenbach (FDP) befand, es sei eine «verkehrte Welt», dass er hier für die Minderheit spreche, dabei vertrete er doch «die Mehrheit der Bevölkerung»: Gemeint waren jene, die aus Sicht der FDP von dem Fonds «nicht profitieren», weil sie keine gemeinnützige Wohnung «ergattern» können, sondern eine auf dem teuren freien Markt mieten müssen (für den sich die FDP stets stark macht…). Isabel Garcia (GLP) erklärte, städtische Wohnungen seien für jene gedacht, die auf dem Wohnungsmarkt «die grössten Schwierigkeiten» hätten, doch heutzutage fänden Menschen «bis weit in den Mittelstand hinein» keine Wohnungen mehr, die sie sich leisten könnten. Sie freute sich darüber, dass der Änderungsantrag ihrer Fraktion auf allgemeine Zustimmung stiess: Die GLP verlangte, dass ins Vermietungsreglement für Liegenschaften, für die Beiträge beantragt werden, Belegungsvorschriften aufgenommen werden.

 

«Gut austariert»

Patrik Maillard (AL) erklärte, die Vorlage sei «gut austariert». Mit dem Wohnraumfonds könne man etwas tun gegen die «St. Moritzisierung» der Stadt, also dagegen, dass hier nur noch Reiche wohnen könnten. Simon Diggelmann (SP) sagte, der Fonds sei «grosszügiger als mit der Motion gefordert» und biete eine grosse Chance, weil damit «zielgerichtet» nicht nur Beiträge für den Erwerb von Liegenschaften, sondern auch solche für die Erneuerung von Bestandesliegenschaften gesprochen werden könnten. Christian Traber (Mitte) hingegen gab bekannt, die Mitte-/EVP-Fraktion sei schon gegen die Motion von 2017 gewesen und lehne nun auch den Fonds ab. Und Martin Busekros (Grüne) hielt trocken fest, «der freie Markt hat kein Interesse an neuen Wohnungen». Lieber würden «schicke Altbauwohnungen leergekündigt, saniert und an Top-VerdienerInnen vermietet». So schaffe man keine Wohnungen, so werde «richtig viel Stutz» gemacht, und es sei auch klar, wer profitiere, nämlich die BesitzerInnen. Dass mehr als zwei Drittel der Wohnungen zum «freien Markt» gehörten, aber das knappe Drittel gemeinnütziger Wohnungen an den hohen Preisen schuld sein solle, sei absurd, sagte er in Richtung FDP.

 

Daniel Leupi freute sich zum Abschluss über das Lob für die Vorlage, sagte aber auch, man dürfe sich keine falschen Hoffungen machen. Der Fonds leiste einen Beitrag an mehr günstigen Wohnraum, aber er könne «keine Wunder wirken. An die Adresse der FDP fügte er an, wenn mehr Ausnützung möglich sei, führe das heute meist zu einem Ersatzneubau: «Der bietet vielleicht zwei Wohnungen mehr, dafür kosten dann alle Wohnungen statt 1500 Franken 2500 bis 3000 Franken.» Nach ausführlicher Debatte wurde die Vorlage zuhanden der Redaktionskommission verabschiedet.

 

Ebenfalls lange diskutiert wurde anschliessend noch über den städtischen Mindestlohn (siehe Bericht im P.S. von letzter Woche sowie S. 9 und 11). Nachdem alle Änderungsanträge abgearbeitet waren, ging auch diese Vorlage an die Redaktionskommission.

 

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